Antrag: Hamburg sagt Nein zu CETA und TTIP

Stephan Jersch
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Der Senat wird ersucht,

1. eine Stellungnahme zu seinem Stand der Informationen zu CETA und TTIP und über die Positionen des Senats so schnell wie möglich, jedoch spätestens zum 31.12.2016, in die Bürgerschaft einzubringen,

2. im Bundesrat eine Initiative einzubringen, CETA zu stoppen und/oder Initiativen zu unterstützen, die dieses Ziel verfolgen,

3. im Bundesrat eine Initiative einzubringen, die Verhandlungen zu TTIP zu stoppen und/oder im Bundesrat Initiativen zu unterstützen, die dieses Ziel verfolgen.

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode
Drucksache 21/5648 | 22.08.16

Antrag
der Abgeordneten Martin Dolzer, Stephan Jersch, Cansu Özdemir, Heike Sudmann, Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik, Norbert Hackbusch, Inge Hannemann, Christiane Schneider und Mehmet Yildiz (DIE LINKE)


Betr.:

Hamburg sagt Nein zu CETA und TTIP

Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) liegt seit September 2014 ausverhandelt vor. Bei diesem Abkommen, ebenso wie bei dem derzeit in Verhandlung befindlichen Handelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP), geht es im Kern um die Harmonisierung beziehungsweise die Angleichung von sogenannten nicht tarifären Handelshemmnissen zwischen den Staaten. Darunter fallen etwa Gesetze, Verordnungen, Umwelt- und Sozialstandards, Gesundheits- und Verbraucherschutzregeln sowie technische Normen. Dieser Angleichungsprozess birgt die Gefahr der Absenkung der jeweiligen Standards, denn die geplanten Regelungen verfolgen das Ziel, das höchste Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau zu erreichen.

Die Abkommen CETA und TTIP berühren dabei Bereiche, in denen Hamburg als Bundesland über eigene Kompetenzen verfügt.

