Debatte: Wasserstoffwirtschaft in Hamburg – Stand und Entwicklungsperspektiven

Thema in der Bürgerschaftssitzung am 15. Juni 2022: "Wasserstoffwirtschaft in Hamburg – Stand und

Entwicklungsperspektiven". SPD und Grüne hatten als Senatsfraktionen eine Große Anfrage zu dem Thema gestellt. In der Debatte nahme auch Stephan Jersch für die Linksfraktion Stellung.

Die Rede im Wortlaut:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was-
serstoff ist in der Tat im Moment alternativlos für die
Defossilisierung, aber das ist abhängig von seiner
Verwendung. Eine Vielzahl einzelner Schritte, die
begonnen worden sind, waren in der Antwort der
Großen Anfrage vorhanden, aber die Frage ist: Ist
es wirklich ein hervorragender Aufschlag für die
Entwicklung einer Wasserstoff-Infrastruktur als Teil
der öffentlichen Daseinsvorsorge? Genau das
kommt an dieser Stelle aus den Antworten des Se-
nats nicht heraus.

Man muss die Wasserstoffanwendung eigentlich an
drei Fragen bemessen. Kommt die Wasserstoffpro-
duktion den Klimazielen angemessen entgegen?
Es geht schließlich um die Einhaltung des 1,5-
Grad-Ziels. Ist die Wasserstoffanwendung den
energiepolitischen Zielen entsprechend ausgerich-
tet? Grüner Wasserstoff ist knapp, und deswegen
muss bei seinem Einsatz doppelt verantwortlich ge-
handelt werden. Und: Ist der Aspekt der öffentli-
chen Daseinsvorsorge und damit die Energiesicher-
heit ausreichend berücksichtigt? Denn nur Diversifi-
kation staatlicher Akteure sichert eine sozial ge-
rechte und eine sichere Energieversorgung; zumin-
dest lernen wir das aus den Erfahrungen mit dem
Erdgas.

Und zum Thema Klimaziele und Wasserstoffwirt-
schaft. Sicherlich braucht es seine Zeit, bis das in
die Gänge kommt. Man ist spät gestartet, aber
letztendlich ist es so: Nach den wie in der Antwort
formulierten Bedarfen 2025 müssten wir 2025
1 500 Moorburg-Elektrolyseure in die Stadt reinstel-
len, um den Bedarf entsprechend zu decken. Das
geht nicht, das ist uns allen klar. Das heißt, wir
brauchen Importe. Es gibt eine Importstrategie, im
Moment noch sehr grob, wie ich finde, aber damit
haben wir auch völlig andere Aspekte. Wir importie-
ren aus Norwegen, aus Schottland, aus den Verei-
nigten Arabischen Emiraten, aus den USA, und
hier, sage ich, müssen wir ein besonderes Augen-
merk auf die Lieferketten und auf die Ansprüche
richten, die wir an diese haben.

Aber was lesen wir dann auch noch in der Antwort
zur Zertifizierung grünen Wasserstoffs? Es gibt
eben keine anerkannte Zertifizierung. Und damit ist
gut. Das kann es doch nicht wirklich gewesen sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist eines der zentralen Themen für eine auf die
Zukunft ausgerichtete grüne Wasserstoffwirtschaft.

Wir lesen:
"... langfristig die ambitionierten Klimaziele
und die Energiewende [...] erreichen".
Das ist doch viel zu unambitioniert und geradezu
peinlich. Wir reden hier von Zielen für 2035, 2045,
um die Klimaziele einzuhalten. Das ist nicht lang-
fristig, das ist mittelfristig,

(Dirk Nockemann AfD: Erst mal den nächs-
ten Winter überstehen!)

und vor allen Dingen ist das, was wir hier lesen, in
keinster Weise ambitioniert.

(Beifall bei der LINKEN)

Und vor allen Dingen lesen wir immer noch keine
Definition darüber, wie lange eigentlich grüner Was-
serstoff nur prioritär verwendet werden soll, wie lan-
ge wir also auch mit Wasserstoff aus anderen Quel-
len wirtschaften sollen. Hier stelle ich mir durchaus
ein bisschen mehr Verbindlichkeit des Senats vor,
denn klimapolitisch ist das kontraproduktiv. Grüner
Wasserstoff ist knapp, das ist richtig, und trotzdem
lesen wir in der Antwort, dass er auch in Bereichen
wie Verkehr oder Logistik angewendet werden soll.
Das sind falsche Anwendungen. Vielleicht ein biss-
chen Luftfahrt, vielleicht ein bisschen Schifffahrt,
aber ansonsten ist es gruselig rückwärtsgewandt.
Sich für die Rahmenbedingungen einzusetzen,
auch das ist zu wenig. Wir brauchen für das 1,5-
Grad-Ziel ordnungspolitische Vorgaben, die frühzei-
tig eingerichtet werden, damit sich die Wirtschaft 
darauf einstellen kann. Auch die Energieproduktion
gehört in die öffentliche Hand. Das sagen wir, weil
es zeigt, dass öffentliche Daseinsvorsorge auch öf-
fentlich betrieben werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen hat man hier in weiten Teilen das Ge-
fühl, dass die Wasserstoffwirtschaft, die in Hamburg
aufgebaut wird, eine Art Resozialisierungsprojekt
für Shell und Vattenfall werden soll. Deswegen
brauchen wir eine Diversifikation, denn Wandel
durch Handel, wie wir gelernt haben, hat nicht wirk-
lich geklappt. Wir brauchen ein besonderes Augen-
merk darauf, was wir hier im Wasserstoff anwen-
den, woher wir ihn importieren. Das alles habe ich
in dieser Antwort auf die Anfrage bisher vermisst.
Da gibt es noch viele Hausaufgaben. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)