Teure Energiewende, aber wer zahlt die Zeche?
## Von Stephan Jersch und Janine Burkhardt, Fraktionsreferentin für Umwelt-, Klima-, Energie- und Hafenpolitik. ##
Hamburg vereint – mit Herz und Verstand« titeln SPD und GRÜNE in ihrem dritten Hamburger Koalitionsvertrag. Doch was steckt energie- und klimapolitisch für die Menschen in Hamburg drin? Beide wollen die Energie- und Wärmeversorgung sozialverträglich machen. Im Koalitionsvertrag sucht man entsprechende Maßnahmen aber eher mit der Lupe.
- Dieser Artikel ist im Mai 2025 im gemeinsamen Bürger*innenbrief von Heike Sudmann und Stephan Jersch veröffentlicht. Der Bürger*innenbrief kann kostenlos per Email (Betr. "Kostenloses Abo Bürger+innenbrief) abonniert werden.
Dabei hält die Freie und Hansestadt viele Zügel in der Hand. Die Energienetze Hamburgs sind weitgehend in öffentlicher Hand. Und das ist nicht der SPD zu verdanken, die sich dafür allerdings in ihrem Wahlprogramm auf die Schulter klopft. Es waren die Hamburger*innen, die 2013 im Rahmen des Volksentscheids »Unser Hamburg unser Netz« dafür votiert hatten, genau diesen Schritt zu unternehmen. Die SPD war damals strikt dagegen, aber vielleicht, nein, offenbar erinnert sie sich nicht mehr daran.
Klar ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ein wesentlicher Bestandteil der Klimapolitik und unverzichtbar für die Erreichung der Klimaziele ist. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass bereits jetzt bekannt ist, dass das 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung nicht mehr erreicht werden kann. Die Koalition in Hamburg beruft sich in ihrem Koalitionsvertrag auch nicht mehr auf das Pariser Klimaabkommen, sondern gibt sich mit dem derzeitig geltenden Klimaplan und dem vor etwas mehr als einem Jahr beschlossenen Klimaschutzgesetz zufrieden. Damit schwächt Rot-Grün das 1,5-Grad-Ziel auf nun 1,75-Grad ab (bei einer 67-prozentigen Wahrscheinlichkeit, das auch zu erreichen).
Insbesondere im Hinblick auf die Klimaziele Hamburgs wurde die rot-grüne Koalition schon in der Vergangenheit nicht müde zu betonen, dass die Erreichung der Ziele vor allem vom Bundesstrommix abhänge, d.h. davon, wie viel fossile Energie noch im Strom stecke. Dabei kehrt Rot-Grün unter den Teppich, dass Hamburg selbst überwiegend Strom und vor allem Wärme aus fossilen Energieträgern produziert.
So wurden im Jahr 2024 in Hamburg nach vorläufigen Angaben der Netzbetreiber rund 1,5 Mio. Megawattstunden (MWh) Strom eingespeist, von denen 0,9 Mio. MWh aus fossilen Energieträgern stammen (65 %). Zuletzt hat die Stadt den vorletzten Platz im Vergleich mit den anderen Bundesländern in Sachen Ausbau erneuerbarer Energien belegt.
Dabei hätte die Elbmetropole viel Potenzial, doch sie macht bisher nur wenig daraus. Eine Photovoltaik- (PV-) Strategie, die bisher nicht existiert, sowie die Verpflichtung zur Errichtung von PV-Anlagen bei Dachsanierungen sollen dazu beitragen, dass der Zubau für Strom aus Sonnenenergie wächst. Vorbild sollen die öffentlichen Gebäude sein, auf deren Dächern mehr PV-Anlagen installiert werden müssen. Gerade bei der PV-Pflicht können die Kosten für die Installation der PV-Anlagen auf die Miete umgeschlagen werden.
Gezwungenermaßen soll auch die Windenergie in Hamburg ausgebaut werden. Die rot-grüne Koalition plant, 0,5 Prozent der Landesflächen, die nach dem Bundeswindenergieflächenbedarfsgesetz auszuweisen sind, bereits bis Ende 2027 zu realisieren. Gleichzeitig wird an einem Bürgerenergiegesetz gearbeitet, mit dem auch die Umsetzung von Bürgerenergieprojekten in Hamburg gefördert werden soll. Dieses Bürgerenergiegesetz soll noch vor der Sommerpause fertiggestellt werden.
Die Linksfraktion begrüßt, dass die Beteiligung der Hamburger*innen endlich in Angriff genommen wird. Die Energiewende kann tatsächlich nur gelingen, wenn die Menschen in Hamburg mitgenommen und beteiligt werden und das auch nur, wenn sie sozialverträglich ausgestaltet wird. Aber gerade da hapert es. So sind in den letzten Jahren die Energiekosten u.a. im Zuge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine bedeutend schneller als die Realeinkommen gestiegen. Viele Menschen leiden unter Energiearmut. Das heißt, dass sie mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen.
In Hamburg, wie auch anderswo, steigen die Preise für Energie kontinuierlich an. Ob Strom oder Fernwärme, Preissteigerungen sind die neue Normalität. Nachdem bereits die privaten Wärmenetzbetreiber in den letzten Jahren schamlos ihre Kund*innen ausgenommen haben, will jetzt auch das städtische Unternehmen, die Hamburger Energiewerke (HEnW) die Preise für rund 260.000 Hamburger Haushalte um satte 30 Prozent erhöhen. Grund hierfür sind hohe Investitionskosten in der Wärmewende.
In den vergangenen Jahren wollte die rot-grüne Koalition eigentlich mit einem Härtefallfonds verhindern, dass Hamburger Haushalten der Strom oder Gas abgestellt wird. Die Energiesperren (Strom, Gas, Wasser) sind jedoch wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. So wurde im Jahr 2024 genau 6145-mal der Strom, 41-mal das Gas und 549-mal das Wasser abgestellt – trotz Härtefallfonds. Der Härtefallfonds war am Bedarf vorbei geplant und wurde nur in 75 Fällen tatsächlich genutzt. Die Linksfraktion hat ihn als »viel zu kompliziert und viel zu unbekannt« kritisiert und Bezieher*innen von Sozialhilfe konnten ihn erst gar nicht nutzen. Ohne Strom sind alltägliche Handlungen wie Kochen oder Duschen nicht möglich. Das ist für viele von uns kaum vorstellbar.
Die Energiekosten werden, neben den Mietkosten, für viele Menschen in Hamburg immer mehr zu einer Belastung
bzw. zu einer Existenzfrage. Der Staat kann handeln und die Energiepreise von Netzentgelten befreien, damit sich Energiesperren erledigen. Noch besser wäre es, die Energiepolitik an sozialen Kriterien auszurichten. Unser Vorschlag ist ein kostengünstiges Grundkontingent an Energie. Verbräuche, die über diesem Grundkontingent liegen, wären dann deutlich teurer. Dies würde dafür sorgen, dass der Anreiz zum sparsamen Umgang mit Energie bestehen bliebe. Mit diesem Vorgehen ließen sich die Energiekosten für Privathaushalte mit geringem Einkommen sofort senken. Die Mittel für eine sozialverträgliche Energiewende sind vorhanden, allein der politische Wille fehlt der Hamburger Koalition bisher.