Systemfehler Lützerath: Fehler der Klimapolitik jetzt korrigieren!

Die Linksfraktion hat für die Aktuelle Stunde der Bürgerschaftssitzung „Systemfehler Lützerath – Fehlentscheidungen in der Klimapolitik überall aufheben“ angemeldet. "Der Name Lützerath steht für all die fehlenden Entscheidungen und die Fehlentscheidungen, die eine wirksame Klimapolitik verhindern. Und da trägt auch Hamburg einen breiten Strauß bei“, sagt Stephan Jersch, umwelt- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.

  • Die AKTUELLE STUNDE "Systemfehler Lützerath - Fehlentscheidungen in der Klimapolitik überall aufheben" (angemeldet von der Fraktion DIE LINKE) ist hier in der Mediathek der Bürgerschaft in voller Länge als Video online. Den Auftakt zur Debatte machte Stephan Jersch mit diesem Beitrag (Video-Link). Im Verlaufe der Debatte sprach Jersch auch in einem zweiten Beitrag zu der Räumung von Lützerath und dem unverhältnismäßigen Einsatz der Polizei sowie der absurden Politik, mit der RWE weiterhin Umwelt und Klima durch den Abbau und das Verbrennen von Braunkohle zerstört. Die Rede im Wortlaut gleich unten im Anschluss zum nachlesen:

"Und Lützerath steht für die gerade auch hier in Hamburg vertretene Linie, dass Klimapolitik sich rechnen muss und dass Ökonomie immer noch vor Ökologie kommt. Die Blockadehaltung bei der Stadtbahn, das Festhalten an der A26 Ost, die Privatisierung der aufzubauenden Wasserstoffwirtschaft und der verstärkte Kohleeinsatz sind nur ein paar der unterlassenen Möglichkeit, schnell für das Klima zu handeln. Hamburg braucht ordnungspolitische Vorgaben – die Senatshaltung des Wartens auf ein Wunder passt eher zur katholischen Kirche als zu einer ambitionierten Klimapolitik.“

Stephan Jersch in seiner Rede: "Die Zeit für wirkungsvolles und erfolgreiches Handeln zur Erreichung des 1,5 Grad-Klimaziels rinnt uns durch die Hände. Zehntausende haben in den vergangenen Tagen gezeigt, dass solches Falsch- und Nichthandeln nicht hingenommen wird. Und dabei hat der Senat dann auch noch mit dem Aufhalten eines Busses und der Feststellung der Personalien der Demonstrant:innen das falscheste aller möglichen Zeichen gesetzt. In diesem Bus hätten Senator Kerstan und Bürgermeister Tschentscher selbst sitzen müssen – das wäre ein richtiges Zeichen gewesen!“

Rede im Wortlaut:

Aktuelle Stunde: Systemfehler Lützerath – Fehlentscheidungen in der Klimapolitik überall aufheben

Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lüt-
zerath, ein kleines Dorf im Rheinland, in der Bür-
gerschaft in Hamburg als Thema. Braunkohle, seit
der Schließung des Bergwerks Robertshall in Ham-
burg eigentlich doch kein Thema mehr für Ham-
burg, außer dass ich persönlich wöchentlich erwar-
te, dass der Erste Bürgermeister die Forderung er-
hebt, Robertshall wieder zu eröffnen, umweltaffin,
wie er sich immer wieder in seinen Äußerungen
gibt.

Lützerath ist ein Symbol, ein Kumulationspunkt für
jahrzehntelange falsche Umwelt- und Energiepoli-
tik, nicht nur der letzten jetzt 16 Jahre, wie die
GRÜNEN in ihrer Anmeldung festgestellt haben.
(Glocke)

Stephan Jersch DIE LINKE:
Alles klar.
(Zuruf: Wir müssen vorspulen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lüt-
zerath, ein kleines Dorf im Rheinland, in der Bür-
gerschaft ein Thema. Braunkohle, seit der Schlie-
ßung des Bergwerks Robertshall in Hamburg ei-
gentlich doch kein Thema mehr in Hamburg, außer
dass ich persönlich eigentlich wöchentlich die For-
derung des Ersten Bürgermeisters zur Wiederinbe-
triebnahme erwarte, umweltaffin, wie er sich immer
wieder äußert.

