Wärmewende für Hamburg: Senat muss schneller und energischer handeln

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Unter dem Titel "Warm werden mit der Industrie" debattierte die Bürgerschaft in der heutigen Aktuellen Stunde das Thema industrieller Abwärme. Dazu Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: "Die Wahl des Themas durch die SPD ist ein gutes Signal. Allerdings hat der Senat an der Nutzung der 40 MW Abwärme von Aurubis nun fast drei Jahre gebastelt und es wird weitere drei Jahre dauern, bis die Abwärme auch wirklich zur Verfügung steht und zur Wärmewende in Hamburg beitragen kann. Das ist ein später, aber richtiger Schritt, lenkt aber vom eigentlichen Thema ab ...

Die Nutzung von Abwärme ist ein Baustein der Wärmewende und für das Erreichen der Klimaziele unverzichtbar. Was in Hamburg fehlt, ist eine übergreifende Wärmeplanung. So setzt Gasnetz Hamburg - gegen den Rat von Expert:innen - auf Wasserstoff und manövriert sich damit in eine klimapolitische Sackgasse: Grüner Wasserstoff ist zu knapp, als dass er für die Wohnungsheizung verpulvert werden darf."

Stephan Jersch in der Aktuellen Stunde: "Der Senat und Rot-Grün mögen den kleinen und viel zu späten Schritt der Nutzung weiterer Abwärme von Aurubis feiern - aber bei den großen Aufgaben für eine CO2-freie Zukunft unserer Hansestadt fehlt weiterhin das energische Handeln des Senats."

Die gesamte Debatte in der Bürgerschaft hier als Video in der Mediathek der Bürgerschaft. Stephan Jersch sprach in der Debatte dreimalmal. Seinen ersten Beitrag gibt es hier als Video und seinen zweiten Beitrag hier und hier ist der dritte Beitrag

Hier die vollständigen Redebeiträge von Stephan Jersch in dieser Debatte im Wortlaut:

Aktuelle Stunde:: Warm werden mit der Industrie: Hamburg setzt auf Abwärme und innovativen Klimaschutz mit starken Partnern

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, die
Nachricht, dass Abwärme von Aurubis übernom-
men wird – die zwei Drittel, die noch nicht übernom-
men werden –, ist in der Tat eine gute Nachricht.
Was da allerdings fehlt, ist, sie auch einzuordnen.

Und, lieber Kollege Lorenzen, es ist nicht alles
Gold, was glänzt, und darauf werde ich jetzt im Fol-
genden ein bisschen eingehen, denn schon 2016
wollte der Senat eine Vereinbarung bis Mitte 2017
herbeiführen. Vattenfall wollte die Realisierung bis
2020 in trockenen Tüchern haben. Mehr als zwei
Jahre nach der Übernahme des Wärmenetzes ist
jetzt endlich eine Vereinbarung zustande gekom-
men über zwei Drittel der Abwärme. Das sind zwei
Jahre Verzug gegenüber der ursprünglichen Pla-
nung, und die Realisierung steht für 2024/2025 an.
Da sind uns dann vier Jahre verloren gegangen, die
wir für einen Teilersatz zumindest des Heizkraft-
werks Wedel hätten gebrauchen können. Das ist
Verzug.
(Beifall)

Es ist sicherlich gut, dass auch Gespräche mit drei
weiteren Firmen über die Übernahme von Abwärme
stattfinden. Aber was Ihre starken Partner angeht,
kann ich nur sagen: Ihr Klimaplan in Hamburg hät-
schelt diese Partner über die Maßen. Das heißt, die
Einsparungen, die geplant sind und verlangt wer-
den, freiwillig verlangt werden, sind deutlich unter
dem Durchschnitt. Letztlich beziehen sie sich
hauptsächlich auf den Energiemix, und das heißt:
externe Faktoren.

Was Ihre 100 000 Tonnen CO2-Einsparung angeht,
lieber Kollege Mohrenberg, kann ich nur sagen:
Gleichzeitig pusten Sie im Hafen mit Sulfurylchlorid
1 Million Tonnen CO2-Äquivalente in die Luft. Da
kann man nur sagen: Die werden statistisch bisher
überhaupt nirgendwo festgehalten. Wenn man die-
se Bilanz aufmacht, gehört es dazu, Ehrlichkeit wal-
ten zu lassen und nicht nur irgendwelche positiven
Maßnahmen zum Besten zu geben.
(Beifall)

