Breitbandversorgung ist öffentliche Daseinsversorgung. Sie gehört in staatliche Hand

Medien- und NetzpolitikReden
TOP 18 Rede zum CDU-Antrag'Moderne Netze - Schnelles INternet für alle in HH'

Rede zum Tagesordnungsunkt »Moderne Netze – Schnelles Internet

 

Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wort bekommt Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist eines der großen Rätsel dieser Tage, dass im blassrot-grünen Koalitionsvertrag einerseits das Hohelied der Digitalisierung einerseits gesungen wird und andererseits einem Teil der Bevölkerung der Freien und Hansestadt eben diese verweigert wird.

(Hansjörg Schmidt SPD: Da wird doch nichts verweigert!)

Man könnte natürlich vermuten, dass die SPD erstmals nicht auf irgendeinen Mainstream-Zug in voller Fahrt aufspringt, sondern zur Entschleunigung des Lebens beitragen will und darum ein langsames Internet befürwortet, aber dem ist wohl eher nicht so. Es ist das bewusste Ausklammern – die Kollegen Kekstadt und Müller haben es letztlich so gesagt; der Zustand ist bekannt – eines Teils der Hamburger und Hamburgerinnen 

(Hansjörg Schmidt SPD: Das stimmt doch nicht!)

von der Teilhabe an einem Teil des sozialen Lebens, denn dazu zähle ich das Internet. 

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜNE: Das ist an den Haaren herbeigezogen!)

Wer wie ich aus dem Bezirk Bergedorf kommt, der weiß ganz genau, wie schönrednerisch die Zahlen waren, die der vorherige SPD-Senat vorgelegt hat. Das Lesen des Breitbandatlasses ist ihm wirklich nicht gegeben worden; man hätte mit Sicherheit einige Erklärungen hinterherschieben können. Wie dem auch sei: Es ist ein Unding an diesem Antrag der SPD, und ich kritisiere es ausdrücklich, das Recht auf eine vernünftige Breitbandversorgung, das es geben muss, unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Das ist öffentliche Daseinsvorsorge. Auch dieses Netz, es wurde eben schon erwähnt, gehört eigentlich in die öffentliche Hand.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güclü fraktionslos)

Der Privatisierungsmurks, der hier abgezogen worden ist – wir sehen es auch in diesem Bereich –, wirkt sich negativ auf die soziale Infrastruktur in dieser Stadt aus. Weil hin und wieder auf die Versorgung mit Funknetzen wie zum Beispiel LTE verwiesen wird, möchte ich an dieser Stelle versuchen, es mit einem einfachen, kleinen Beispiel zu erklären, 

(Dirk Kienscherf SPD: Da sind wir ja gespannt!)

vielleicht begreifen Sie es dann. Das ist wie mit einem Kuchen. Wenn ihn zwei haben wollen, gibt es nur noch die Hälfte, wenn ihn vier haben wollen, nur noch ein Viertel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine Versorgung, die für die Menschen in unseren Randregionen taugt. Auch Menschen, die einen DSL-Anschluss haben und am Ende irgendeiner Verteilstrecke wohnen, müssen sich hin und wieder mit ISDN-Geschwindigkeit abgeben. Und so etwas, also eine Ist-Aufnahme, gibt der Breitbandatlas nicht her. Sie können den Kolleginnen und Kollegen aus den betroffenen Gebieten durchaus vertrauen; 

(Farid Müller GRÜNE: Aber wir machen das doch! Was wollen Sie denn noch?)

die Ist-Aufnahme ist wesentlich brutaler. Wenn wir sehen, dass die EU das Ziel formuliert hat, bis 2020 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 30 Mbit/s sicherzustellen, dann brauchen wir uns über flächendeckend nicht zu unterhalten. Flächendeckend heißt für mich flächendeckend und nicht fast alle, sondern es heißt alle. 

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn Sie das unter Finanzierungsvorbehalt stellen, 

(Hansjörg Schmidt SPD: Wir stellen das doch überhaupt nicht unter einen Finanzierungsvorbehalt!)

dann sehe ich schon den nächsten Prozess, den dieser Senat verlieren wird. Wenn wir sehen, dass die Schulen ans Breitbandnetz angeschlossen sind über Dataport, und die Verbindungsleitungen, die Glasfaserkabel nicht von der Bevölkerung genutzt werden können, dann sage ich an dieser Stelle, dass das auch anders möglich gewesen wäre. Das ist ein öffentlicher Auftrag, und den sollte man entsprechend wahrnehmen. 

(Glocke) Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbrechend): Herr Jersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Stephan Jersch DIE LINKE: Aber natürlich.

Vizepräsidentin Barbara Duden: Herr Müller, Sie haben das Wort.

Zwischenfrage von Farid Müller GRÜNE:

Herr Kollege, Sie haben jetzt schon öfter das Wort Finanzierungsvorbehalt genannt. Ich würde gern einmal fragen, wo Sie das herhaben; in unserem Antrag steht es nicht. Vielleicht erklären Sie uns das kurz.

Stephan Jersch DIE LINKE (fortfahrend): Sie schieben es wieder hinaus, bis Ihnen die Geldmittel bekannt sind, obwohl das für uns eine soziale Aufgabe ist bei der Versorgung der Bevölkerung. Das, was Sie machen, ist das Zeitspiel der vergangenen Legislaturperiode. Das setzen Sie in dieser Legislaturperiode nahtlos fort, und das geht so nicht, nicht bei einem solchen Thema. Das können Sie bei anderen Themen, zum Beispiel bei Olympia, gern machen, da habe ich überhaupt nichts dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Breitbandversorgung öffentliche Daseinsversorgung. Sie gehört in staatliche Hand. Sonst sind wir wieder mit Reparaturbetrieben zugange. Genau das passiert hier. Deswegen werden wir dem CDU-Antrag natürlich zustimmen, weil er auf der richtigen Linie liegt und nicht dermaßen verzögernd wirkt wie das, was Sie mit Ihrem Antrag versuchen – auf Kosten der Bevölkerung, auf Kosten der Kinder, die dort wohnen und letztendlich auf den entsprechenden Anschluss angewiesen sind. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

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