SKA: Schuldenfalle Rundfunkbeitrag: Zwangsvollstreckungen in Hamburg (II)

Stephan Jersch
Anfragen und AnträgeMedien- und Netzpolitik

Mit dem Merkzeichen "TBl" (taubblind) ist ein Mensch berechtigt, seinen Haushalt auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien zu lassen. In Hamburg haben 53 Taubblinde dieses Merkzeichen, doch nur 26 sind von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Die Antwort des Senats suggeriert, dass noch nicht alle Berechtigten einen Befreiungsantrag gestellt haben.

24. April 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Cansu Özdemir und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 16.04.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12707 -


Betr.:     Schuldenfalle Rundfunkbeitrag: Zwangsvollstreckungen in Hamburg (II)

In der Antwort des Senats auf unsere kleine Anfrage zu Rundfunkbeiträgen (Drs. 21/12388) heißt es, dass lediglich 56 Empfänger_innen von Blindenhilfe sowie 26 Taubblinde nach §4 von der Rundfunkbeitragspflicht in Hamburg befreit sind. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) geht hingegen von knapp 2.500 blinden Menschen in Hamburg aus und beruft sich dabei auf die Anzahl der Empfänger_innen von Landesblindengeld. Ferner seien rund 40.000 Menschen in Hamburg sehbehindert.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) wird auf Antrag der Rundfunkbeitrag auf ein Drittel ermäßigt für blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen bzw. mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung sowie für hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. Als Nachweis gilt der Schwerbehindertenausweis mit „RF“-Vermerk. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht kommt für diesen Personenkreis in Betracht, wenn die Antragstellenden eine der Sozialleistungen nach § 4 Abs. 1 RBStV erhalten.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des Norddeutschen Rundfunks (NDR) wie folgt:


1. Wie viele blinde Menschen gibt es zurzeit in Hamburg?
a. Wie viele der blinden Menschen nehmen aktuell das Landesblindengeld in Anspruch?
2. Ab wann und nach welchen Kriterien gilt jemand als blind, um von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu sein?

Die Statistik der Schwerbehinderten wird nur alle zwei Jahre erhoben und erfasst Personen die einen Grad der Behinderung von mindestens 50 aufweisen und die im Besitz eines gültigen Schwerbehindertenausweises sind.

Für hochgradig sehbehinderte Menschen wurden 924 Feststellungen, für sonstige sehbehinderte Menschen (ohne Blindheit und hochgradige Sehbehinderung) 8.275 Feststellungen getroffen. Das Ausweismerkzeichen „Bl“ (Blindheit) wurde für 2.523 schwerbehinderte Menschen festgestellt (Stand 1. April 2018). Blindengeld erhielten im Dezember 2017 2.518 Personen, aktuellere Daten liegen derzeit nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.


3. Wie viele taubblinde Menschen gibt es zurzeit in Hamburg?
4. Ab wann und nach welchen Kriterien gilt jemand als taubblind, um von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu sein?

Nach Auskunft des NDR kann das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für Taubblinde bisher nicht durch das Merkzeichen „RF“ im Schwerbehindertenausweis nachgewiesen werden. Daher reicht für die Befreiung nach § 4 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz RBStV insoweit ausdrücklich eine ärztliche Bescheinigung aus. Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist eine gesetzliche Regelung des Merkzeichens „Taubblind“ („Tbl“) im Schwerbehindertenausweis in Vorbereitung.  

In Hamburg wurde das Ausweismerkzeichen „Tbl“ für 53 schwerbehinderte Menschen festgestellt (Stand 1. April 2018). Für den Nachweis einer Taubblindheit eignet sich auch die Vorlage folgender Dokumente in Kopie:
Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen Bl (blind) und Gl (gehörlos),
Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen Bl (blind) oder Gl (gehörlos) zusammen mit einer fachärztlichen Bescheinigung über die jeweils andere Behinderung,
Bescheinigung des Versorgungsamtes über den Grad der Hör- und Sehbehinderung.

Zur Anzahl taubblinder Menschen siehe Antwort zu 1. und 2.


5. Wie viele sehbehinderte bzw. hochgradig sehbehinderte Menschen gibt es zurzeit in Hamburg?
6. Ab wann und nach welchen Kriterien gilt jemand als sehbehindert oder als hochgradig sehbehindert und können sich Betroffene auch von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen?
a. Wenn ja, wie viele sehbehinderte bzw. hochgradig sehbehinderte Menschen haben sich von der Rundfunkbeitragspflicht im Jahr 2017  befreien lassen?
7. Ab wann und nach welchen Kriterien gilt jemand als gehörlos oder hörgeschädigt und können sich auch Betroffene von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen?
a.     Wenn ja, wie viele gehörlose oder  hörgeschädigte haben sich im Jahr 2017 von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen?

Siehe Antwort zu 1. bis 2. Nach Auskunft des NDR liegt die Anzahl der Befreiungen von der Rundfunkpflicht inklusive von Vermerken über Ermäßigungen wegen einer Sehbehinderung oder Hörschädigung nur stichtagsbezogen zusammengefasst vor. Zum 31. Dezember 2017 gab es in Hamburg insgesamt 554 Personen mit einer Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV und einem zusätzlichen Vermerk über die Voraussetzungen für eine Ermäßigung von der Beitragspflicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 RBStV wegen einer Sehbehinderung oder Hörschädigung.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.


8. Wie viele Menschen haben im Jahr 2017 und aus welchem Grund eine Ermäßigung der Rundfunkbeitragspflicht beantragt?

Zum 31. Dezember 2017 gab es in Hamburg insgesamt 9.582 Personen mit einer Ermäßigung vom Rundfunkbeitrag, die sich nach Ermäßigungsgründen wie folgt aufteilen:
4.533 Personen mit einer Ermäßigung wegen einer Sehbehinderung oder Hörschädigung,
5.049 Personen mit einer Ermäßigung für behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können.


9. Wie und wie oft werden blinde, sehbehinderte, gehörlose, hörgeschädigte oder taubblinde Menschen über die Möglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht informiert?

Allen Antragstellerinnen und Antragstellern wird vom Versorgungsamt mit der Eingangsbestätigung ein umfangreiches Merkblatt über den Katalog der Nachteilsausgleiche zugesandt. Hierüber  informiert das Versorgungsamt zeitnah auch auf seinen Internetseiten über aktuelle Änderungen, die im Zusammenhang mit Nachteilsausgleichen stehen. Darüber hinaus werden auch in den Feststellungsbescheiden zu den einzelnen anerkannten Nachteilsausgleichen spezielle Informationen gegeben.
Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio informiert auf seiner Internetseite www.rundfunkbeitrag.de ausführlich über die Regelungen zur Befreiung und Ermäßigung und bietet eine barrierefreie Kommunikation an:
Barrierefreies Ausfüllen des Antrages auf Befreiung oder Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht online mit nützlichen Eingabehilfen,
zusätzlicher Versand der Anschreiben des Beitragsservice als Word-, RTF-, PDF-, MP3- oder WAV-Datei per E-Mail oder auf CD,
Versand der Anschreiben im Großdruck-Format,
Versand und Empfang von Anschreiben in Brailleschrift.