SKA: Was folgt auf den „Report on Sustainable Tourism in the Baltic Sea Region“ der Ostseeparlamentarier Konferenz?

Stephan Jersch
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Nachhaltigkeit im Tourismus bedeutet für den Senat offenbar vor allem, die Marketingbranche nachhaltig zu beschäftigen, um Vorhandenes in neuen Broschüren zu bringen und die Touristenströme nachhaltiger mit Werbung zu bespielen - damit die Branche nachhaltig wächst. Immerhin: Touristen sollen künftig gleichmäßiger verteilt, Hot-Spots und In-Bezirke entlastet werden. Allerdings: Auf Bürgerbeteiligung legt der Senat dabei keinen Wert.

25. Januar 2019

 Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (Fraktion DIE LINKE) vom 17.01.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/15867 -


Betr.:    Was folgt auf den „Report on Sustainable Tourism in the Baltic Sea Region“ der Ostseeparlamentarier Konferenz?

Der 26. Ostseeparlamentarierkonferenz (BSPC) wurde in Hamburg der „Report on Sustainable Tourism in the Baltic Sea Region“ als Ergebnis einer Arbeitsgruppe, die von 2015 bis 2017 im Auftrag der BSPC tätig war, vorgelegt.

Die 26. Ostsseeparlamentarierkonferenz in Hamburg empfahl auf Basis des Abschlussberichts 18 Punkte zur Umsetzung an die teilnehmenden Parlamente.

Gerade der „nachhaltige Tourismus“ ist in Hamburg ein zwar vielbesprochenes aber eher wenig umgesetztes Themengebiet. Nachhaltigkeitsgesichtspunkte werden im teilprivatisierten Tourismussektor sichtbar den Anforderungen einer auf Wachstum ausgerichteten Branche untergeordnet. Nicht zuletzt die Diskussionen um auf den Tourismus ausgerichtete Großevents, die Verdrängung von alteingesessener Quartiersinfrastruktur in den Hot-Spots des hanseatischen Tourismus, die Belastung der Infrastruktur, der auf wenige Quartiere fokussierte Hotelneubau und eine nicht vorhandene Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger lassen bezüglich der Umsetzung der Empfehlungen der 26. Ostseeparlamentarierkonferenz Fragen aufkommen.

Im „Final Report 2018“ der Ostseeparlamentarierkonferenz vom 22. August 2018 zum „Report on Sustainable Tourism in the Baltic Sea Region“ wird in Kapitel II „Follow up of the Final Report of the Working Group“ die Reaktion der Verantwortlichen Alands, Dänemarks, Estlands, Finnlands, Hamburgs, Lettlands, Litauens, Mecklenburg-Vorpommerns, Norwegens, Polens und Russlands dargestellt und wie folgt bewertet: „It becomes obvious that the governments are in general favour of sustainable tourism and are working actively on this topic.“ (“Es ist erkennbar, dass die Regierungen eine nachhaltige Tourismusentwicklung befürworten und aktiv an diesem Thema arbeiten.”).

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Marketing GmbH, der Hamburg Tourismus GmbH (HHT) und dem Sekretariat der Baltic Sea Parliamentary Conference wie folgt:

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Was wurde seitens des Senats bzw. seitens Hamburg Tourismus bezüglich der Aufforderung „Promote and sustain the competitive quality and efficiency of the tourism business while also creating satisfactory social conditions for tourists, the workforce and the local population!“, insbesondere im Bereich der sozialen Bedingungen für die Arbeitskräfte und die lokale Bevölkerung unternommen? Laut der Antwort des Senats auf meine Anfrage „Arbeitsplätze in der Tourismusbranche“ (Drs. 21/14387) ist ein großer Teil der Beschäftigten in den Bereichen Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie mit einem Entgelt von lediglich (bezogen auf den Median) 51 bis 55 Prozent des hamburgweiten Entgelts beschäftigt.

Der Tourismus ist aufgrund seiner Querschnittsstruktur, die neben den Unternehmen des Gastgewerbes u.a. auch Teilbereiche des Handels, diverse Dienstleistungsbereiche und Teile des Transportgewerbes umfasst, kein eigenständiger Teil der amtlichen Statistik. Daher sind valide Aussagen zum durchschnittlichen Entgelt aller touristisch Beschäftigten im Vergleich zu den insgesamt Beschäftigten in Hamburg kaum möglich.

Mit der Einführung des bundesweiten Mindestlohnes im Jahr 2015 wurde eine Mindestvergütung auch für die Beschäftigten den Bereichen Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie eingeführt. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem 1. Januar 2019 je Stunde 9,19 €. Darüber hinaus unterstützt der Senat das Ziel der „Guten Arbeit“ und tritt für eine gerechte Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen sowohl im Bund als auch gegenüber den Tarifpartnern in Hamburg ein.

