Debatte: Hamburg braucht einen Neustart für den Wirtschaftsstandort!

Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft am 16. Oktober 2024 auf Antrag der CDU-Fraktion. Für die Linksfraktion stieg neben Norbert Hackbusch und Olga Fritsche auch der umweltpolitische Sprecher Stephan Jersch in die Debatte mit ein.

Hier die Rede im Wortlaut:

Aktuelle Stunde: Hamburg braucht einen Neustart für den Wirtschaftsstandort!

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hier
sind an einzelnen Beispielen viele Versatzstücke
der Hamburger Wirtschaft und darüber hinaus auf-
geführt worden, deswegen möchte ich bei einem
ansetzen: dem Flughafen. Bei den einen hat man
das Gefühl, sie möchten in Hamburg unbedingt ein
49-Euro-Ticket für eine der sozial am schlimmsten
wirtschaftenden Fluglinien einführen: für Ryanair.
Dazu kann ich nur sagen: Auch Wirtschaftsangebo-
te müssen eine gewisse Qualität beinhalten. Nach-
haltigkeit – und dazu bekennen sich diese Stadt
und eigentlich fast alle Fraktionen hier – besteht
aus einer ökonomischen, einer ökologischen und
einer sozialen Komponente.
(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der
SPD und bei Zohra Mojadeddi GRÜNE)

Da will ich gern auf die SPD zurückkommen: In
der letzten Legislaturperiode haben wir kritisiert,
dass ein öffentliches Unternehmen dieser Stadt,
die AHS am Flughafen, in der Einstiegslohngrup-
pe tatsächlich unter Mindestlohn gezahlt hat. Dank
gewerkschaftlicher Kämpfe ist das mittlerweile Ge-
schichte. Nichtsdestotrotz hat ein Vertreter der SPD
damals im Ausschuss tatsächlich geäußert, dass,
wenn höhere Löhne gezahlt werden würden, die
Wettbewerbsfähigkeit am Flughafen gefährdet sei.
Drei Säulen: Das müssen Sie sich wirklich einprä-
gen.

Was den Fachkräftemangel angeht, gerade im
Gastro- und Hotelgewerbe, ist auch dort die sozia-
le Säule eine sehr wichtige: Arbeitsschutz, Löhne,
Tarifbindung, all das gehört dazu. Erst wenn das
stimmt, wächst die Wirtschaft in einem gesunden
Maß und vor allem für alle sozial verantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN)

In der letzten oder vorletzten Woche musste ich
mir beim politischen Frühstück der Bergedorfer
Wirtschaft die Klagen über die Beschäftigung aus-
ländischer Arbeitnehmer – wenn sie denn nach
Deutschland kommen – anhören, die gar kein Ende
genommen haben: über das Welcome Center, über
Hamburg Service. Wenn sich ein Gewerbetreiben-
der in Hamburg tatsächlich Schmerzen antun will,
dann muss er nur versuchen, eine ausländische
Arbeitskraft als Fachkraft bei sich im Betrieb anzu-
stellen. Das kann doch nicht wirklich sein, wenn
man auf der anderen Seite den Fachkräftemangel
beklagt.
(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Stephan Jersch DIE LINKE:
Natürlich.

Stephan Jersch DIE LINKE (fortfahrend):
Lieber Kollege Lorenzen, danke für den Auf-
schlag. Natürlich ist es gerechtfertigt, dass man
– wenn man tatsächlich sozial verantwortlich
und wirtschaftlich, auf Wachstum ausgerichtet, wirt-
schaftet – an dieser Stelle auch Kosten, soziale
Kosten hat. Diese sind aber nicht negativ zu se-
hen, sondern als etwas, das der Gesellschaft et-
was bringt und das die Menschen in einer teuren
Stadt wie Hamburg brauchen. Daher völlig klar: Wir
haben uns zu der Gebührenerhöhung nicht weiter
geäußert, aber ich bin der Meinung, dass Fliegen
seine Umwelt- und Sozialkosten dann auch wert
sein und diese entsprechend einspielen muss.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei
den GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber noch ein ewiges Thema
anführen: die OECD-Studie zu Metropolregionen.
Wenn man sich diese und die Zwischenbericht-
erstattung zu den Ergebnissen anguckt, die so ge-
lobt worden ist, dann muss man sagen: Bewegung
kann man in diesem Zusammenhang eigentlich nur
in Superzeitlupe feststellen, weil die Umsetzung an-
sonsten nach wie vor – obwohl sie wichtig für die
wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt wäre, auch
für Forschung und Wissenschaft – arg im Nach-
gang ist.

Daher loben Sie von Rot-Grün sich nicht zu sehr;
sehen Sie alle Aspekte – vor allem den sozialen. –
Danke.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe)