Debatte: Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie für Hamburg
Debatte in der Bürgerschaftssitzung vom 4. September zum Theme: "Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie für Hamburg." Für die Linksfraktion ging der zuständige Abgeordnete Stephan Jersch ans Rednerpult.
Zum Antrag der Senats-Fraktionen "Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie für Hamburg" debattierte die Bürgerschaft am 4. September. Die gesamte Debatte ist hier in der Mediathek der Bürgerschaft als Video online. Hier ist direkt der Redebeitrag von Stephan Jersch online. Foto: M. Zapf, Bürgerschaft HH.
Die Rede ist hier im Wortlaut:
Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir
wollen noch einmal kurz rekapitulieren. Wie war
es? 2015 haben die UN die Nachhaltigkeitsziele
beschlossen mit dem Ziel, bis 2030 weltweit men-
schenwürdiges künftiges Leben zu ermöglichen
und dabei die Lebensgrundlage zu bewahren.
2017 übte sich Olaf Scholz in Hamburg als Staats-
mann und gab den Gastgeber für den G20-Gipfel,
zu dem parallel ein Nichtregierungsorganisations-
gipfel stattfinden konnte. Was bot sich da mehr an,
als die SDGs an dieser Stelle zum Thema zu ma-
chen? Und so kramte der Senat heraus, was an
Maßnahmen eh schon in der Pipeline war, drück-
te diesen spärlichen Maßnahmen noch SDG-Ziele
auf, ordnete sie ziemlich willkürlich und gebar so
die erwähnte Drucksache 21/9700.
Zugegeben, heute sind wir etwas weiter bei der
Umsetzung, aber nichtsdestotrotz fehlen acht Jah-
re nach dem UN-Beschluss und sechs Jahre nach
dem NGO-Forum immer noch die Zielwerte für die
Messbarkeit dieser Ziele. Die Verankerung der Zie-
le über die Stakeholder hinaus ist nicht wirklich ge-
geben, Ambitionen kann man nun echt nicht erken-
nen, und neun von 15 Jahren der Agenda 2030
sind rum. Noch dazu kann man im Vorwort des
ersten freiwilligen Berichts der Umweltbehörde le-
sen, dass in den kommenden Jahren auf Basis des
Nachhaltigkeitsberichts eine Nachhaltigkeitsstrate-
gie mit konkreten Zielen entwickelt wird. Liebe Kol-
leginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen,
Sie haben für diese Ankündigung aus dem Vorwort
14 Monate gebraucht; das ist nun wirklich das übli-
che Nachhaltigkeitstempo, das diese Stadt zugrun-
de legt.
(Beifall bei der LINKEN)
Und was soll jetzt eigentlich passieren? Eine be-
hördenübergreifende Nachhaltigkeitsstrategie soll
entwickelt werden, ohne sie wirklich zu terminie-
ren. Die relevanten Stakeholder sollen mit einer
schwammigen Formulierung einbezogen werden,
was die Berücksichtigung ihrer Meinungen angeht,
aber wir haben in diesem Hause gerade erst die
Grundlagen für Bürgerforen beschlossen. Warum
machen wir nicht ein Bürgerinnen- und Bürgerforum
zur Umsetzung dieser SDGs? Das würde uns gut
zu Gesichte stehen.
(Beifall bei der LINKEN – Krzysztof Walczak
AfD: Bitte nicht!)
Sieben Jahre nach dem Umsetzungsbekenntnis der
Stadt jetzt diese Prüfung, wie eigentlich die Umset-
zung der SDGs in den Verwaltungen organisiert
werden kann, einzuleiten, ist wirklich ein behördli-
ches Versagen. Sorry, anders kann man es nicht
sagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es wird erneut eine Querschnittsaufgabe geboren
nach den Klimamaßnahmen über unwillige Behör-
den in Hamburg hinweg, und ich erinnere da nur
an die Geschichte mit dem Masterplan "Bildung für
nachhaltige Entwicklung", wo letztendlich die Um-
weltbehörde tatsächlich diese Querschnittsaufgabe
aus ihrem Töpfchen finanziert haben muss. Dafür
herzlichen Dank, muss ich wirklich sagen, an die
Umweltbehörde und an den Senator.
Aber wenn ich es richtig verstehe, heißt der
Punkt der Berücksichtigung der ökologischen, öko-
nomischen und sozialen Nachhaltigkeit, nämlich
die nachhaltige Haushalts- und Konzernsteuerung,
dass auch die Finanzbehörde hier wieder ihre
Hände im entsprechenden Topf hat. Das macht
Sinn, wenn man nichts ändern will an der ökonomi-
schen Schlagseite hanseatischer Kaufmannsnach-
haltigkeit, aber es macht keinen Sinn, wenn man
alle drei Säulen der Nachhaltigkeit parallel im Auge
haben will. Und das haben die Bürgerinnen und
Bürger, das hat die Umwelt in dieser Stadt verdient.
(Beifall bei der LINKEN)
Letztendlich konnte ich im Haushalt 2025/2026 kei-
ne Spur von ambitionierten Schritten für eine Nach-
haltigkeitsstrategie entdecken. Stattdessen werden
in Bezug auf das "Wie weiter?" im Nachhaltigkeits-
bericht von Mitte letzten Jahres wieder die üblichen
Klimasachen wie der Nachhaltigkeitsleitfaden oder
die Überarbeitung des Klimaplans erwähnt. Ich wür-
de mir angesichts der Vielfältigkeit dieser 17 Ziele
mehr vorstellen in dieser Planung. Mal sehen, viel-
leicht kommt ja noch irgendetwas, aber okay.
Letztendlich ist dieser Antrag eine Auftragsarbeit,
er kommt zu spät, ist zu vage, und Ambitionen
für neue Projekte fehlen gänzlich. Wenn man in
die SDG-Zielerreichung im Deutschland-Portal rein-
schaut, ist Hamburg bei 20 Prozent der SDG-In-
dikatoren schlechter geworden. Von daher ist die
Entwicklung nicht positiv, und damit wir die ganze
Stadt im Blick haben, muss daran noch einmal kräf-
tig gearbeitet werden. Wir werden uns der Stimme
enthalten, das ist zu unkonkret. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)