SKA: Sind die Bauabsichten der Beiersdorf AG wichtiger als die Erholung und Gesundheit der Eimsbütteler_innen?

Stephan Jersch

Der Senat will 12 Hektar Kleingartenflächen in Eimsbüttel an die Beiersdorf AG verkaufen - zur Sicherung des Standorts und zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Angeblich kann dieser Teil des Dann-Werksgeländes aber nicht bebaut, sondern weiter als Kleingarten- und Erholungsfläche genutzt werden, denn er sei durch den bestehenden B-Plan geschützt. Noch...

30. Oktober 2017


Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Heike Sudmann und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 24.10.2017

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/10753 -


Betr.: Sind die Bauabsichten der Beiersdorf AG wichtiger als die Erholung und Gesundheit der Eimsbütteler_innen?


Am 29. Juni 2017 hat der Senat in einer Pressemitteilung darüber informiert, dass die Firma Beiersdorf in den Standort Hamburg-Eimsbüttel rund 230 Mio. Euro investieren wolle. Gleichzeitig teilte der Senat auch mit, dass eine 12 Hektar große städtische Fläche an die Beiersdorf AG als perspektivische Erweiterungsmöglichkeit verkauft werden solle. Auf dieser Fläche befinden sich Kleingärten, laut Senatspressemitteilung sei eine Änderung der Nutzung nicht vorgesehen.

Am 10. Oktober 2017 antwortete der Senat auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Drs. 21/10361, Nr. 9 folgendes: "Am 28. Juni 2017 wurde der Grundstückskaufvertrag zwischen der FHH und der Beiersdorf AG unterzeichnet. Eine ergänzende Vereinbarung zwischen der FHH, der Beiersdorf AG und dem LGH wird derzeit verhandelt. Beide Vertragswerke stehen unter mehreren aufschiebenden Bedingungen. Ihre Veröffentlichung im Hamburgischen Transparenzportal erfolgt nach Eintritt dieser Bedingungen, insbesondere nach Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft der FHH zum Kaufvertrag."

Auf einer Informationsveranstaltung, zu der der Landesbund der Gartenfreunde als Pächter des Geländes für den 11. Oktober eingeladen und die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte (auch anwesende Abgeordnete der Bezirksversammlung Eimsbüttel sowie der Bürgerschaft wurden nicht eingelassen), sollte über die entstandene Lage aufgeklärt werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Seit 135 Jahren ist die Beiersdorf AG am Standort Eimsbüttel ansässig. Die Troplowitzstraße ist nach dem zweiten Firmeninhaber, Oscar Troplowitz benannt worden, der das Unternehmen Anfang des 20. Jahrhunderts von Paul Carl Beiersdorf übernommen hatte und zu einem Industriekonzern ausbaute. Seitdem wird die berühmte blaue Nivea Dose im Werk 3 an der Troplowitzstraße produziert. Die Beiersdorf AG ist das einzige DAX-Unternehmen, das seinen Firmensitz in Hamburg hat. Das Unternehmen beschäftigt rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Hamburg-Eimsbüttel und hat für den Wirtschaftsstandort Hamburg eine herausragende Bedeutung.

Die Beiersdorf AG ist an den Senat herangetreten mit dem Wunsch, eine langfristige Planungsperspektive am Standort Hamburg zu erhalten. Das Unternehmen ist am Standort gewachsen, aber die Gebäudestruktur entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Daher wird die Beiersdorf AG in den kommenden Jahren auf den bestehenden Grundstücken rund 230 Mio. Euro investieren, um einen neuen modernen Büro- und Laborstandort zu erstellen. Diese Investition wird 3.000 Arbeitsplätze am Standort Hamburg-Eimsbüttel sichern und weitere 300 neue Arbeitsplätze schaffen.

