SKA: Unterzeichnung der Charta von Florenz durch die Freie und Hansestadt Hamburg

Stephan Jersch

Die Stadt Hamburg ist am 7. Mai 2015 der Charta von Florenz beigetreten und hat zur Umsetzung einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Wie ist der Stand der Dinge?

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode

Drucksache 21/5240 | 19.07.16

Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 12.07.16 und Antwort des Senats

Betr.:
Unterzeichnung der Charta von Florenz durch die Freie und Hansestadt Hamburg

Die Stadt Hamburg ist am 7. Mai 2015 der Charta von Florenz beigetreten und hat zur Umsetzung einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Mit dem Beitritt zur Charta von Florenz verzichtet Hamburg grundsätzlich auf den Anbau gentechnisch veränderten Pflanzen. Untermauert wurde der Verzicht mit einer Reihe von Initiativen in der Landwirtschaft und im Gartenbau wie unter anderem der gezielten Förderung des Ökolandbaus, der Forschungsförderung in den Bereichen Landwirtschaft und Gartenbau sowie der Förderung regionaler Initiativen zur Gentechnikfreiheit und Öffentlichkeitsarbeit, die in der Drr. 20/14484 mit dem Titel „Keine Gentechnik in der Landwirtschaft und im Gartenbau: Beitritt der Freien und Hansestadt Hamburg zur Charta von Florenz“ festgelegt wurden.

Die auf EU-Ebene geschaffenen Regelungen zum Opt-out eröffnen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, rechtssichere Anbauverbote von gentechnisch veränderten Pflanzen durchzusetzen. Ein entsprechender rechtlicher Rahmen soll im Gentechnikgesetz verankert werden. Hamburg hat sich wie die Mehrheit der Länder für eine bundeseinheitliche Umsetzung der Opt-out Richtlinie ausgesprochen und fordert eine generelle und ausschließliche Zuständigkeit des Bundes. Im September 2015 wurde die Übergangslösung zum Opt-out genutzt und ein Anbauverbot von neuen Maislinien für Hamburg durchgesetzt. Der Senat wird sich entsprechend der Drs. 21/2997 „Gentechnikfreiheit auch in Hamburg per Bundesgesetz rechtlich sichern – Kein Flickenteppich in Deutschland beim Gentechnik-Opt-out“ weiterhin für die Durchsetzung bundesweit einheitlicher Regelungen zum Anbauverbot und eine umfassende Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen einsetzen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wie ist der Stand bezüglich der Umsetzung gentechnikfreier Pachtverträge bei landeseigenen Flächen?

Nach mehrjähriger Diskussion ist die Änderung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG durch die neue Richtlinie (EU) 2015/412 vom 11. März 2015 erfolgt. In dieser wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. Bisher war das Verbot von transgenen Pflanzen, die die Umweltverträglichkeitsprüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Rahmen des Zulassungsverfahrens bestanden hatten und durch die Europäische Kommission zugelassen wurden, auf nationaler Ebene nur in Ausnahmefällen möglich.

In Deutschland besteht mittlerweile ein grundsätzlicher Konsens in Bund und Ländern, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (außer zu Forschungszwecken) nicht erwünscht ist.

Auf Bundesebene wird derzeit an einer gesetzlichen Opt-Out-Regelung gearbeitet. Der Senat geht davon aus und strebt an, dass eine bundeseinheitliche Regelung erreicht wird. Damit wäre der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland generell verboten und eine gesonderte Regelung für die Pachtverträge der Flächen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) unnötig.

Sofern es keine bundeseinheitliche Regelung geben sollte, wird der Senat prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage für die Umsetzung eines Anbauverbotes in Hamburg geschaffen werden kann, welche auch die Pachtverträge umfasst.

2. Welche Forschungsansätze zur Vermeidung von Gentechnik und zur Förderung des ökologischen Landbaus wurden bisher gefördert oder sollen gefördert werden?

Das Kompetenzzentrum für Gartenbau und Landwirtschaft am Brennerhof vernetzt und bündelt die Hamburger Kompetenzen Beratung, Diagnostik, Versuchswesen und angewandte Agrarforschung im Bereich der Agrarwirtschaft.

Im dortigen Pflanzenschutzdienst erfolgt die Umsetzung des neuen Pflanzenschutzgesetzes durch die gleichzeitige Stärkung der biologischen Bekämpfung und die Förderung des Schadorganismen-Resistenzmanagements in enger Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Unterstützend dazu wird intensiv an der Optimierung innovativer, praxisorientierter Techniken geforscht. Insbesondere die enge Verflechtung der Diagnose von Schaderregern mit dem Versuchswesen und der Produktionsberatung am Brennerhof bildet die Grundlage für eine effektive Arbeit zur Lösung von Pflanzenschutzproblemen und der Realisierung von Forschungsprojekten.

In Anbetracht der besonderen Situation der Hamburger Obst- und Zierpflanzenbetriebe mit überwiegend kleinflächigen Strukturen, hohem wirtschaftlichem Arbeitsaufwand für Kulturarbeiten und der Produktion einer Vielzahl verschiedener Sonderkulturen sowie dem Erfordernis von intensiven Pflanzenschutzmaßnahmen leisten die Forschungsarbeiten einen wichtigen Beitrag, sodass die Anwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen (beispielsweise mit Herbizidresistenz) in Hamburg unnötig ist und bleibt.

Als Forschungsansätze zur Förderung des ökologischen Landbaus sind folgende Projekte anzuführen: Im Jahr 2015 wurde ein Forschungsprojekt der Ökoobstbaugruppe Norddeutschland zur Selektion von Apfelsorten, die an das norddeutsche Klima angepasst und insbesondere im ökologischen Anbau nutzbar sind, gefördert. Im Jahr 2016 wurde ein Forschungsprojekt der Obstbauversuchsanstalt in Jork zur Förderung der Blumenwanze und anderer Gegenspieler des Birnenblattsaugers mit Hilfe von nicht chemischen Pflanzschutzmaßnahmen im ökologischen Obstbau gefördert. Auch zukünftig sollen Forschungsvorhaben mit Praxisbezug, insbesondere zur Erarbeitung von Beratungsempfehlungen, unterstützt werden.

3. Welche Maßnahmen der Agrarförderung sind im Sinne der Sicherstellung von Gentechnikfreiheit bisher umgesetzt worden beziehungsweise sind bis wann geplant?

Im Rahmen des Agrarpolitischen Konzepts 2020 liegt ein Schwerpunkt auf der Förderung des ökologischen Landbaus, bei dem per se gentechnikfrei gewirtschaftet wird. Der Senat strebt eine deutliche flächenmäßige Ausweitung des ökologischen Landbaus insbesondere im Obstbau an. Zur Umsetzung dieses Zieles wurde aufbauend auf dem Förderrahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) unter anderem eine deutliche Anhebung der Prämiensätze um 30 Prozent bei der Agrarumweltmaßnahme „Ökologische Anbauverfahren“ für Betriebe umgesetzt. Dies ist der maximal zulässige Fördersatz im Rahmen der GAK.

Im Rahmen des Agrarförderprogramms wird zudem die Agrarumweltmaßnahme „fünfgliedrige Fruchtfolge mit Leguminosenanteil“ angeboten. Durch den vorgeschriebenen Flächenanteil von mindestens 10 Prozent Leguminosen in der Fruchtfolge werden eiweißhaltige Futtermittel produziert. Dies reduziert die Notwendigkeit, importierte Futtermittel und oftmals gentechnisch verändertes Soja zu verwenden.

4. Was ist bisher umgesetzt worden, um die Richtlinien für Kantinen, Kindertagesstätten und Schulen im Sinne der Gentechnikfreiheit zu gestalten?

Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung setzt im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch Workshops, Beratung und Information den Senatsbeschluss zum Beitritt der Freien und Hansestadt Hamburg zur Charta von Florenz um und wirkt darauf hin, dass in der Schulverpflegung ausschließlich Nahrungsmittel frei von gentechnisch veränderten Organismen verwendet werden.

Gemäß der Richtlinien für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen in Hamburg vom 1. August 2012 sind die Träger der Kindertageseinrichtungen verpflichtet, ein ausreichendes und ausgewogenes Nahrungsangebot, gemessen am Alter der Kinder und der täglichen Betreuungsdauer, bereitzustellen. Die Ernährung in den Einrichtungen soll sich an den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Die für die Kindertagesbetreuung zuständige Behörde beabsichtigt bei der anstehenden Überarbeitung der Richtlinien infolge der erwarteten Veränderung des SGB VIII, die Kita-Richtlinie so zu konkretisieren, dass ausschließlich Nahrungsmittel in den Kitas verwendet werden, die frei von gentechnisch veränderten Organismen sind.

In den aktuellen Leitlinien für das Schulcatering ist die Empfehlung enthalten, beim Einsatz von regionalen Produkten auf gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verzichten.

5. In welcher Weise ist bisher die Unterstützung der Produktion gentechnikfreier Futtermittel erfolgt beziehungsweise was ist in diesem Bereich bis wann geplant?