  1. Privilegierte Rechte für Unternehmen, Banken und Konzerne durch Investitionsschutzklauseln und Streitschlichtungsverfahren hebeln demokratische Entscheidungen aus.
    CETA beinhaltet die Möglichkeit von Investor-Staat-Klagen, auch TTIP soll dies in leicht abgewandelter Form ermöglichen. Konzerne erhalten damit das Recht, die Vertragsstaaten vor einer internationalen Schiedsstelle zu verklagen, wenn durch Gesetze eine „direkte oder indirekte Enteignung“ oder der Verlust von erwarteten Gewinnen droht. Damit wird in rechtsstaatlichen Gesellschaften eine parallele Rechtsstruktur jenseits demokratischer Kontrolle geschaffen. Hamburg hat bereits negative Erfahrungen mit der Klage Vattenfalls vor einer Schiedsstelle gegen Umweltauflagen des Senats bei der Betriebsgenehmigung für das Kohlekraftwerk Moorburg gemacht.
  2. Durch CETA und TTIP werden die Parlamente weiter geschwächt und demokratische Entscheidungen ausgehebelt.
    Noch bevor sich gewählte Parlamente mit Themen beschäftigen, werden diese in einem internationalen Expertengremium erläutert. Das Gremium soll die Harmonisierung und Abstimmung von Regulierungen zwischen den Staaten vorantreiben und Auswirkungen von geplanten Gesetzen auf den Handel zwischen Kanada und der EU bewerten.
    Damit werden Parlamente weiter geschwächt und Konzerne und Lobbygruppen erhalten noch mehr Einfluss auf Gesetzentwürfe. Auf diese Weise werden weitere Gremien außerhalb demokratischer Kontrolle geschaffen. Sie können Regeln für die Umwelt, den Verbraucherschutz oder Arbeitsstandards verhindern, noch bevor Abgeordnete davon erfahren. Die Entscheidungs-, Kontroll- und Impulskraft der Parlamente wird auf diese Weise erheblich eingeschränkt.
  3. Eine (weitere) Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge gefährdet soziale und ökologische Standards.
    Mit CETA soll die Auftragsvergabe für öffentliche Güter und Dienstleistungen mit Auftragswerten, die über relativ niedrigen Schwellenwerten liegen, für Bieter aus Kanada offen sein.
    Transnationale Konzerne mit einer Niederlassung in Kanada oder, bei TTIP, den USA, die sich um Aufträge der Freien und Hansestadt Hamburg und ihrer öffentlichen Unternehmen bewerben, können auf Basis des Abkommens gegen die Koppelung der Auftragsvergabe an die Einhaltung von sozialen oder ökologischen Kriterien vorgehen. Aufgrund der sogenannten Stillstands- und Sperrklinken-Klauseln können einmal vorgenommene Deregulierungen, Liberalisierungen und Privatisierungen zudem nicht mehr zurückgenommen werden.
  4. CETA und TTIP würden die regionale Wirtschaftsförderung insbesondere kleiner und mittelständischer Betriebe negativ beeinflussen.
    Die internationale Ausschreibung erschwert die regionale Wirtschaftsförderung. Mittelständische Unternehmen vor Ort dürfen bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht mehr bevorzugt werden. Damit droht eine Schwächung lokaler Unternehmen.
    Verfahrenskosten bei Schiedsgerichtsverfahren von durchschnittlich 8 Millionen US-Dollar bevorzugen finanzstarke Großkonzerne. Damit werden ungleiche Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsunternehmen in Deutschland etabliert.
  5. TTIP und CETA gefährden die kulturelle Vielfalt weltweit.
    Ein Ziel von CETA und TTIP ist die Liberalisierung aller Dienstleistungen, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Auch öffentliche Dienstleistungen in den Bereichen Bildung, Soziales oder Kultur sind potenziell davon betroffen.
    Der Deutsche Kulturrat befürchtet eine Einschränkung der kulturellen Vielfalt durch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit nicht englischsprachiger Kulturgüter. Private Investoren hätten über eine Niederlassung in Kanada über CETA die Möglichkeit, die Kulturförderung anzugreifen und eine Gleichbehandlung mit öffentlichen Theatern einzuklagen.
  6. Der schwache Schutz von Arbeitnehmerrechten in den USA bedroht in Europa gewerkschaftlich erkämpfte Rechte. Die Anhebung gesetzlicher Mindestlöhne könnte zu Schadenersatzklagen wegen entgangener zukünftiger Profite führen.
  7. Durch die in den Abkommen geplante Angleichung besteht die Gefahr, dass neue gesetzliche Regelungen für den Umweltschutz, zum Beispiel ein Verbot von Fracking oder Einschränkungen für Kohle- und Atomkraftwerke, zu Schadenersatzforderungen führen können.
  8. In den USA droht bei Abschluss des Abkommens eine Absenkung der zaghaften Ansätze zur Regulierung der Finanzmärkte auf europäisches Niveau. Umgekehrt kann die Einführung einer in Europa diskutierten Finanztransaktionssteuer dem Handelsabkommen zum Opfer fallen.
  9. Die Forderung nach „Harmonisierung“ sozialer und ökologischer Standards drängt auf eine Angleichung nach unten. Die Geheimhaltung und die Dominanz der Wirtschaftslobby bei den Verhandlungen sprechen dafür, dass genau dies beabsichtigt ist.

Insgesamt sind CETA und TTIP nicht geeignet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen fairen Welthandel unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien fördern. Im Gegenteil, die gesellschaftlichen wie auch finanziellen Risiken des Abkommens für Hamburg übersteigen in hohem Maße etwaige wirtschaftliche Vorteile. Darüber hinaus wird durch einen starken Handelsraum mit Kanada und vor Allem den USA, in dem durch CETA und TTIP die Produktionskosten zu Ungunsten der Arbeitnehmer/-innen weiter sinken, die asymmetrische Weltwirtschaft weiter zu Ungunsten der Staaten in Afrika und dem Mittleren Osten verschoben – die so noch stärker als bisher daran gehindert werden, funktionierende Volkswirtschaften aufzubauen. Das führt zwangsläufig in eine sich immer weiter zuspitzende Krise, die in Kriegen und weltweiten Fluchtbewegungen münden kann.

Petitum:

Der Senat wird ersucht,

  1. eine Stellungnahme zu seinem Stand der Informationen zu CETA und TTIP und über die Positionen des Senats so schnell wie möglich, jedoch spätestens zum 31.12.2016, in die Bürgerschaft einzubringen,
  2. im Bundesrat eine Initiative einzubringen, CETA zu stoppen und/oder Initiativen zu unterstützen, die dieses Ziel verfolgen,
  3. im Bundesrat eine Initiative einzubringen, die Verhandlungen zu TTIP zu stoppen und/oder im Bundesrat Initiativen zu unterstützen, die dieses Ziel verfolgen.