Letztlich reden wir bei der industriellen Abwärme ei-
gentlich nur über einen kleinen Baustein im Zuge
der Energiewende und der Wärmewende. Aber die
Fernwärme ist ein zentraler Schlüssel für die Wär-
mewende, und sie ist in Hamburg weit weg davon,
notwendige regulatorische Rahmen erfahren zu
können. Stattdessen wird in Hamburg weiterhin
zum Beispiel der Umstieg von Ölheizung auf Gas-
heizung gefördert, und marktverzerrende Faktoren,
die die Fernwärme einfach gegenüber anderen
Wärmeformen in den Nachteil kommen lassen,
werden nach wie vor nicht ausgeglichen. Daran
müssen Sie wirklich arbeiten, da brauchen Sie in
der Tat mehr Mut, mehr Förderung, denn die Ener-
giewende – und das sage ich hier zum wiederhol-
ten Male – ist nicht umsonst zu bekommen.

Da wäre zudem die Frage – ich hätte auch gern
einmal etwas an die Stadt verkauft, das bei mir so-
wieso rumliegt, wie Abwärme –, was Sie eigentlich
dafür bezahlt haben. Auch das tun Sie nicht zum
Besten, genauso, wie Sie aus gewohnter und geüb-
ter Praxis nicht erzählen, warum die Verhandlungen
mit Aurubis so dermaßen lange gedauert haben.
Ich denke, der Politik und der Bevölkerung in Ham-
burg gebührt es, dass sie erfahren, wo die Proble-
me sind, damit wir uns das auch entsprechend ein-
ordnen können.
(Beifall)

Was wir brauchen – und Kollege Gamm hat das
auch schon angedeutet –, ist eine integrierte Wär-
meplanung für Hamburg; die vermissen wir wirklich
schmerzlich. Stattdessen – die Energieunterneh-
men sind weitestgehend in öffentlicher Hand, dank
der Bevölkerung, die in einem Volksentscheid so
entschieden hat – werkeln die Energieunternehmen
Hamburgs alle brav vor sich hin und versuchen, ih-
re Zukunft zu finden. Das führt zu solch absurden
Versuchen. So versucht Gasnetz Hamburg tatsäch-
lich mit Wasserstoff, mit grünem Wasserstoff und
der Beimischung einen weiteren Marktzweck zu ge-
nerieren. Da kann ich nur mit der Agora Energie-
wende sagen: Die Gasnetzbetreiber stehen vor ei-
nem disruptiven Ende ihres Geschäftsmodells. Da-
rauf müssen Sie die Energiepolitik in Hamburg wirk-
lich abstellen.
(Beifall – Erste Vizepräsidentin Mareike En-
gels übernimmt den Vorsitz.)

Gönnen Sie sich eine kleine Feier für die Übernah-
me von 40 Megawatt Abwärmeenergie bei Aurubis;
perlendes Selters würde dafür reichen, denn die
wirklichen Aufgaben in einem integrierten Konzept
liegen noch vor Ihnen. – Danke.
(Beifall)

Zweiter Redebeitrag - siehe oben auch die Video-Links.

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu ei-
nigem, was hier gesagt worden ist, muss ich dann
doch vielleicht ein bisschen Kohlensäure aus dem
Selters nehmen; das hat wohl zu sehr geprickelt.
Der Senator sagt, hier in Hamburg sei es bei der
Dekarbonisierung anders als in anderen Städten.

Ja, ich glaube, kaum eine Stadt ist so sehr Kohle-
hauptstadt, wie es Hamburg ist, und kaum eine
Stadt hat deswegen so viele Wirkungsfelder, so vie-
le Möglichkeiten, etwas zu tun. Grundsätzlich ist
das aber jetzt nicht unbedingt eine positive Charak-
terisierung von Hamburg. Wenn der Herr Senator
sagt, sie seien an diesem Projekt schon lange dran,
dann ist das eine Überschrift, die über vielen Pro-
jekten in Hamburg steht. Dann sage ich: Besonders
die Abschaltung von Wedel ist dafür ein trauriges
Beispiel. Ich glaube, wenn Wedel abgeschaltet
wird, werden wir eine mindestens zehnjährige Ver-
spätung haben, je nachdem, nach welcher Aussage
man zählt.