 

2. Was wurde zur Einbeziehung der Hamburgerinnen und Hamburger im Sinne des Punkts 40 der Empfehlungen der 26. BSPC “'involve citizens in the development of tourism strategies”) bisher in der FHH unternommen? Bitte detailliert mit den jeweils beteiligten Personen und Gruppen, der Art der Beteiligung und dem Datum bzw. Zeitraum aufführen?

Die Bevölkerung besonders betreffende und mit den Tourismus in Verbindung gebrachte Themen, wie z.B. Großveranstaltungen werden in den entsprechenden bezirklichen Gremien erörtert. Die HHT führt zudem regelmäßig Einwohnerbefragungen durch, die die Einstellung zum Tourismus dokumentieren (Drs. 21/8526). Fachliche Fragestellungen der touristischen Strategie zur Stärkung des Tourismusstandortes Hamburg, wie etwa die Beurteilung lohnender touristischer Auslandsmärkte, geeigneter Marketingmaßnahmen oder der Weiterentwicklung der vertrieblichen Angebote der HHT auf gesonderten Bürgerforen o.ä. zu erörtern, sind aus Sicht der zuständigen Behörde nicht zielführend.

 

3. Gibt es im Rahmen der generellen Querschnittsaufgabe „Nachhaltigkeit“ mittlerweile Projekte, die über die selbstverständlichen Maßnahmen wie die Schaffung inklusiver Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten von Angeboten, neu angegangen wurden? Wenn ja: Um welche Projekte handelt es sich? Wenn nein: Warum nicht?

„Nachhaltigkeit“ wird grundsätzlich als ganzheitliche (ökologische, soziale und ökonomische Dimension), übergreifende Aufgabe verstanden. Mit Gründung der Abteilung „Destination Management“ bei der HHT im Juni des Jahres 2018 (Drs. 21/11119), wurde die Wahrnehmung des Themas weiter ausgebaut. Hierzu zählt eine in der Abteilung geschaffene Stelle zur Information und Koordination des nachhaltigen Städtetourismus in Hamburg. Seit der Einrichtung der Abteilung wurden verschiedene Maßnahmen umgesetzt, die sich an den Handlungsfeldern „Nachhaltigkeit organisieren“, „Nachhaltigkeit fördern“, „Nachhaltigkeit zeigen“ und „Nachhaltigkeit sichern“ orientieren. Die HHT hat im Jahr 2018 unter anderem daran gearbeitet, nachhaltige Angebote den Gästen über die entsprechenden Kommunikationskanäle zugänglich zu machen:

  • Erstmalig wurden in einer rund 100 Seiten umfassenden Broschüre („Unser grünes Hamburg“) nachhaltige Angebote aus Gastronomie, Shopping, Mobilität, Beherbergung und Ausflugsziele für Touristinnen und Touristen sowie Hamburgerinnen und Hamburger gebündelt dargestellt.
  • Für die Internetseite der HHT wurde eine Unterseite mit nachhaltigen Angeboten konzipiert, die über einen schnellen Einstieg erreichbar ist. Diese Inhalte werden in verschiedenen anderen Kategorien verlinkt (z.B. „nachhaltige Shops“, nachhaltige Restaurants“).
  • Kooperation mit „Urlaubsguru - DeutschlandLiebe“ mit den Schwerpunktthemen Nachhaltiges Hamburg und Stadtviertel.
  • Aufnahme des Themas in die Vertriebsbroschüre 2019 und den Veranstaltungskalender 03/2018 „Auf nach Hamburg“.
  • Besonders nachhaltige Angebote sollen künftig in einer „grünen“ Hamburg CARD gebündelt werden (Drs. 21/13089).

Um den Tourismus in der Stadt nachhaltiger zu gestalten, ist es neben der Kommunikation mit den Gästen besonders wichtig, die Anbieterinnen und Anbieter für das Thema zu sensibilisieren. Daher dient die HHT auch als zentraler Ansprechpartnerin für die Branche, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht.

  • Im Herbst des Jahres 2018 wurde die Branchenveranstaltung Tourismustag unter das Thema gestellt (19. Hamburger Tourismustag am 15. Oktober 2018 zum Schwerpunktthema „Wachstum. Nachhaltig. Gestalten.“)
  • Das Branchenmagazin „Gastliebe“ 03/2018 widmete sich ebenfalls der Nachhaltigkeit im Hamburg-Tourismus.
  • Das Schulungsprogramm #wirfürdich macht die Branche zukunftsfit für digitale Themen und sichert die Qualität des Tourismusstandortes Hamburg.