Lützerath ist ein Symbol, ein Kumulationspunkt für
jahrzehntelange falsche Umwelt- und Energiepoli-
tik, nicht nur in den letzten Jahren, wie die GRÜ-
NEN in ihrer Anmeldung feststellen.

Lützerath, das ist für mich persönlich drei Dörfer
weiter von dem Ort, in dem ich in den Siebziger-
und Achtzigerjahren groß geworden bin. Allein dort
sind seit 1980 15 Dörfer vernichtet worden, und das
ist nur einer von sieben Tagebauen. Die Verhee-
rung, die diese Energiepolitik hervorgerufen hat,
geht weit über die Klimafrage hinaus. Heute aber
bringt die Klimakatastrophe die Politik im Schleich-
gang und das Symbol Lützerath die Widersprüche
zutage und viele Menschen zum Handeln.
Lützerath steht für die Kumpanei der Politik mit dem
Kapital.
(Dirk Nockemann AfD: Oh ja, das sagen Sie
mal!)

Es steht dafür, dass das Hemd aus Dividenden Po-
litik und Kommunen näher ist als die Hose der Kli-
marettung, und leider gilt dies auch für die GRÜ-
NEN in Nordrhein-Westfalen. Dieser Systemfehler
ist auch in Hamburg festzustellen. Notwendiges
grundgesetzkompatibles Handeln verschwindet in
der Ökonomieschublade. In Hamburg ist es an ei-
nem Punkt, an Moorburg, so eine Art Lützerath der
Hamburger GRÜNEN, durch externe Faktoren noch
einmal halbwegs gutgegangen. Allerdings war auch
hier die Teilhabe an der Macht werthaltiger als das
Klima.

Die Liste der Dinge, die wider alle Klimavernunft
beschlossen oder nicht beschlossen wurden und
die Lützerath auch für Hamburg zum Symbol ma-
chen, ist in Hamburg leider nicht kurz: Wir haben
den Bau der A26-Ost, den Verzicht auf die Stadt-
bahn, das Verweigern flächendeckender Tempo-30-
Zonen,
(Dirk Nockemann AfD: Lützerath?)

die auch vom Klimabeirat kritisierte Baupolitik in
Hamburg, das lange Verschleppen des Umstiegs
auf erneuerbare Energien und das Setzen auf Erd-
gas als Brückentechnologie, die jahrzehntelange
Fotovoltaik-Paralyse in Hamburg, der mangelnde
Wille, Windenergie in Hamburg voranzubringen, die
Verweigerung der autoarmen Innenstadt, die
Schonzone Hafen und der Landstrom, die lange
vertrödelte Geothermie und die jetzt geplante Kos-
metik der Verursacherbilanz der CO2-Emissionen.
Die Zeit für wirkungsvolles, erfolgreiches Handeln
für das 1,5-Grad-Ziel rinnt uns durch die Hände.
Zehntausende haben gezeigt, dass solche Falsch-
und Nichthandlungen nicht hingenommen werden.
Und mit dem Aufhalten eines Demonstrationsbus-
ses und der Feststellung der Personalien der De-
monstrierenden in Hamburg setzt der Senat das fal-
scheste aller möglichen Zeichen.
(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Bus hätten Senator Kerstan und Bürger-
meister Tschentscher selbst sitzen müssen. Das
wäre das richtige Zeichen für Hamburg gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)

Hamburgs Klimapolitik wirkt in Teilen wie eine Au-
ßenstelle der katholischen Kirche. Das Warten auf
ein Wunder wurde und wird immer noch den klaren
ordnungspolitischen Vorgaben vorgezogen. Lüt-
zerath muss als Symbol Anstoß für eine endlich
wirkungsvolle Klimapolitik in Hamburg werden.
(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn das Sterben und der Tod Lützeraths zu-
mindest das bewirken könnte, bei allen Fehlern, für
die Zukunft wäre etwas gewonnen.

