Debatte: Debatte zu Einzelplan 3.2: Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke

Auch in die Debatte um den Einzelplan 3.2 über die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke mischte sich der Abgeordnete Stephan Jersch am 17. Dezember 2024 für die Linksfraktion mit Blick auf die Bezirke ein.

Debatte zu Einzelplan 3.2: Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke
Hier: Bereich Bezirke einschl. Epl. 1.2 - 1.8 Bezirksämter (40:57) ## Foto: M. Zapf, Bürgerschaft Hamburg

Die gesamte Debatte zum Haushaltsplan ist hier als Video online. Die Rede von Stephan Jersch zu diesem Punkt ist hier online.

Rede im Wortlaut:

Stephan Jersch DIE LINKE: Herr Präsident, mei-
ne Damen und Herren! Das Senatsgetriebe kennt
bei Bezirken eigentlich nur einen Gang, und das
ist der Rückwärtsgang. Dieser Haushaltsentwurf ist
für die Bezirke – ein eigenes Haushaltsrecht wird
unseren Bezirken nach wie vor verweigert – ein
Armutszeugnis, zumindest hinsichtlich des Willens,
sie zu stärken.
(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Unsere Bezirke sind – das ist mehr oder weniger
an einigen Stellen erwähnt worden – das den Bür-
gerinnen und Bürgern zugewandte Gesicht dieser
Stadt. Sie sind Kommunen, und dafür müssen sie
personell und finanziell ausgestattet werden. Wenn
ich hier von der Kollegin Kern eben etwas über
Partizipation gehört habe, dann ist das wichtig,
keine Frage. Aber dazu gehört auch die andere
Seite: Es gehört sich nicht, dass Entscheidungen
evoziert werden, es gehört sich nicht, dass Senats-
anweisungen den demokratischen Willen in den
Bezirken überstimmen.
(Beifall bei der LINKEN)

Die sieben Bezirksamtsleitungen schrieben 2011 in
einem Brandbrief in das Aufgabenbuch des Senats

– ich zitiere –:
"Alle bürgernahen Aufgabenfelder gehören
in die Bezirke."
Aufgeführt wurden da zum Beispiel – ich zitiere
erneut –

"alle Dienstleistungen, die der Bürger im All-
tag braucht, zum Beispiel Pass- und Melde-
wesen sowie Standesamt."
– Zitatende.

Und weiter wurde damals parteiübergreifend aus-
geführt – Zitat –:

"Auch ein Entzug der Steuerungsfähigkeit
der Bezirksämter schwächte die kommunale
Ebene. Die Bezirksämter brauchen die Per-
sonalhoheit über die eigenen Mitarbeiter, ei-
genen rechtlichen Sachverstand und die Ho-
heit über bereitgestellte Finanzen."
– Zitatende.

Das war ein überparteilicher Appell aller sieben
Bezirksamtsleiter und Bezirksamtsleiterinnen 2011.

Und in der Konsequenz schlugen diese vor – Zi-
tat –:
"Die Bezirke bieten an, in ihrer effizien-
ten Struktur weitere Durchführungsaufgaben
aus den Fachbehörden zu übernehmen."
– Zitatende.

Die Bezirksamtsleitungen haben sich damals er-
hebliche Synergieeffekte versprochen. So weit aus
dem Papier der Bezirksamtsleitungen vom Janu-
ar 2011, das überschrieben wurde mit:
"Bürgernähe vernünftig organisieren und
auskömmlich finanzieren"

Man kann sich angesichts dieses Haushalts aller-
dings des Gefühls nicht erwehren, dass es die Ab-
sicht des Senats ist, diese effizienten Strukturen,
die damals beschrieben worden sind, schleichend
zu entbeinen, auf alle Fälle aber nicht auskömm-
lich zu finanzieren.
(Anja Quast SPD: Das steigt um 8 Prozent!)

