Debatte zur Fortschreibung des agrarpolitischen Konzeptes 2025 und Erarbeitung einer Hamburger Ernährungsstrategie
Am 29. Mai 2024 debattierte die Bürgerschaft auf Antrag der SPD- und Grünen-Fraktion den Antrag zum Thema "Fortschreibung des agrarpolitischen Konzeptes 2025 und Erarbeitung einer Hamburger Ernährungsstrategie". Für die Linksfraktion nahm der Abgeordnete Stephan Jersch Stellung.
- Der Antrag zur "Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzeptes 2025 und Erarbeitung einer Hamburger Ernährungsstrategie" kommt von den der GRÜNEN und SPD-Fraktion (Drucksache 22/15281)
Die Reden von Stephan Jersch ist hier als Video in der Mediathek der Bürgerschaft online und hier. Die gesamte Debatte ist hier online.
Die Rede ist hier im Wortlaut:
Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzeptes 2025 und Erarbeitung einer Hamburger Ernährungsstrategie
Rede 1.
Stephan Jersch DIE LINKE:
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die
Situation in Hamburg für die Landwirtschaft und
für die Ernährung ist nicht einfach. Wir haben ei-
ne stetig sinkende Zahl an landwirtschaftlichen Be-
trieben, wir haben teilweise eine sehr dürftige Da-
tenbasis, um zu beurteilen, was so passiert. Es
gibt natürlich einen besonderen Druck, der auf der
Landwirtschaft in der Metropole liegt. Und letztend-
lich haben wir den Bioanteil, der seit Jahren vor
sich hindümpelt. Dabei hat Hamburg wirklich An-
sprüche: Hamburg ist Biostadt, Hamburg hat die
Charta von Florenz unterschrieben. Deswegen wä-
re eine umfangreiche Darstellung vor Erarbeitung
dieser neuen Konzepte durchaus angebracht gewe-
sen: Wie kommt die Bioquote endlich aus dem
Knick? 1 250 Hektar Biolandwirtschaft sind weni-
ger als 9 Prozent. Die Hälfte davon ist Grünland,
38 Betriebe sind gerade einmal Biobetriebe, das
sind 6,3 Prozent, und rechnen wir dann noch den
Obstanbau raus, wird es richtig lausig.
Aber dennoch, nach dem Wechsel der Landwirt-
schaft von der Wirtschaftsbehörde in die BUKEA
ist diese Auftragsarbeit der BUKEA durchaus ange-
bracht, denn sie zeigt in einem sicherlich überlade-
nen Antrag den Handlungsdruck, der sich über Jah-
re angesammelt hat, den wir in Hamburg tatsäch-
lich abarbeiten müssen.
Zu einigen Punkten: Die Ernährungsstrategie ist gut
gemeint, wenn Geld dafür da ist. Die Drucksache
plündert hier augenscheinlich nur noch den Haus-
haltstitel der BUKEA, auch wenn von Einzelplänen
die Rede ist. Aber wir haben das unwürdige Gesto-
chere für den Masterplan "Bildung für nachhaltige
Entwicklung" noch in Erinnerung, wo es auch da-
rum ging, wer die Zeche zahlen muss. Letztendlich
hat die BUKEA dann ihre Töpfchen geöffnet. So
kann es hier nicht gehen, das muss anders gestal-
tet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Auf jeden Fall ist die Ernährungsstrategie überfäl-
lig, sie muss Antworten, und sie muss konkretes
Handeln aufzeigen, denn Ernährungsarmut ist ein
Fakt in dieser Zeit. Denn wenn im Durchschnitt
4,6 Prozent monatliches Haushaltsnettoeinkommen
für Nahrung, Getränke und Tabak aufgewendet
werden, dann ist das bei geringer verdienenden
Familien noch deutlich höher. Weniger ist mehr, we-
niger ungesund heißt mehr Kosten in dieser Gesell-
schaft. Hier muss eine Antwort gegeben werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Was ich gänzlich vermisse in der Drucksache,
ist natürlich der Leitfaden für nachhaltige Beschaf-
fung. Der muss angepackt werden, denn er muss
kongruent mit den hier gemachten Eckpunkten ge-
macht werden, damit auch die Beschaffung der
Stadt entsprechend funktioniert. Letztendlich reicht
die öffentliche Verpflegung nach DGE-Standards
nicht wirklich aus. Wir brauchen auch die tatsäch-
liche Absatzförderung. Da sind wir bisher in Ham-
burg über Marketingkampagnen nicht wirklich hi-
nausgekommen. Das ist nichts, was die Landwirt-
schaft fördert, hier müssen die öffentlichen Unter-
