Der Antrag der Regierungskoalition zu den Kundenzentren ist ein Stück aus dem Tollhaus
Debatte zum Antrag von SPD/Grünen zur Angebotsoffensive für Hamburgs Kundenzentren am 15.2.2017
Angebotsoffensive für Hamburgs Kundenzentren: schnellere Terminvergabe, einheitliche und längere Öffnungszeiten, Ausweitung der digitalen Angebote
Keine Schließung von Kundenzentren - Leistungsfähigkeit aller Hamburger Kundenzentren nachhaltig verbessern
Stephan Jersch DIE LINKE:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der Regierungskoalition ist eigentlich, wenn man sich die Situation vor Ort anschaut, ein Stück aus dem Tollhaus: Er ist eine Mischung aus Alternative Facts. Er verkauft Selbstverständlichkeiten, die eigentlich vor Ort vorhanden sein müssten. Er verteilt unverbindliche Prüfaufträge. Er verschweigt das eigene jahrelange Versagen. Und er lässt Fakten weg. Schon 2015 war die Situation in unseren Bezirksämtern unerträglich, wenn man sich die Anfragen und die Antragssituation anschaut. Wenn Sie jetzt eine Terminvergabe innerhalb von 10 bis 14 Tagen ankündigen, dann kann ich nur sagen: Das ist eine sehr lange Zeit. Ich denke, das ist das Allermindeste und erinnert fast schon an einen Arzttermin, den man heute ja sehr schwer bekommt.
(Beifall bei der LINKEN)
Einheitliche Öffnungszeiten, Priorisierung bestimmter Vorgänge, spontane Möglichkeiten, im Bezirksamt zu erscheinen, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten Selbstverständlichkeiten sein für ein Bezirksamt, das nah an der Bevölkerung ist. Das in einen solchen Antrag, den man dann noch als Offensive bezeichnet, zu packen, ist dreist.
(Beifall bei der LINKEN)
Letztendlich liegt dem Ganzen ein klassisches Versagen in der personellen Ausstattung der Bezirksämter zugrunde, die seit Jahren ihren wirklichen Aufgaben nicht mehr nachkommen und mit dieser Einstellungsoffensive gerade einmal wieder auf den Stand von 2012 gehoben worden sind. Wenn Sie Ihren Antrag als Angebotsoffensive - das Wort kommt mir gar nicht richtig über die Lippen - betrachten, dann ist das für mich nichts anderes als eine Frontberichterstattung vom Rückzugsgefecht vor Ihren eigenen Versagen in den letzten Jahren gegenüber den Bezirken.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie sind doch Pazifist!)
Sie haben kein Wort - der Kollege Wolf hat dankenswerterweise dazu ein wenig schon Position bezogen - zu den Erkenntnissen aus OptiKuz, der Optimierung der Kundenzentren, gesagt. Sie haben nichts zum Rechnungshofbericht über die Personalsituation und die allgemeine Situation der Kundenzentren gesagt. Stattdessen muss ich heute in der "Hamburger Morgenpost" in einem Bericht ein Zitat des Fraktionsvorsitzenden der SPD, des Kollegen Dressel,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Richtig zitiert!)
zum zu schließenden Kundenzentrum in den Walddörfern lesen, bei dem ich mir dachte, dass ich gern sehen möchte, wie Sie dort bei der Schließung eine Plakette anschrauben mit dem Text: Hier optimiert der Senat Ihre Öffnungszeiten.
(Beifall bei der LINKEN und der CDU)
Was die versprochene Evaluation der Stellenversorgung der Bezirksämter angeht, so hätte ich diese doch erst einmal verantwortungsvoll abgewartet, um dann zu sehen, was man dort draufsetzen kann und wo es weitergehen soll. Wenn man sich die Stellungnahme von Ver.di zu diesem Antrag ansieht - Sie haben augenscheinlich nicht mit Ver.di geredet; da gibt es, wie vielleicht an der einen oder anderen Stelle mittlerweile Kommunikationsschwierigkeiten -,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist ja schön, dass Ihre Kommunikation mit Ver.di immer funktioniert!)
dann denkt man sich schon: Die Beschäftigten der Bezirksämter mit ins Boot zu holen, ist eine Selbstverständlichkeit in einer sozial aufgestellten Stadt, wie es Hamburg eigentlich sein sollte.
(Beifall bei der LINKEN)
Und wenn ich die Schlagzeile "Nie mehr warten auf dem Amt!" lese, dann erinnert mich das sehr stark an Trump'sche Wortklaubereien. Es ist der Versuch gestartet worden, ein fehlgeschlagenes Experiment bei der Kürzung innerhalb der Bezirksämter positiv zu verkaufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch einmal so ehrlich und sagen: Wir korrigieren den Mist, den wir in den letzten Jahren an gerichtet haben. Dann machen Sie es auch uns als Opposition leichter,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber für Sie machen wir das ja nicht, Herr Jersch!)
mit Ihnen gemeinsam den Weg zu einer besseren Ausstattung der Bezirksämter zu gehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bezirksämter und die Kundenzentren brauchen eine Bestandsgarantie in der Fläche, sie müssen sogar ausgebaut werden, und das darf nicht wieder an den Beschäftigten Vorbeigehen. Wie viele Pleiten brauchen Sie in Ihrer Versorgung der Bezirke vor Ort eigentlich noch, liebe Kolleginnen und Kollegen? So jedenfalls werden Sie keinen Erfolg haben.
(Beifall bei der LINKEN)