Auch die Bemerkung, dass Hamburg den Klima-
schutz nicht nur dann macht, wenn man es sich
leisten kann: Kollege Gamm hatte darauf verwie-
sen, dass eigentlich hinter jeder dieser Maßnah-
men, die immer aufgezählt werden, ein Förderpro-
gramm steht. Ich glaube, Hamburg hat genau diese
Haltung, dass, wenn keine Förderung existiert,
dann auch tatsächlich nichts passiert. Das beste
und schönste Beispiel dafür ist, finde ich, Geother-
mie, wo Sie seit der Erstankündigung auch fast
zehn Jahre gebraucht haben, bis Sie dann jetzt
endlich in die Puschen gekommen sind, erstaunli-
cherweise mit einem Förderprogramm, das dahin-
terliegt. Das ist zu wenig, kann ich nur sagen.
(Beifall)

Ich möchte dem Kollegen Schmidt an dieser Stelle
wirklich recht geben, wenn er sagt, dass die Trans-
formation in Hamburg viel zu langsam läuft; zumin-
dest entnehme ich seinem Satz, dass die Transfor-
mation dringend beschleunigt werden muss. Ja,
das ist richtig, und tatsächlich hat Hamburg – da
gebe ich auch dem Senator recht – mit der Rekom-
munalisierung Handlungsfreiheit gewonnen. Aber
diese Handlungsfreiheit muss dann auch ehrlich
genutzt werden. Wenn ich das gebrochene Kohle-
reduktionsversprechen in Wedel sehe, ist das zum
Beispiel keine ehrliche Nutzung dieser Handlungs-
freiheit.

Wenn wir schon Handlungsfreiheit haben,
dann erwarte ich auch tatsächlich – um noch ein-
mal auf den ersten Redebeitrag zurückzukommen –
ein übergreifendes, integriertes Wärmekonzept für
die Freie und Hansestadt Hamburg. Das sind wir
der Energiewende und den Menschen schuldig,
und das müssen wir mit der Handlungsfreiheit auf
die Straße bringen. Da sind Sie gefragt, und wir tra-
gen gern dazu bei. – Danke.
(Beifall)

Nachfrage von Stephan Jersch in der Debatte: 

Stephan Jersch DIE LINKE:

Herr Kollege Mohrenberg, danke für die Gelegen-
heit, nachzufragen. – An welcher Stelle im Planver-
fahren, im Vorbereitungsverfahren, hat es denn auf-
grund von Beteiligungen von Verbänden und Bür-
gerinnen und Bürgern Verzögerungen rund um die
Planung von Wedel und die Fernwärmeleitung, die
nun unter der Elbe durchgeführt werden soll, gege-
ben? Können Sie mir ganz konkret sagen, wann
welches Verfahren wie lange aufgehalten wurde?
(Beifall)

Dritter Beitrag 

Stephan Jersch DIE LINKE:

Und sehen wir uns nicht auf dieser Welt, dann se-
hen wir uns in Bitterfeld.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsident!
Die kurzen Sätze des Kollegen Mohrenberg haben
mich dann doch dazu gebracht, mich hier noch ein-
mal zu äußern, denn diese Sätze waren ein Schlag
in das Gesicht all derer, die über Jahrzehnte Bürge-
rinnen- und Bürgerbeteiligung in vielen Anwen-
dungsgebieten dieser Stadt und dieses Landes ver-
sucht haben auszubauen und letztlich tatsächlich
Mitwirkungsrechte bekommen haben. Es ist tat-
sächlich so, dass Bürgerinnen- und Bürgerbeteili-
gung Verwaltung und Politik manchmal nervt. Be-
dauerlicherweise ist Ihnen das ganz besonders an-
zumerken. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag in
Berlin kann ich dazu nur darauf hinweisen, dass
darin auch einige Sachen stehen, zu denen man er-
wähnen muss, dass die Ampel anscheinend den
Abbau von Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung in
Verfahren plant. Da muss man dann wirklich sagen:
Obacht. Wer so anfängt und dann nicht einmal
mehr wirklich begründen kann, dass es eine tat-
sächliche Verzögerung gegeben hat, sondern ein-
fach nur sagt, ich habe schlecht geschlafen, denn
ich habe eine schlechte Veranstaltung hingelegt,
meine Performance ist lausig und meine Begrün-
dung stimmte nicht, der hat nun wirklich eine sehr
schwache Argumentation.
(Beifall)

Wenn Sie hier auf das eine oder andere Mitglied
meiner Partei anspielen, dann möchte ich an dieser
Stelle – da brauchen Sie sich jetzt nicht so wohlge-
fällig zurückzulehnen – darauf verweisen, dass es
viele Einsprüche im Rahmen des Planungsverfah-
rens gab, die eingereicht worden sind. Dafür wurde
Geld eingesammelt, und ich kann Ihnen sagen: Die
Hauptgeldgeber für diese Einsprüche kommen aus
Ihrer Partei.
(Beifall)

Wer im Glashaus sitzt – wenn er denn schon meint,
dass Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung ein Glas-
haus sei –, soll nicht mit Steinen werfen. – Danke.
(Beifall)