Debatte: Antrag Linksfraktion "Überlastete Stadtteile vor zu viel Tourismus schützen!"

Immer mehr werden die Auswirkungen des wachsenden Tourismus in Hamburg auch in den Bezirken spürbar. Auch andere große Städte haben mit diesen Belastungen zu kämpfen. Deshalb hat die Linke einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. Stephan Jersch erläuterte den Antrag der Linksfraktion in seiner Rede am 27. November, sprach über die Hintergründe und die Möglichkeiten, wie man in den Stadtteilen mit den Folgen besser umgehen könnte.

  • Überlastete Stadtteile vor zu viel Tourismus schützen!  - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 22/16836
  • Die gesamte Debatte ist hier als Video in der Mediathek der Bürgerschaft. Hier sind die beiden Redebeiträge von Stephan Jersch zum Beginn und zum Abschluss der Debatte.
  • Foto: M. Zapf, Bürgerschaft HH.

Beide Reden von Stephan Jersch im Wortlaut:

Überlastete Stadtteile vor zu viel Tourismus schützen!

Stephan Jersch DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Touris-
mus in Hamburg kennt nur den Weg nach oben,
ohne nach links oder rechts zu schauen. Das wird
begleitet von intransparenten Studien, die, wie zu-
letzt, auch noch mit Steuergeldern bezuschusst
worden sind. Es gibt aber Kennzahlen – die wir
uns als Fraktion mühsam erarbeiten mussten –, die
zeigen, dass es in Hamburg ein Missverhältnis zwi-
schen Stadtplanung und Tourismusexpansion gibt.
An der Stelle lassen Sie mich einfach vier Zahlen
in den Raum werfen: sechs, 54, 1,9 und 1,7. Das
macht deutlich: In sechs Stadtteilen ballen sich
54 Prozent der Hotelbetten Hamburgs. In diesen
sechs Stadtteilen leben 1,9 Prozent der Bevölke-
rung Hamburgs, und diese sechs Stadtteile machen
1,7 Prozent der Fläche aus. Auf 1,7 Prozent der
Fläche, in sechs Stadtteilen haben wir 54 Prozent
der Hotelbettenkapazität in Hamburg: Das verän-
dert die Stadt – nicht in Gänze, aber zumindest
die Stadtteile, die davon besonders betroffen sind.
Und: Hamburg ist kein Disneyland – in Hamburg
leben und arbeiten die Menschen über die ganze
Stadt hinweg. Es ist ihr Lebensumfeld, und das gilt
es zu erhalten.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin sicher, Hamburg hat mehr Platz für Men-
schen, für Touristinnen und Touristen, aber es
braucht ein Konzept, das nicht von den Wirtschafts-
interessen ausgeht, sondern ein Konzept, das von
sozialer Stadtplanung, von sozialen Zielen für diese
Stadt ausgeht. Deswegen wollen wir endlich valide
Zahlen auf dem Tisch haben. Hotelbetten ersetzen
keinen Wohnungsbau und sind keine Nachverdich-
tung – hier brauchen wir ein neues Konzept, und
wir wollen eine Fokussierung der Tourismuspolitik
auf die Hotspots in Hamburg. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)

Zweite Rede von Stephan Jersch

Stephan Jersch DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf ei-
niges muss ich dann doch noch eingehen. Zuerst
möchte ich mich nach rechts außen wenden: Wenn
Herr Walczak aufgepasst hätte, wüsste er, dass
ich gesagt habe: Hamburg hat Platz für mehr Men-
schen und mehr Touristinnen und Touristen.
(Krzysztof Walczak AfD: Ach so!)

Das wäre Ihnen durchaus aufgefallen, würde Ihr
Hörvermögen nicht augenscheinlich durch nationa-
le Klingeltöne übertönt.
(Beifall bei der LINKEN – Krzysztof Walczak
AfD: Obergrenze!)

Zum Kollegen Platzbecker möchte ich an dieser
Stelle sagen: Sie waren der Einzige, der es dann
doch fertiggebracht hat, das Wort Übertourismus zu
gebrauchen, das ich nicht in den Mund genommen
habe, weil ich durchaus Unterschiede dazu sehe,
auch wenn ich bestimmte Quartiere dieser Stadt
auf dem Weg dorthin sehe. Die Registrierungs-
pflicht für Airbnb-Wohnungen hat aber grundlegend
überhaupt nichts daran geändert, dass wir einen
Verdrängungswettbewerb bei der Raumnutzung in
unseren sechs besonders betroffenen Stadtteilen
haben.

Das muss eigentlich stadtplanerisch angegangen
werden, vor allem zusammen mit den Quartiers-
und Stadtteilbeiräten, die wissen, wo ihre Probleme
sind und wo die Probleme entstehen: Mit 111 Mil-
lionen Tagesgästen in Hamburg haben wir tatsäch-
lich viel – und die Tagesgäste habe ich bisher gar
nicht erwähnt, lieber Kollege Platzbecker; das sei
hiermit nachgetragen. Mit der Zahl von 15,9 Millio-
nen Übernachtungen, die immer auf dem Weg nach
oben ist – einzelne Monate sicherlich ausgenom-
men –, muss aber gehandelt werden. Ich verweise
an dieser Stelle noch einmal auf das sogenannte
Hotelmoratorium in Mitte für St. Pauli. Es gibt diese
Tendenz, und es war eine schwarz-rot-gelbe Koaliti-
on, die dieses Moratorium beschlossen hat.

Wir sehen das Problem nicht nur, sondern wir
sehen es auch gesamtstädtisch. Frau Stoffel hat
recht: Es ist eine Querschnittsaufgabe, die wir end-
lich angehen müssen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Jennifer Jasberg
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