Schon im Haushalt 2023/2024 gab es Planzahlen
für 2025; das ist üblich und mehr so ein Pi-mal-
Daumen-Wert, der dort schon einmal angesetzt
wurde. Umso verwunderlicher ist es natürlich, dass
wir diese Zahlen im ursprünglichen Haushaltsent-
wurf für diesen Doppelhaushalt tatsächlich als
Haushaltsansatz wiedergefunden haben. Wenn an
vielen Stellen erwähnt wird, wie volatil die letzten
Jahre waren, was sich alles bewegt hat und wo
man ändern musste, dann ist die Frage, warum
solche Positionen wie zum Beispiel die zentralen
Bezirksmittel, der Förderfonds der Bezirke, bezirkli-
che Sofortmaßnahmen oder die Rahmenzweckzu-
weisung für die Seniorenarbeit sich eigentlich seit
der Planung 2022 für 2025 nicht wirklich geändert
haben. Die Weitsicht des Senats hatte hier schon
2022 Stagnation verordnet.
(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Rahmenzuweisung Gewässer und die
Zweckzuweisung für wasserwirtschaftliche Bau-
maßnahmen sogar kontinuierlich abgesenkt wer-
den, hatte ich schon gestern als Kritikpunkt er-
wähnt. Sehen Sie es mir nach, dass diese beiden
Positionen für mich besonders wichtig sind, da ich
aus Bergedorf komme. Aber der Senat hat es sich
an dieser Stelle für die Bezirke wieder einmal sehr
einfach gemacht.

Auch angesichts der steigenden Ansprüche an den
Service der Verwaltung für die Bürgerinnen und
Bürger unserer Stadt ist es unverständlich, dass
der Stellenplan der Bezirke nicht explodiert ist.
Stattdessen wird seit mindestens 2020 der Stel-
lenbestand langsam, aber stetig zurückgefahren,
und der Preis dafür ist Arbeitsverdichtung und ei-
ne latente Unzufriedenheit der Beschäftigten mit
den Arbeitsbedingungen und den Bezahlungen.
Jede Umlandkommune hat eine bessere Bezah-
lung, als der Schmalhans in Hamburg anbietet.
Kein Wunder, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter für die wichtigen Aufgaben der Bezirksverwal-
tungen – Face to Face to the Customer, würde ich
jetzt sagen – im Kontakt zu den Bürgerinnen und
Bürgern einfach fehlen.

Die fortlaufende Austrocknung der Zuständigkeiten
der Bezirke ist ein Trauerspiel, sei es per Kom-
plettausgliederung wie beim Hamburg Service oder
bei der – das nur als Beispiel – Zentralisierung
in einem Bezirksamt, beim Sportstättenbau oder
bei der IT, die dann am Ende auch noch vollstän-
dig ausgegliedert wurde. Die Bezirksämter entwi-
ckeln sich unter der Steuerung des Senats zu rei-
nen Empfangsschaltern ohne Backoffice. Das ist
unwürdig für den Zweck, den sie eigentlich darstel-
len sollen.
(Beifall bei der LINKEN und bei André Tre-
poll CDU)

Wir brauchen – weg vom Zentralisierungsdogma –
eine Wende für die Bezirke. Denn wie schrieben
es die Bezirksamtsleitungen noch 2011 in ihr Pa-
pier mit Bezug auf ein Senatspapier von 2005,
das die Konzentration und Straffung von Durchfüh-
rungsfunktionen – Zitat –
"im Zweifel auf Bezirksebene als Grundlinie"
formulierte? Auch das ein Zitat:
"Dahinter stand die Erkenntnis, dass dezen-
trale Strukturen nicht nur effizient sind"
– das wird an vielen Stellen hier mittlerweile be-
stritten –,
"sondern auch den Grundsätzen einer kom-
munalen Demokratie entsprechen."
– Zitatende.

Das findet sich in diesem Haushaltsentwurf nicht
wieder. Gute Arbeit mit Fachkompetenz und einem
umfassenden Angebot für die Bürgerinnen und
Bürger vor Ort hat ihren Preis, den dieser Senat
nicht zu zahlen bereit ist. Stattdessen wird wie-
der mal ein Frickelhaushalt vorgelegt, und auch
die Bezirke werden mit den globalen Minderausga-
ben noch weiter traktiert. Das darf niemanden zu-
friedenstellen, und deswegen können wir diesem
Haushalt so nicht zustimmen. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN