Schriftliche Kleine Anfrage: Die Entwicklung des Sauerstoffhaushalts in der Tideelbe in Verbindung mit Veränderungen von Wasserfläche und Wassertiefe im Hamburger Hafen

Stephan Jersch

Verlässlich fallen die Sauerstoffwerte an den Hamburger Messstationen jedes Jahr im Sommer unter 4 mg/l. Dies hat eine Beeinträchtigung der Fischfauna in der Elbe zur Folge. In einigen Jahren – wie zum Beispiel im Juli 2014 – kam es zum Massensterben von Fischen an der Hamburger Elbe. Wanderfischarten wie zum Beispiel die Meerforelle können die Wanderung zu ihren Laichplätzen in den Oberläufen nicht fortsetzen. Vor diesem Hintergrund ist das „Sauerstofftal“ auch im

Bewirtschaftungsplan zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an der Tideelbe 2015 als Beeinträchtigung von überregionaler Bedeutung bewertet worden:

Verlässlich fallen die Sauerstoffwerte an den Hamburger Messstationen jedes Jahr im Sommer unter 4 mg/l. Dies hat eine Beeinträchtigung der Fischfauna in der Elbe zur Folge. In einigen Jahren – wie zum Beispiel im Juli 2014 – kam es zum Massensterben von Fischen an der Hamburger Elbe. Wanderfischarten wie zum Beispiel die Meerforelle können die Wanderung zu ihren Laichplätzen in den Oberläufen nicht fortsetzen. Vor diesem Hintergrund ist das „Sauerstofftal“ auch im Bewirtschaftungsplan zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an der Tideelbe 2015 als Beeinträchtigung von überregionaler Bedeutung bewertet worden:
„Mitunter können allerdings so kritische Sauerstoffwerte erreicht werden, dass die Gefahr eines Fischsterbens besteht. Dann kann es insbesondere für aufwandernde oder abwandernde Fische zu einer zeitlich und räumlich dynamischen Beeinträchtigung der Wanderungen kom-men. So können beispielsweise wanderwillige Fische und Rundmäuler wie Aal, Lachs, Meer-forelle, Flunder, Fluss- und Meerneunauge das Sauerstofftal nicht oder nur zum Teil durchschwimmen und somit auch ihren Lebenszyklus entweder im Meer oder im oberhalb gelegenen Flussabschnitt nicht oder nicht rechtzeitig schließen. Dies ist dann der Fall, wenn unter bestimmten Voraussetzungen Wandertrieb und volle Ausprägung des Sauerstofftals zeitlich gesehen zusammenfallen. Als Folge sind Bestandsminderungen zu vermuten. Stehen in der Nähe des Sauerstofftals keine sauerstoffreicheren Flachwasserbereiche als Fluchtbiotope zur Verfügung, besteht die Gefahr von lokal ausgeprägtem Fischsterben. Für Wanderfische stellt das Sauerstofftal somit eine Beeinträchtigung  der ökologischen Durchgängigkeit mit überregionaler Auswirkung für die FGG Elbe dar.“ (Aktualisierung des Bewirtschaftungsplans nach § 83 WHG beziehungsweise Artikel 13 der Richtlinie 2000/60/EG für den deutschen Teil der Flussgebietseinheit Elbe für den Zeitraum von 2016 bis 2021, FGG Elbe 2015, S. 43.)

Unter anderem werden niedrige Oberwassermengen sowie eine aus dem Ober- und Mittellauf der Elbe stammende Nährstoffbelastung als Ursachen für die niedrigen Sauerstoffwerte im Sommer angeführt. Entscheidend wirkt jedoch der Ausbau der Tideelbe im Bereich des Hamburger Hafens. Durch diesen hat sich die spezifische Wasserfläche deutlich verringert und damit auch der atmosphärische Eintrag von Sauerstoff. Die Verweilzeit des Wassers hat sich dadurch wiederum deutlich erhöht – ebenso wie die davon abhängige Dauer der Sauerstoffzehrungsprozesse. Die Abnahme der spezifischen Wasseroberfläche im Hamburger Raum ist daher entscheidend für die schlechte Bewertung des Sauerstoffhaushaltes. Zahlreiche (Ausbau-)Maßnahmen wurden in den letzten Jahren im Hafen umgesetzt, die diese Situation verschärft haben.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1.    Welche Maßnahmen wurden seit dem 22.12.2000 im Oberflächenwasserkörper Elbe-Hafen genehmigt, die zu einem Verlust an Wasserfläche und damit Gewässerlebensraum geführt haben und/oder durch die die Wassertiefe vergrößert wurde? Wie bewertet der Senat die Auswirkungen der Maßnahmen auf den Sauerstoffhaushalt?
Bitte die Informationen tabellarisch aufführen für relevante Maßnahmen mit einem Verlust von Wasserflächen von mehr als 100 m² oder Flächen von mehr als 100 m², bei denen eine Vertiefung von mehr als 10 cm vorgenommen wurde.
Bitte zu den identifizierten Maßnahmen/Projekten aufführen:
- Projekttitel
- Verlust an Wasserfläche in Quadratmeter sowie die durchschnittliche Wassertiefe auf dieser Fläche
- Fläche in Quadratmeter, auf der eine Vertiefung erfolgte sowie die durchschnittliche Vertiefung in Meter
- Hinweis, wo weitere Details zur jeweiligen Maßnahme eingesehen werden können (Weblinks et cetera …).


Eine statistische Erfassung von Ausbaugenehmigungen nach den erfragten Charakteristika der ein-zelnen Projekte erfolgt durch die zuständige Planfeststellungsbehörde nicht. Die kurzfristige Durch-sicht der in Betracht kommenden umfangreichen Akten der letzten 15 Jahre ergibt die in der nachfol-genden Tabelle benannten Vorhaben. Ob bei den einzelnen Projekten jeweils der in der Frage enthal-tene Kennwert (Gewässerflächenverlust größer als 100 m2 bzw. Vertiefung um mehr als 10 cm bzw. veränderte Uferstrecke von mehr als 20 m) erreicht wird, konnte in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit  mit Ausnahme der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe nicht ermittelt werden.

 

ProjekttitelDatum der ZulassungCharakteristikum
Ersatz Dalbentiefwasserliegeplatz Finkenwerder09.09.2004Wasserflächenverlust
Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe23.04.2012Gewässervertiefung
Ausbau Liegeplatz Süderelbe Km 61609.07.2003Gewässervertiefung
Neubau Hochwasserschutzanlage Köhlfleet-Hafen05.04.2007Wasserflächenverlust
Neugestaltung Uferanla-gen Teufelsbrück24.09.2007Wasserflächenverlust
Kreuzfahrt-Liegeplatz Edgar-Engelhard-Kai (CCII)21.11.2008Gewässervertiefung; Wasserflächenverlust
Neubau Vorsetzen Hafenschleuse Harburg21.12.2010Wasserflächenverlust
Ertüchtigung Uferwand Finkenwerder Kutterhafen22.11.2010Wasserflächenverlust
Norderweiterung Containerterminal Altenwerder29.07.2014Wasserflächenverlust Gewässervertiefung
Erweiterung Liegewanne Jetty-Anleger Musicalzelt Steinwerder09.09.2014Gewässervertiefung
Ufersicherung Alte Fährnische Köhlbrand13.07.2012Wasserflächenverlust
Teilverfüllung Kirchpauerkai08.08.2013Wasserflächenverlust
Wiederansiedlung des Schierlingswasserfenchels im Alten Moorburger Hafen15.10.2015Wasserflächenverlust
Optimierung von Tidelebensräumen an der Spadenlander Spitze15.01.2016Gewässervertiefung

- Wie wirkt sich die Maßnahme nach Sicht des Senats auf den Sauerstoffhaushalt unabhängig von Erheblichkeitsschwellen aus – negativ, neutral, oder positiv?

Grundsätzlich bedeutet eine Verringerung der Wasseroberfläche auch eine Verringerung der Eintragsmöglichkeit von atmosphärischem Sauerstoff. Ebenso führt eine Vertiefung eines Gewässerbe-reiches zu einer Reduzierung der spezifischen Wasseroberfläche, d. h. dass das Verhältnis von Wasservolumen zu Wasseroberfläche ungünstiger wird. In diesem Fall reduziert sich die Wirksamkeit von atmosphärischem und biogenem Sauerstoffeintrag. Die Verfüllung von Hafenbecken bedeutet zudem einen Verlust an Lebensraum für aquatische Lebensgemeinschaften.


2.    Welche Maßnahmen/Projekte sind derzeit geplant, die sich wie unter 1. beschrieben, auswirken würden?
Bitte die Informationen (in diesem Fall Planzahlen/Schätzungen) wie unter 1. erwünscht aufführen.


