Debatte: Erstes Hamburg Food Festival – Ernährungssektor in Hamburg stärken und von Anfang an als nachhaltigen Tourismusmagneten etablieren

29. März - 64 Sitzung der Bürgerschaft in Hamburg. Debatte über eien Antrag der rot-grünen Mehrheitsfraktionen um "Erstes Hamburg Food Festival – Ernährungssektor in Hamburg stärken und von Anfang an als nachhaltigen Tourismusmagneten etablieren"- Für die Linksfraktion nimmt Stephan in der Diskussion Stellung.

Die Rede von Stehan Jersch ist hier im Wortlaut:

Stephan Jersch DIE LINKE:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag
ist durchaus spannend. Es ist erstaunlich, wie
man aus richtigen Feststellungen letztendlich zu
diesem Petitum gelangt, und es ist völlig richtig,
dass eine falsche Landwirtschaftspolitik Klimaauswirkungen
hat. Es ist völlig richtig, dass die Ernährungswende
gefördert werden muss, umso erstaunlicher
in einer Stadt, die nicht einmal eine Ernährungsstrategie
hat; die fehlt hier seit Jahren. Aber
wir wollen mit diesem Antrag den Food-Cluster hier
fördern. Wir haben mit den Nein-Stimmen der LINKEN
den Food-Cluster vor 16 Monaten in dieser
Bürgerschaft auf den Weg gebracht. Wäre das
nicht ein Anlass gewesen, zumindest einmal eine
Bilanz zu ziehen, wo er steht, was er macht, warum
er denn eine Förderung braucht? Ich denke, das
wäre als Grundlage dieses Antrags durchaus verlangenswert.
(Beifall bei der LINKEN)

Irgendwie machen mich ein Cluster, der nicht in der
Öffentlichkeit auftaucht, gleichzeitig die Beschwörung
der Klimaauswirkungen und dann auch noch
viel Lektüre über den Tourismus ratlos. Ich weiß
jetzt, wie viel Touristinnen und Touristen in Hamburg
für Getränke und Speisen dalassen. Neu ist
der Begriff des Food-Tourismus, man merke, in einer
Stadt, die nicht einmal ein stadtentwicklungsbasiertes
Tourismuskonzept vorweist, das wir dringend
brauchen. Es bringt nichts, vor jedes Substantiv
ein "nachhaltig" zu schreiben. Es ist völlig absurd,
Tourismus zu befördern und gleichzeitig das
Klima retten zu wollen.
(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die berühmte Kreuzfahrt für Veganerinnen
und Veganer, das ist kontraproduktiv. Jedes Event,
auch wenn es ein Green Event ist, hinterlässt einen
CO2-Footprint, der größer ist, als wenn es nicht
stattfindet.
(Dirk Kienscherf SPD: Sie wollen die Menschen
gar nicht mehr zusammenbringen! Die
sollen alle zu Hause bleiben!)

Das müssen wir hier einfach einmal festhalten.
Aber letztendlich ist einer der Hauptkritikpunkte ein
interner, nämlich die Abläufe solcher Anträge.
Schon beim Food-Cluster konnte man, bevor wir
die Drucksache in der Bürgerschaft auf dem Tisch
liegen hatten, bei der Wirtschaftsbehörde damals
lesen, dass ein Food-Cluster gegründet wird. Und
genauso ist es hier: Hamburg Tourismus verkündet
bereits auf seinen Internetseiten, dass es dieses
Food Festival geben und es mit der Tourismustaxe
finanziert werden wird. Das ist eine Showbühne, die
hier für Beschlüsse, die im Hintergrund schon
längst gefasst worden sind, aufgezogen wird. Das
Parlament zur Palaverbude zu degradieren, das
geht einfach überhaupt nicht.
(Beifall bei der LINKEN und der AfD)

Über das Petitum kann man sich auch noch einmal
unterhalten. Der erste Punkt des Petitums ist ein
Wimmelbild von Beschlüssen. Da wird auf die gesamte
Prosa des Antrags verwiesen, und gemäß
dieser soll dann gehandelt werden. Da erwarte ich
doch einmal konkrete Sachen, bevor sich jede und
jeder in diesem Hause das, was sie und er meint,
was vorn im Petitum als Beschlusslage drinsteht,
dann selbst raussuchen muss. Das geht so nicht.
(Beifall bei der LINKEN)

Weder gibt es ein erkennbares Konzept für dieses
Food Festival – da steht eine Fachmesse für Fachbesucherinnen
und -besucher mit drin, ich glaube,
beim letzten Mal waren viereinhalbtausend da; über
die Bewertungen im Internet zu dieser Messe muss
ich jetzt nicht weiter ausführen –, noch werden wir
als Bürgerschaft wirklich gefragt, wenn man das
ganze Drumherum sieht. Eine moderne Tourismusstrategie
fehlt unsererseits völlig. Wir sehen beim
Tourismus immer nur mehr, mehr, mehr. Das mag
aus wirtschaftspolitischer Sicht durchaus verständ-

lich sein, aber aus stadtentwicklungspolitischer
Sicht ist das fatal.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf
SPD: Warum?)

Auch der Tourismus belastet Umwelt und Infrastruktur.
Wenn schon der Unterbau fehlt, den wir hier für
ein solches Event brauchen, dann brauchen wir
schlicht und ergreifend nicht noch – wie sagt Hamburg
Tourismus so schön? – einen neuen touristischen
Impuls in Hamburg. Da wird der dritte, vierte
Schritt vorm ersten gemacht. Zuerst müssen die
Hausaufgaben gemacht werden: die lokale Wirtschaft
gestärkt, die Infrastruktur ertüchtigt und ausgebaut
und die Qualität vor die Quantität gesetzt
werden. Dann wäre es ein Antrag, dem man zustimmen
kann. So werden wir ihn ablehnen. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)