nehmen, die Betriebe, die Kantinen wirklich han-
deln und müssen regionale Landwirtschaft als Be-
standteil ihrer Wertschöpfungskette betrachten.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Kollege Gamm hat es gesagt: Die gentech-
nisch veränderten Organismen fehlen hier. Im Ge-
gensatz zum Kollegen Gamm sehe ich es aber
ganz anders: Wir müssen eine sehr klare Nullquote
für solche Organismen in den Leitfaden mit einfüh-
ren. Wir wollen hier keine Gentechnik. Hamburg hat
die Charta von Florenz unterschrieben, und dabei
muss es bleiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Um noch einmal kurz den Food Cluster anzuspre-
chen – er ist nur kurz erwähnt in der Drucksache –,
ich hatte es schon in der damaligen Diskussion
gesagt: Dieser Food Cluster muss eigentlich die
gesamte Wertschöpfungskette enthalten, das heißt,
vom Feld bis zum Teller. Das Feld fehlt hier noch,
das muss unbedingt ausgebaut werden, dann hat
man es durchgängig.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen natürlich für Landwirtschaft in der Me-
tropolregion auch eine Metropolförderung. Was wir
für die Angestellten der Stadt verlangen, weil es
hier teuer ist, das müssen wir auch für die Landwirt-
schaft umsetzen. Hier ist es teuer für die Landwirt-
schaft. Wir erwarten eine langfristige Investitionshil-
fe und langfristige Pachtverträge, wir erwarten ein
Grundstücksverkehrsgesetz, das die Betriebe auch
wirklich sichert – ich sage nur, gucken Sie in Rissen
einmal kurz vorbei. Wir erwarten eine Struktursiche-
rung der Landwirtschaft mit all ihren Facetten, da-
mit auch andere Sparten erhalten werden.
Wir werden hier zustimmen, aber wir haben viele
Erwartungen daran und freuen uns auf eine Diskus-
sion, die möglichst schnell stattfindet. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Rede 2.
Stephan Jersch DIE LINKE:
– Einen habe ich noch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich neh-
me die Ausführungen sehr positiv zur Kenntnis,
auch von Senator Kerstan zum Bekenntnis zur
Landwirtschaft. 20 Prozent landwirtschaftliche Nutz-
fläche sind tatsächlich ein wichtiges Bekenntnis,
nichtsdestotrotz steht in diesem Antrag eine relativ
nebulöse Formulierung:
"ausreichend wirtschaftlich nutzbare Flä-
chen".
Da hätte ich mir dann schon im Rahmen von, wie
viele Naturschutzgebiete wollen wir, wie viele Land-
schaftsschutzgebiete wollen wir, eine konkretere
Zahl zur Erhaltung der Landwirtschaft gewünscht.
Denn wenn ich gleichzeitig nach Oberbillwerder gu-
cke, wo 100 und irgendwas Hektar versiegelt wer-
den trotz vieler grüner Andeutungen, dann ist das
auch passiert mit der Bemerkung, das sei eine öko-
logisch nicht wertvolle Fläche. Wer landwirtschaftli-
che Flächen unter diesem Aspekt dann doch wie-
der auf den Markt wirft, hat kein klares Bekenntnis
zum Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe.
(Beifall bei der LINKEN)
Hier erwarte ich also einen deutlichen Paradigmen-
wechsel. Auch das agrarpolitische Konzept 2020
hatte damals vorgesehen, dass es ein Gremium
gibt, das sich über Konflikte in der Flächennutzung
zusammensetzt. Dieses Gremium ist nach einer
Anfrage von mir in der letzten Legislatur nie zusam-
mengetreten. Da, denke ich, brauchen wir ganz
deutlich ein bisschen mehr Biss dahinter.
Beim Bekenntnis für die Agrarwirtschaft in der Me-
tropole sollte es, das geht durchaus aus den Eck-
punkten hervor, letztendlich ein Bekenntnis zur Viel-
fältigkeit sein. Wir haben nichts davon, wenn wir
zwar die Agrarflächen haben, weiterhin die Betriebe
haben, aber keine wirklich produzierenden Betriebe
mehr haben, es sei denn, wir setzen Pferdefleisch
wieder stärker in der Ernährung ein.
Es geht also um richtige Ernährung, richtige Nah-
rungsmittelproduktion und nicht um Pferdepensio-
nen, und das, hoffe ich, wird mit angenommen. –
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)