Es sind derzeit keine Maßnahmen im Bereich des Oberflächenwasserkörper Elbe-Hafen geplant.

3.    Liegt eine Bilanzierung zur Entwicklung der spezifischen Wasseroberfläche im Oberflächenwasserkörper Elbe-Hafen seit 22.12.2000 vor?
Wenn ja, bitte diese der Antwort beizufügen.
Wenn nein, warum nicht?


Der Oberflächenwasserkörper Elbe-Hafen umfasst die Elbe ab der Harburger Eisenbahnbrücke (Sü-derelbe) und der Müggenburger Schleuse (Norderelbe) bis zum Mühlenberger Loch (vgl. auch http://www.hamburg.de/contentblob/4237768/data/d-landesinternerbericht-elbehafen.pdf  Eine Bilanzierung liegt nicht vor.

4.    Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf die Qualitätskomponenten (QK) der WRRL stellen nicht zwangsläufig eine Verschlechterung im Sinne von §27 WHG dar. Wie be-zeichnet der Senat die Maßnahmen, die sich negativ auf QK der WRRL auswirken, jedoch aus Sicht des Senats keine Verschlechterung nach §27 WHG darstellen?

Wie bereits in Drs. 21/2597 ausgeführt, war bis zur Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 1. Juli 2015 zur Weservertiefung nicht geregelt, in welcher Weise das Verschlechterungsverbot und das Ver-besserungsgebot im wasserwirtschaftlichen Vollzug umzusetzen sind. Die Prüfung von Maßnahmen, deren Umsetzung seit dem 1.Juli 2015 vorgesehen ist und die die oben stehenden Bedingungen erfüllen, ist noch nicht abgeschlossen.

5.    Inwieweit werden Maßnahmen, die sich negativ auf die QK der WRRL auswirken, bei der Bewirtschaftungsplanung der WRRL in Hinblick auf die Bewertung des aktuellen Zustands der Oberflächenwasserkörper und der Zielerreichung berücksichtigt?

Siehe  Drs. 21/2597.

6.    Im Jahr 2008 fand im Bürgerhaus Wilhelmsburg ein Workshop der ARGE Elbe zum Sauerstoffhaushalt in der Tideelbe statt. In 2011 „konnte eine nicht-erschöpfende Vor-schlagsliste zur Verbesserung der Sauerstoffsituation aufgestellt werden, die die Vor-schläge, Visionen und Anregungen des FGG Elbe/ARGE ELBE Workshops „Sauerstoff-haushalt der Tideelbe“ von 2008 untersetzt“ (Hintergrunddokument zur wichtigen Wasserbewirtschaftungsfrage „Verbesserung von Gewässerstruktur und Durchgängigkeit“, FGG Elbe 2015, S. 28). Sind die 2008 und 2011 erarbeiteten Maßnahmenlisten der Öf-fentlichkeit zugänglich?
Wenn ja, wo?
Wenn nein, warum nicht?

7.    In welcher Art und Weise wurden die Erkenntnisse und konkreten Handlungsvorschläge aus dem Workshop von 2008 und 2011 seitdem weiter-verfolgt beziehungsweise umgesetzt?


Die auf dem FGG Elbe/ARGE ELBE Workshops „Sauerstoffhaushalt der Tideelbe“ am 22. April 2008 vorgestellten Präsentationen finden sich auf der Web-Seite der Flussgebietsgemeinschaft Elbe unter:
http://www.fgg-elbe.de/veranstaltungen/workshops-der-ehem-arge-elbe.html
Bei der „nicht-erschöpfenden Vorschlagsliste“ handelt es sich um das Ergebnis eines Arbeitsauftrages des FGG Elbe-Koordinierungsraums Tideelbe (KOR TEL). Diese Liste wurde in das Dialogforum Tideelbe eingebracht und dort in den Fachforen behandelt.

Die in der Liste aufgeführten Punkte wurden in den Fachforen des Dialogforum Tideelbe behandelt und sind in den Ergebnisbericht eingeflossen. Siehe hierzu:
http://www.dialogforum-tideelbe.de/wp-content/uploads/2015/07/Ergebnisbericht-des-Dialogforums-Strombau-und-Sedimentmanagement-Tideelbe.pdf

In der vom Senat angestrebten Gründung einer Ästuarpartnerschaft mit den Nachbarländern, Behörden des Bundes, Gemeinden und Verbänden soll über die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Dialogforums beraten werden.