Für Energiesicherheit, gegen Gasmangel: Ham- burg geht voran bei der Bewältigung von Energiekrise und Folgen der Klimakatastrophe

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Am 24. August debattierte die Bürgerschaft in der Aktuellen Stunde: "Für Energiesicherheit, gegen Gasmangel: Hamburg geht voran bei der Bewältigung von Energiekrise und Folgen der Klimakatastrophe". Auch Stephan Jersch nimmt in der Debatte für die Linksfraktion Stellung. (Foto: Michael Zapf, Bürgerschaft)

  • Die Debatte in der Aktuellen Stunde "Für Energiesicherheit, gegen Gasmangel: Hamburg geht voran bei der Bewältigung von Energiekrise und Folgen der Klimakatastrophe" ist hier in voller Länge in der Mediathek der Bürgerschaft online. Der Beitrag von Stephan Jersch ist direkt hier als Video.

Die Rede im Wortlaut:

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die
russische Aggression in der Ukraine hat die fatalen
Schwächen der Energiepolitik, aber auch der Sozi-
alpolitik in Deutschland offenbart, das Versagen der
sozialökologischen Transformation. Und das stürzt
viele Bürgerinnen und Bürger in ganz konkrete
Existenzängste. Wenn wir über Energiesicherheit
und den Gasmangel sprechen, dann müssen wir
doch feststellen, dass es die Politik dieses Senats
war, die den Kohleausstieg mit Erdgas als Brücken-
technologie zu bewerkstelligen versucht hat. Heute
stehen wir vor einem fatalen Brückeneinsturz dieser
Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Und der Umweltsenator setzt noch einen drauf, in-
dem sein Gieren nach einem LNG-Terminal dem
Ganzen die Krone aufsetzt. Eine völlig rückwärtsge-
wandte Energiepolitik, die wir hier feststellen müs-
sen.

(Zuruf von Krzysztof Walczak AfD)

Ich sage mal Sachen, die schon angesprochen
worden sind. Auch die Rückkehr der Atomkraft ge-
nauso wie das Reaktivieren von Kohlekraftwerken
kann klaren Verstandes eigentlich nicht wirklich Ziel
einer Politik sein. Die Atomkraftwerke sind ein gro-
ßes Risiko. Nicht umsonst hat Deutschland diesen
Atomaussteig dann auch tatsächlich in trockene Tü-
cher gebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was die Bewältigung der Energiekrise angeht, wa-
ren Dutzende von Kommunen in Deutschland mit
ihren Maßnahmenpaketen deutlich schneller. Das
kann der Senat sich jetzt nicht wirklich ans Revers
heften – der Kollege Gamm hat schon einige dieser
Maßnahmen ausgeführt –, denn es fehlen doch tat-
sächlich Einschnitte, harte ordnungspolitische Vor-
gaben, die dann auch in der Stadt wirken: Klimaan-
lagen in Verkaufsräumen, beleuchtete Werbung,
Großevents, Gewerbeflächen. All das wäre eine
Möglichkeit gewesen, ein deutliches Zeichen zu
setzen.

Ich habe den Aufschrei sowohl des Umweltsenators
als auch des Wirtschaftssenators vermisst, als ein
großer Technikmarkt in Hamburg angekündigt hat,
dass er sich schon einmal darauf vorbereite, seine
Verkaufsflächen mit Strom zu beheizen, wenn es
denn im Winter in den Verkaufsflächen zu kalt wird.

(Dirk Nockemann AfD: Das macht doch je-
der!)

Auf der anderen Seite haben wir die Empfehlung
für nicht so warm duschen. Da ist wirklich keine Ba-
lance in den Vorschlägen, da muss wirklich nach-
justiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Harte Vorgaben, die wir eigentlich brauchen, wären
zum Beispiel Tempo 30 in der Stadt, um im Verkehr
ganz deutlich Energie zu sparen.

(Dirk Nockemann AfD: Grüne Welle, mein
Lieber!)

Warum kommt hier nichts vom Senat?
Und bei der Bewältigung der Folgen der Klimakata-
strophe sehe ich eher ein Wunschdenken in diesem
Senat, denn es fehlt zum Beispiel nach wie vor die
Vorlage des neuen Klimaplans. Im letzten Jahr hat
dieser Senat sich sogar geweigert, die unzulängli-
chen Ziele der alten Bundesregierung zu überneh-
men. Wir stehen also noch weit davor. Ein Entsie-
gelungsprogramm ist nach wie vor viel zu komplex
für diese Stadt. Während gefühlt an jedem Baum
eine Kettensäge angelegt wird, haben wir immer
noch keine Presslufthammer für die versiegelten
Flächen. Mangelnde Klimaanstrengungen, zu weni-
ge erneuerbare Energien, ein privatisierter, deregu-
lierter Energiemarkt, der außer Rand und Band ge-
raten ist, Kohle und Erdöl als Krückentechnologien
treffen auf Menschen, die nicht wissen, wovon sie
ihre nächste Energierechnung bezahlen können, ei-
ne Inflationsrate, die zu sinkenden Nettoeinkom-
men führt.

Die sozialen Implikationen dieser misslungenen so-
zialökologischen Transformation bringen Unfrieden
in unsere Gesellschaft, und die mangelnde Ord-
nungspolitik hat nicht das Ziel, das wirklich zu be-
seitigen. Was haben wir denn aus der Rekommu-
nalisierung der Energienetze gelernt? Sie sind in
kommunaler Hand und bieten der Stadt Steue-
rungsmöglichkeiten. Genau das Gleiche brauchen
wir auch für die Energieproduktion. Auch diese ge-
hört in öffentliche Hand und nicht nur mit Finanzie-
rung der Privatwirtschaft angeschoben durch die
Stadt.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau deswegen haben wir von der Linksfraktion
heute einen Antrag eingebracht, der konkrete
Handlungsalternativen vorlegt. Wir brauchen für die
soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt einen Gas-
preisdeckel. Wir brauchen einen Energiefonds für
einkommensschwache Haushalte, einen verlässli-
chen Verzicht auf Energiesperren, günstige Tarife
für ein Energiegrundkontingent für die Bürgerinnen
und Bürger. Wir brauchen mehr Beratungsmaßnah-
men. Wir brauchen aber auch für finanziell schwä-
cher ausgestattete Familien einen geförderten
Tausch Weißer Ware, und letztendlich darf die Gas-
umlage nicht an die Bürgerinnen und Bürger weiter-
gegeben werden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)