Deswegen ist es besonders wichtig, endlich mit der
zweiten Überarbeitung den Klimaplan, wie es im-
mer prophezeit wird, zu einem wirksamen Mitmach-
projekt für Hamburg zu machen. Wir haben nur
noch diese eine Chance,
(Dirk Nockemann AfD: Letzte Generation
Jersch!)
und dafür steht Lützerath. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)

Zweite Rede zur Debatte im Wortlaut:

Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es
reizt mich, zu einigen Sachen was zu sagen, insbe-
sondere zu denen, an denen mal wieder klar wird,
wo eigentlich der Systemfehler liegt. Ich glaube, da
war der Kollege Mohrenberg ganz weit vorn in der
Darstellung des Systemfehlers nicht nur in Ham-
burg, aber gerade auch. Wenn der Kollege Mohren-
berg erwähnt, dass man vor acht Jahren schon
überlegt hätte, wie man von der Kohle wegkommt,
dann kann ich nur sagen: Gleichzeitig hat der da-
malige Erste Bürgermeister und heutige Bundes-
kanzler lächelnd den roten Startknopf für die Inbe-
triebnahme von Moorburg gedrückt, ohne sich dafür
anzukündigen, dass er natürlich auch als Erster auf
dem Bagger sitzen wird, der Moorburg abreißt. So
unehrlich kann man mit dem Kohleausstieg und der
Dekarbonisierung nicht umgehen. Das sind die Wi-
dersprüche, die auch draußen bei der Bevölkerung
ankommen.

Der andere Widerspruch ist: Die Kommunen, die
Landschaftsverbände im Rheinland, in NRW, profi-
tieren von dieser Kohlepolitik, indem sie die Divi-
dende von RWE kassieren. So weit, so gut. Ham-
burg hat lange Zeit davon profitiert, dass Vattenfall
für das Fernwärmenetz eine garantierte Gewinnab-
gabe in den Haushalt abgeführt hat. Das konnte
erst durch den gewonnenen Volksentscheid zur Re-
kommunalisierung gestoppt werden, und dorthin
gehört so etwas: in die öffentliche Hand.
(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sehe ich es doppelt kritisch, wenn die
Wasserstoffindustrie, die Wasserstoffwirtschaft in
Hamburg jetzt wieder privatrechtlich organisiert
werden soll. Diesen Fehler sollte man nicht von An-
fang an wieder aufs Neue machen.
(Beifall bei der LINKEN – Dennis Thering
CDU: Haben Sie nicht verstanden, oder?)

Nur ganz kurz zum Kollegen Gamm mit seinem
energiepolitischen Dreiklang: Lieber Kollege, da
fehlt tatsächlich der Vierklang. Der vierte Klang sind
die fetten Profite für die Energieindustrie. Dann wird
ein CDU-Schuh daraus.
(Stephan Gamm und Dennis Thering CDU:
Jaja, ja! – Dennis Gladiator CDU: Es geht um
Glaubwürdigkeit!)

Um dann etwas zu dem zu sagen, was ich hier von
Frau von Treuenfels-Frowein, aber auch vom Kolle-
gen Gamm bezüglich der GRÜNEN gehört habe:
Ich habe Respekt vor den vielen Mitgliedern der
GRÜNEN, die da draußen auf die Straße gegangen
sind und ihre eigene Meinung vertreten haben.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe keinen Respekt vor denen, die meinen,
Parteipolitik ist Kadavergehorsam. Da haben Sie
Demokratie falsch verstanden.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei
den GRÜNEN)

Grundsätzlich würde ich sagen: Wir brauchen
Haushaltsmittel für das 70-Prozent-Ziel. Und des-
wegen: Warum nicht ein Sondervermögen Klima-
schutz für Hamburg? Denn nur wenn wir das Geld
haben, ist es auch umsetzbar. Lieber Kollege Moh-
renberg, das haben Sie als Einschränkung ge-
nannt. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)