Im Sinne eines nachhaltigen Tourismuswachstums wurde im September des Jahres 2018 in Zusammenarbeit mit der Handelskammer Hamburg (HK), dem Tourismusverband Hamburg e.V. (TVH) und dem DEHOGA Landesverband Hamburg e.V. (DEHOGA) eine Konzeption zur intensiveren Zusammenarbeit mit den Bezirken erarbeitet. Zum einen sollen Netzwerke zu touristischen Akteuren in den Bezirken aus- und aufgebaut werden. Zum anderen sollen Attraktionen in weniger frequentierten Stadtteilen bei der touristischen Vermarktung stärker in den Fokus gerückt und als zusätzliche Angebote des Hamburg-Besuchs vermarktet werden. Die Tagestourismuskampagne greift die Bezirksangebote zusätzlich auf und wird in der Ansprache der Tagestouristen vermehrt ein Augenmerk darauf richten, Attraktionen in Arealen außerhalb der Kernstadt zu kommunizieren.

 

4. Welche Geldmittel wurden aus der Tourismusabgabe (sowohl absolut wie relativ) für Nachhaltigkeitsmaßnahmen eingesetzt? Bitte für die letzten Jahre jahrweise mit Angabe der Projekte und der Geldmittel aufführen.

Das Thema Nachhaltigkeit findet als Querschnittsaufgabe in zahlreichen Aktivitäten der HHT seinen Niederschlag, u.a. beim Relaunch der Internetseite, der Weiterentwicklung der HamburgCard, in diversen Publikationen, bei der Bespielung der Social Media Kanäle oder der Zusammenarbeit mit den Hamburger Bezirken. Daher ist eine Abgrenzung der für das Thema eingesetzten Geldmittel nicht möglich. Für die mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Nachhaltigkeit gegründete Abteilung Destination Management – auf die sich die Nachhaltigkeitsaktivitäten der HHT allerdings nicht beschränken – standen im Jahr 2018 aus der Kultur- und Tourismustaxe 690.000 € zur Verfügung, für das Jahr 2019 ist ein Betrag in Höhe von 730.000 € vorgesehen. Im Übrigen siehe Antworten zu 3. und 5.

 

5. Welche Modelle und Methoden werden seitens der FHH zur Umsetzung des Punktes 29 angewandt (“ensure that the consequences of tourism are sustainable by adopting models and methods to save and protect nature and orient work along the principle that sustainability is the guiding principle and standard practice in all types of tourism in the Baltic Sea region”)?

Als Städtedestination liegt der Hamburger Fokus weniger auf Naturschutz im Tourismus als auf einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung (ökologisch, sozial, ökonomisch). Sichergestellt wird dies durch verschiedene Instrumente. Besonders hervorzuheben sind:

  • Im Jahr 2017 wurde ein Nachhaltigkeitskonzept für die HHT als Basis für die aktuellen Maßnahmen im Themenfeld erstellt (Drs. 21/10801 und Drs. 21/8526).
  • Einrichtung einer neuen Abteilung Destination Management in der HHT im Jahr 2018, in der das Thema Nachhaltigkeit konkret verortet ist und die als Anlaufstelle für Nachhaltigkeit für die Branche dient (Drs. 21/11119).
  • Im Rahmen der Hotelbedarfsanalyse (Drs. 21/8526) wurden im Jahr 2016 Grundlagen geschaffen, die auch eine Hotelentwicklung außerhalb des Zentrums befördern sollen.
  • Ein Instrument zur Förderung der Transparenz und somit Unterstützung der zeitlichen und räumlichen Entzerrung von Events liegt seit dem Jahr 2016 mit dem Eventlotsen vor (siehe Drs. 21/8526).
  • Die Veranstaltungsdatenbank schafft Transparenz über Veranstaltungen in der gesamten Metropolregion gegenüber den Gästen und fokussiert nicht ausschließlich auf Großevents.

 

6. Welchen Status hat die Empfehlung eine gemeinsame „Studie zur Bewertung der Auswirkungen des Tourismus auf den Verkehr zu erstellen ...um das Niveau der Nachhaltigkeit zu erhöhen“ („jointly task a Tourism Transport Impact Assessment Study to analyze continuously the output of different political action to increase the level of sustainability“)?

Nach Auskunft des Sekretariats der Baltic Sea Parliamentary Conference ist eine solche gemeinsame Studie noch nicht beauftragt worden.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Destinationen, die Mitglied der Ostseeparlamentarier Konferenz sind, sehr unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich ihrer touristischen Verkehre haben, so dass die Konfiguration einer sinnvollen gemeinsamen Studie nicht unproblematisch wäre. Die kontinuierliche Verkehrsentwicklungsplanung Hamburg bildet alle Aspekte der zukünftigen Verkehrsentwicklung ab. In den Prozess fließen auch Tourismusdaten mit ein. Sollte es zu einer gemeinsamem Studie kommen, werden die Hamburgischen Daten und Erkenntnisse zur Verfügung gestellt werden.

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