Von dieser Flächenentwicklung sind die Kleingartenflächen nicht betroffen. Bei der Größe der Investition war es maßgeblich, dass das Unternehmen über zukünftige Erweiterungsmöglichkeiten am Standort in unmittelbarer Nähe verfügt. Dies sind die angrenzenden Kleingartenflächen. Daher hat sich die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) entschlossen, die Kleingartenflächen an die Beiersdorf AG zu verkaufen. Dies sieht jedoch keine Änderung der Nutzung vor. Die Kleingartenflächen können wie bisher als Gartenflächen genutzt werden. Darüber hinaus sind die Flächen im Bebauungsplan als Kleingartenflächen ausgewiesen, d.h. es besteht keine rechtliche Grundlage für eine andere Nutzung.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. In der Öffentlichkeit wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die für den Verkauf avisierten 12 Hektar städtische Fläche in den nächsten 20 Jahren nicht angetastet werden sollen.

a) Weshalb plant der Senat den Verkauf einer Fläche, die derzeit nicht für andere Zwecke benötigt wird?

b) Was spricht aus Sicht des Senats gegen eine städtische Bodenvorratspolitik, die auch diese Fläche beinhaltet?

Siehe Vorbemerkung.

c) Welche aufschiebenden Bedingungen wurden im Vertragswerk bisher festgehalten?

d) Wenn die Fläche von der Beiersdorf AG nicht für eine Erweiterung des Werks 3 benötigt wird, fällt sie dann zum Einstandspreis an die FHH zurück? Falls nein, weshalb nicht?

Der Vertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft. Im Übrigen siehe Drs. 21/10361.

e) An welchen der Verträge ist der Bezirk als Vertragspartner beteiligt?

Der Bezirk Eimsbüttel ist an keinem der Verträge als Vertragspartner beteiligt.

f) Welche Aufgaben für das Handeln der Bezirksverwaltung bzw. der Bezirksversammlung ergeben sich aus den angeführten Verträgen?

Die Aufgaben der Bezirksverwaltung und der Bezirksversammlung ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, insbesondere aus dem Bezirksverwaltungsgesetz. Der Vertrag begründet keine anderen oder darüber hinausgehenden Aufgaben.

2. Der rot-grüne Senat propagiert einen ressourcenschonenden Umgang mit Flächen und setzt sich in anderen Zusammenhängen auch für Nachverdichtung/Innenentwicklung ein.

a) Welche Erkenntnisse hat der Senat zur effizienten Ausnutzung der in Hamburg vorhandenen Betriebsstätten der Beiersdorf AG?

b) Welche Nachweise hat der Senat von der Beiersdorf AG über eine perspektivische Weiterentwicklung auf den vorhandenen Firmengelände, z.B. durch Aufstockung/Umbau /Innenentwicklung, gefordert? Falls keine gefordert wurden: weshalb nicht?

Die Beiersdorf AG hat gemeinsam mit dem Ersten Bürgermeister am 29. Juni 2017 ihre Planungen für das Werk 5 in der Troplowitzstraße öffentlich vorgestellt. Demnach sollen die vorhandenen Flächen effizient überplant und ressourcenschonend genutzt werden. Für die anderen Areale befindet sich das Unternehmen im Austausch mit dem zuständigen Bezirksamt Eimsbüttel.

3. Welche der heutigen Flächen der Beiersdorf AG am Standort Eimsbüttel waren bis wann im Besitz der FHH? Bitte auch die jeweilige Größe und vorherige Nutzung angeben.

Flurstücke 4349, 4500, 4803, 4805, 4501, 4502, 4800, 4802, 5000, 5001, 2093, und 4801, 4999, 4804, 2958 (insgesamt rund 12 Hektar), bisher Kleingärten, bis Juni 2017; 4488, 5129, 5131 (insgesamt rund 3.700 m²), bisher Spiel- und Bolzplatz, bis November 2014; 5121, 5122 (insgesamt rund 1.500 m²), bisher Hochbunker, bis 2011; 4759 (rund 1.700 m²), bisher Straßenfläche, bis April 2001; 4489 (rund 17.100 m²), bisher Schule, bis Dezember 1995.

4. Auf dem 12 Hektar großen städtischen Areal befinden sich derzeit Kleingartenparzellen.

a) Welche Kleingartenvereine sind betroffen? Bitte die jeweiligen Namen angeben.

Der Landesbund der Gartenfreunde e.V. (LGH) hat die LGH-Pachtflächen mit Unterpachtverträgen an die örtlichen Kleingartenvereine KGV Wildwux e.V. (Vereins-Nr. 347), KGV Gartenfreunde Stubbenkamp e.V. (Vereins-Nr. 322) und KGV Eimsbüttel e.V. (Vereins-Nr. 315) verpachtet, die wiederum einzelne Pachtverträge mit den jeweiligen Nutzerinnen und Nutzern/Pächterinnen und Pächtern einer Kleingartenparzelle geschlossen haben.

b) Welche Auswirkungen hat der Verkauf auf die betroffenen Kleingartenvereine?

c) Welche Ersatzkleingärten wurden den Eimsbütteler Kleingärtner_innen angeboten bzw. wann werden, soweit bisher nicht geschehen, diese angeboten?

d) Wo liegen diese Ersatzflächen (Lage, Verteilung, räumlicher Zusammenhang, Ersatzkleingärten außerhalb der Landesgrenzen)?

e) Sind dabei Verkleinerungen der einzelnen Flächen vorgesehen? Wenn ja: Welche Parzellengrößen sind hinsichtlich der zukünftigen (Ersatz-)Flächen geplant?

f) Werden weiterhin neue Verpachtungen auf dem geplanten Erweiterungsgelände der Beiersdorf AG vorgenommen? Wenn ja: für welchen Zeitraum werden Parzellen der betroffenen Kleingartenvereine neu verpachtet? Wenn ja: Wie werden ggf. Neupächter_innen über die Situation ihrer Parzellen informiert?

g) Sind geldwerte Leistungen zur Qualitätsverbesserungen im Bestand angeboten worden?

h) Gibt es auf dem geplanten Erweiterungsgelände der Beiersdorf AG Dauerwohnverhältnisse? Wenn ja: Wie viele sind dies und was passiert mit den Dauerbewohner_innen der Kleingärten (Behelfsheime), falls die Beiersdorf AG auf das Gelände zugreift?

Der Verkauf hat zunächst keine Auswirkungen. Die Pachtverträge mit dem Landesbund für Gartenfreunde Hamburg, den Kleingartenvereinen und den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern laufen unverändert weiter. Über eine Neuverpachtung frei werdender Parzellen entscheidet der jeweilige Kleingartenverein. Eine Kündigung von Kleingartenpachtverträgen ist erst möglich, wenn ein Bebauungsplan eine andere Nutzung der betreffenden Flächen festsetzt. Da vor Ablauf von 20 Jahren nach Vertragsschluss kein Zugriff auf die Fläche geplant ist, sind Lage und Zuschnitt von Ersatzflächen noch nicht festgelegt. Auf den Kleingartenflächen befinden sich vier Behelfsheime, deren Rechtsstatus sich durch den Verkauf ebenfalls nicht verändert.

i) Die betreffenden Kleingärten waren unserer Kenntnis nach Ausgleichsfläche für Bautätigkeit in Lokstedt. Für welche baulichen Maßnahmen auf dem Gebiet der FHH sind die betroffenen Flächen als Ausgleichsmaßnahmen bestimmt worden und mit welcher genauen Ausgestaltung des Ausgleichs (bitte die Projekte den Ausgleichmaßnahmen zuordnen)?

j) Sofern Flächen des geplanten Erweiterungsgeländes der Beiersdorf AG als Ausgleichsflächen definiert wurden: Wie kann es sein, dass sie dann bebaut werden dürfen und welcher Ersatz wird für die entfallenden Ausgleichsflächen geschaffen?

Die betreffenden Kleingärten waren nicht Ausgleichsfläche für Bautätigkeit in Lokstedt.

5. Schon jetzt klagen Anwohner_innen und Kleingärtner_innen über Lärm- und  Geruchsbelästigungen im direkten Umfeld des Beiersdorf-Firmenareals.  Besonders zum Nachmittag / Abend hin ist die Geruchsbelästigung spürbar.  Im laufenden Jahr sind bereits sechs meldepflichte Betriebsunfälle auf dem  Beiersdorf-Gelände registriert worden. Anfang 2001 gab es einen  Chlorgasunfall mit über 20 Verletzten, darunter auch Passant_innen, die sich außerhalb des Firmengeländes aufhielten.

Der Chlorgasunfall am 5. Dezember 2001 wurde durch eine Falschlieferung eines Tanklastwagens verursacht.

a) Ist bei der geplanten Bebauung der Kleingartenanlagen durch die Beiersdorf AG mit Emissionen zu rechnen, d.h. wird es Produktion bzw. Weiterverarbeitung auf dem Gelände geben? Wenn nein: wie ist sichergestellt, dass nach der zukünftigen Bebauung des Geländes keine (möglicherweise) emittierenden Produktionen, Lagerungen oder Weiterverarbeitungen dort angesiedelt werde? Wenn ja: um welche Emissionen handelt es sich?

Es gibt keine konkreten Planungen für die Fläche seitens der Beiersdorf AG. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

b) Wie viele Beschwerden über den bestehenden Betrieb der Beiersdorf AG sind innerhalb der letzten 10 Jahre bei Bezirk oder Behörden eingegangen?

Bei der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) wurden sechs Lärmbeschwerden und eine Geruchsbeschwerde von unterschiedlichen Beschwerdeführern gezählt. Die beim zuständigen Bezirksamt und eventuell anderen Behörden eingehenden Beschwerden bezüglich Umweltbelastung werden ebenfalls an die BUE weitergeleitet.

c) Welchen Inhalt hatten diese Beschwerden und wie wurde im Einzelnen Abhilfe geschaffen - soweit keine Abhilfe geschaffen wurde: weshalb nicht?

Oktober 2007, Lärmbeschwerde, konnte Beiersdorf nicht zugeordnet werden

Juni 2008, Geruchsbeschwerde, Beiersdorf war nicht Verursacher

Oktober 2009, Lärmbeschwerde, Verursacher nicht ermittelbar

November 2009, Lärmbeschwerde, Verursacher nicht ermittelbar

Januar 2010, Lärmbeschwerde, Verursacher nicht ermittelbar

August/September 2014, Lärmbeschwerde, Verursacher nicht ermittelbar

Februar/März 2017, Lärmbeschwerde, Verursacher nicht ermittelbar

d) Welche Gefahren und gesundheitlichen Gefährdungen gehen von der bestehenden Werksproduktion aus?

Der Betrieb unterliegt den gesetzlichen Vorschriften, die vom Betreiber einzuhalten sind. Unter anderem werden alle Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und deren Verordnungen eingehalten. Daher sind keine Gefahren und gesundheitlichen Gefährdungen im Rahmen des bestimmungsgemäßen Betriebes nach Immissionsschutzrecht zu befürchten.

e) Ist ausgeschlossen, dass diese Gefahrenquellen auch auf dem möglichen Erweiterungsgelände vorhanden sein werden? Wenn nein: weshalb nicht?

Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 5.a.

6. Wie sieht der derzeitige und der zukünftige Verlauf der Grünachse Eimsbüttel/Lokstedt aus?

Der Verlauf der Landschaftsachse ergibt sich aus dem Landschaftsprogramm. Sie führt vom Wehbers und Unna Park über die Julius-Vosseler-Straße, den Eimsbütteler Stadtpark, Hagenbecks Tierpark und den Amsinck-Park. Die Kleingartenfläche nördlich der Beiersdorf AG liegt nicht in der Eimsbütteler Landschaftsachse.

7. Wie viele Kfz und wie viele Lkw fahren heute täglich zum und von dem Gelände der Beiersdorf AG an der Troplowitzstraße?

a) Wie sieht die Verkehrsprognose bei einer möglichen Erweiterung des Werks aus?

b) Wie soll der Verkehr zukünftig abgewickelt werden?

Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Eine Erfassung des Ziel-/Quell Verkehrs ist nicht erfolgt. Perspektivisch bestehen Überlegungen, ob ein Kreisverkehr an der Kreuzung Stresemann-straße/Troplowitzstraße sinnvoll ist. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

8. Bei der Veranstaltung am 11. Oktober wurde nach Aussagen eines Anwesenden ein Einlass von Personen vor dem Gebäude seitens des LGH mit der Begründung abgelehnt, dass dieses eine Veranstaltung der Beiersdorf AG sei.

a) Ist dem Senat bekannt, wer zu der Veranstaltung eingeladen hat? Wenn ja, bitte Namen angeben.

b) Hat der Senat im Vorwege auf die Teilnahme oder den Ausschluss bestimmter Personenkreise gedrängt? Wenn ja, bitte angeben, wer mit welcher Begründung eingeladen oder nicht eingeladen bzw. eingelassen werden sollte.

Die Veranstaltung am 11. Oktober 2017 war eine Informationsveranstaltung für die Mitglieder des Kleingartenvereins KV 315. Eingeladen hatten der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e.V. und der Vorstand des KV 315. Da es sich um eine private Veranstaltung handelte, hat der Senat keinen Einfluss auf die Teilnahme oder den Ausschluss bestimmter Personenkreise.