Siehe Antwort zu 3.

6. Was hat die Prüfung ergeben, inwiefern Freisetzungs- und Anbauverbote von GVO in Naturschutzgebieten zielführend sind?

Die Prüfung ist positiv verlaufen. Es ist beabsichtigt, entsprechende Freisetzungs- und Anbauverbote von GVO in allen Verordnungen über Naturschutzgebiete sowie im Gesetz über den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer festzusetzen.

7. In welcher Weise hat sich der Senat auf EU-Ebene gegen die Nutzung von Agro-Gentechnik eingesetzt?

Die auf EU-Ebene geschaffene Regelung eines „Opt-out“ eröffnet den Mitgliedsstaaten die Gelegenheit, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihren Gebieten zu untersagen. Die zuständige Behörde hat mit Schreiben vom 9. September 2015 das zuständige Bundesministerium aufgefordert, gegenüber der EU-Kommission zu erklären, das Hoheitsgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg vom Anbau von acht Maislinien auszunehmen. Damit ist die in der EU-Verordnung gewährte  Übergangslösung zum „Opt-out“ genutzt worden.

Der Senat unterstützt entsprechend der Drs. 21/2997 auf EU-Ebene eine Überarbeitung des Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Organismen. Die zuständige Behörde sieht hier insbesondere einen Handlungsbedarf dahin gehend, dass bei der Risikobewertung im Zulassungsverfahren durch die EFSA und die beteiligten nationalen Institutionen in stärkerem Maße unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen Beachtung finden.

8. Welche weiteren Maßnahmen hat der Senat zur Sicherung der Gentechnikfreiheit umgesetzt beziehungsweise welche Maßnahmen sind bis wann geplant?

Die zuständigen Behörden haben sich auf verschiedenen Sitzungen der Umweltminister- und Argrarministerkonferenz für eine zeitnahe Umsetzung der Regelung zum Opt-out ausgesprochen. Diese Position ist seitens der Länder in verschiedenen Gremien mehrfach eingefordert worden (unter anderem Beschluss der 84. Umweltministerkonferenz (UMK)). In seiner 936. Sitzung hat der Bundesrat auch mit dem Votum Hamburgs beschlossen, einen entsprechenden Gesetzesantrag der Länder gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim deutschen Bundestag einzubringen (BR.-Drs. 317/15 (Beschluss), 25. September 2015). Zur Erreichung eines flächendeckenden Anbauverbots hat sich der Senat stets für eine bundeseinheitliche Vorgehensweise in dieser Frage eingesetzt.

Im Sinne der BR.-Drs. 183/15 (Beschluss) vom 10. Juli 2015 zum Vorschlag der Änderung der Verordnung (EG) Nummer 1829/2003 hinsichtlich der Möglichkeit einer Opt-out-Regelung bei der Verwendung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel wird der Senat dafür eintreten, dass die Risikoanalyse auf europäischer Ebene nicht ausschließlich durch die EFSA erfolgt.

9. In welcher Weise ist bisher eine Förderung regionaler Initiativen zur Gentechnikfreiheit beziehungsweise von entsprechenden Informationsveranstaltungen erfolgt beziehungsweise bis wann geplant?

Nach dem Beitritt der FHH zum Europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen wurden erste Gespräche mit der Initiative gentechnikfreie Metropolregion Hamburg geführt. Die zuständige Behörde setzt diese Gespräche fort.

10. Verbleibt die Zuständigkeit für den Bereich Gentechnik in dieser Legislaturperiode bei der Wirtschaftsbehörde?

    a. Wenn ja: warum?

Laut Anordnung zur Durchführung des Gentechnikgesetzes vom 10. Mai 1994, zuletzt geändert am 29. September 2015, liegt die Zuständigkeit für die Durchführung des Gentechnikgesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen, insbesondere als zuständige Landesbehörde, Genehmigungsbehörde und zuständige Überwachungsbehörde, bei der Behörde für Umwelt und Energie.

11. Die Unterzeichnung der Charta von Florenz wurde vom Senat im Januar 2015 beschlossen. Im April 2014 beschloss der Senat ein knappes Jahr zuvor für die Freie und Hansestadt Hamburg das Agrarpolitische Konzept 2020. Hat die Unterzeichnung Auswirkungen auf das Agrarpolitische Konzept 2020 und wird eine Überarbeitung des Konzepts erfolgen?

    a. Wenn ja: wann?

    b. Wenn nein: warum nicht?

Nein, da der Beitritt der FHH zum Europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen im Agrarpolitischen Konzept 2020 angekündigt wurde.