Klimaschutz als Staatsziel ist ein eindrucksvoller erster Schritt
112. Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 29.1.2020: TOP 65 - gemeinsam mit TOP 40a: Klimaschutz demokratisch verankern - auch in der Hamburger Verfassung - Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN und DIE LINKE - sowie Fortschreibung des Hamburger Klimaplans und Neuerlass des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes - Senatsantrag -
Transkript:
Stephan Jersch DIE LINKE: Herr Kollege Tjarks, Sie haben auf den Kompromiss mit der Volksinitiative Tschüss Kohle hingewiesen. Wissen Sie noch, wie wir als Linksfraktion zu dem Kompromiss abgestimmt haben?
(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Sie werden es mir bestimmt sagen!)
- Ja. Wir haben uns der Stimme enthalten, weil er an dieser Stelle nicht weit genug ging.
(Zurufe von der SPD und der FDP: Oh! - Dirk Kienscherf SPD: Eine kräftige Enthaltung!)
Insofern ist unser Verhalten natürlich folgerichtig. Das wollte ich hier noch einmal klarstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die heute stattfindende Aufnahme des Klimaschutzes in die Präambel der Hamburgischen Verfassung ist ein eindrucksvolles Zeichen und zeigt den Willen der vier größten Parteien in diesem Hause, die Ziele von Paris auch wirklich ernst zu nehmen. Und das ist gut so.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)
Das ist natürlich kein Selbstgänger und bedarf noch viel Handelns, wie man zum Beispiel an der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz sieht. Auch da gibt es erhebliche Defizite, nur werden wir diesmal keine 17 Jahre Zeit haben, um das zu erkennen. Wir müssen schneller handeln. Und des wegen werden wir bei aller Geschlossenheit weiterhin über unsere tägliche Politik, über die Umsetzung des Klimaschutzes in diesem Hause streiten müssen. Wir reden auch über das Klimagesetz und den Klimaplan, und dazu kann ich sagen: Er ist zu dünn, er ist zu kurzsichtig, und er ist zu wenig. Die Feststellung, dass das ein Mitmachplan sein soll, ist beim besten Willen nicht erfüllt. Es werden nicht alle mitgenommen, und deswegen beantragen wir Bürgerforen, die in den Bezirken an den Maßnahmen zum Klimaschutz mitarbeiten. Auch im Klimabeirat, der geschaffen werden soll, müssen alle Aspekte der Nachhaltigkeit ganzheitlich bedacht werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir uns die Maßnahmen des Klimaplans ansehen, dann scheint dort doch viel zu viel grüner Kapitalismus durch. Klimagerechtigkeit fehlt dort wirklich, und letztendlich wird es wieder das Portemonnaie sein, das das Sein im Klimawandel bestimmt. Das darf nicht sein, das ist keine soziale Gerechtigkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Hier muss nachgeschärft werden. Der Klimaplan und das Klimagesetz sind auch zu kurzsichtig. Wir stehen vor einem immensen Strukturwandel, der noch schärfer werden wird. Das kann vielen in dieser Gesellschaft Angst machen.
Wir müssen hier dafür sorgen, dass die Beschäftigten der Betriebe mitgenommen werden. Wenn wir in den Klimaplan gucken, dann finden wir dort 68-mal das Wort Unternehmen, aber nicht ein einziges Mal die Wörter Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Beschäftigte oder gar Sozialpartner. Das entspricht nicht ausreichend der Zielsetzung. Wir müssen die Konversion mit allen angehen. Deswegen sagen wir: Das Prinzip Hoffnung, das in den Vorschlägen oft durchscheint, hat versagt, wir müssen hier konkreter werden, wir brauchen einen Konversionsbeirat für Hamburg, in dem alle und vor allen Dingen die Gewerkschaften mitplanen und mitbegleiten.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Voraussetzungen ändern sich in dieser Gesellschaft. Sie ändern sich mit der Energiewende, die Anforderungen werden andere, die Aufgaben ändern sich, und Gewerkschaften gehören maßgeblich zu den Gestalterinnen und Gestaltern dazu, um das mitzuprägen und die Beschäftigten in den Betrieben mitzunehmen. Klimaplan und Klimagesetz sind zu wenig. 600 Tonnen CO2 fehlen ganz in der Definition. Das ist zu wenig.
(Dirk Kienscherf SPD: Nein, mehr!)
Die Freiwilligkeit bei der Industrie ist zu blauäugig, wissenschaftlicher Fortschritt als Heilslehre zu unsicher, Klimaneutralität bis 2050 zu spät. Wir wünschen uns, 120 Prozent Zielerfüllung bei den Zielen zu definieren, damit auch einmal irgendetwas nicht klappen kann und die Menschen hinterher nicht ein Stakkato an Nachbesserungen erfahren müssen.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der SPD)
Eine Milliarde Euro zusätzliches Geld für zehn Jahre, das sind angesichts der Aufgabe Peanuts. Das, muss man wirklich sagen, ist zu wenig.
(Beifall bei der LINKEN)
Alles in allem haben wir das Gefühl, dass hier passend gemacht wurde, was nicht passen kann, dass der Stift bei der Formulierung zu früh aus der Hand gefallen ist und dass nicht genügend an Gerechtigkeit gedacht worden ist. Das ist nicht nachhaltig, das ist zu dünn, zu kurzsichtig und zu wenig.
Wir stimmen natürlich dem wichtigen Schritt der Verfassungsänderung zu. Wir werden das Klimagesetz nicht blockieren, denn die Expertinnen und Experten haben deutlich gesagt, es gehe in die richtige Richtung, aber es reiche nicht, um den Klimaschutz, um die Ziele von Paris umzusetzen. Deswegen werden wir uns auch an dieser Stelle enthalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber wenn Sie wollen, dass es besser klappt, haben Sie die Chance, unserem Zusatzantrag zuzustimmen.
(Dirk Kienscherf SPD: Der ist doch lächerlich! Das sind doch wieder Traumzahlen, die Sie da nehmen!)
Dafür werbe ich wirklich. Unser Zusatzantrag würde das Ganze runder machen. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN)