Hamburger:innen entlasten. Energiesperren verhindern, Gaspreise deckeln

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Energiedebatte in der Bürgerschaft angesichts des Ukraine-Krieges. In der Aktuellen Stunde am 21. September 2022 lautet das Thema: Hamburger:innen entlasten. Energiesperren verhindern, Gaspreise deckeln. Mehrfach greift auch Stephan Jersch von der Linksfraktion in die Debatte ein. (Foto: Michael Zapf, Bürgerschaft)

Die Redebeiträge von Stephan Jersch in der Debatte vom 21. September 2022 sind hier im Wortlaut nachzulesen:

Aktuelle Stunde: Hamburger:innen entlasten. Energiesperren  verhindern, Gaspreise deckeln

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Klar ist: Erneuerbare Energien sind ein Teil der Lösung unserer Energiepreiskrise, die wir im Moment haben. Aber es gilt auch jetzt die alten Fehler aufzuarbeiten, damit wir sie nicht wieder neu machen. Wir stehen hier an dieser Stelle, weil die Unzulänglichkeiten und die Widersprüche eben nicht mehr mit einem neuen Entlastungspaketpflaster zu überdecken sind.

Die Krise hat viele Ursachen, sie ist komplex. Da ist der Krieg des Putin-Regimes in der Ukraine mit seiner Soldateska, da ist das Erpressungspotenzial für Erdgas, das das russische Regime ausnutzt, da sind aber auch zum Beispiel Stromexporte nach
Frankreich, mit denen wir letztendlich dafür zahlen, dass Frankreich eine falsche Energiepolitik hat. Solidarität ist gut, aber sie muss nachhaltig sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Da müssen wir ernsthaft mit unseren französischen Freundinnen und Freunden reden. Und wir haben eine Strompreisbörse, die keiner versteht, und der, der sie versteht, hat kein Verständnis für diese Börse. Es ist schwer zu vermitteln, dass die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher in Deutschland erst Aufschläge zahlen mussten, damit wir auf erneuerbare Energien umsteigen konnten. Die wurden dann erfolgreich ausgebremst, und jetzt sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher dafür zahlen,
dass sie eben ausgebremst wurden. Das führt zu einem Akzeptanzproblem in der Energiepolitik im Umstieg auf die erneuerbaren Energien.

Jede Woche lässt Menschen unsicherer werden. Das Gaspreisdebakel ist schon vor dem russischen Angriff ein Thema gewesen, und der Deckel als Lösung für dieses Debakel war in der Diskussion. Wenn Senator Dressel jetzt sagt, jeder Tag zähle,
dann kann ich ihm nur sagen: Jeder der letzten mindestens 180 Tage hat gezählt, und da wurde nicht gehandelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Abwärtsspirale hätte schon lange durchbrochen werden müssen. Es fehlt einfach an Leitplanken in der Politik, die gesetzt werden müssen. Ich erinnere nur an eine der Leitplanken. Das war das Versprechen Bürgermeister Tschentschers, der darauf hinwies, dass die wirtschaftlichen Folgen des neuen Fernwärmekonzepts zu keiner Preissteigerung für die Mieterinnen und Mieter führen sollen, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgeht. Ja, das ist ein vergiftetes Versprechen gewesen, denn
wenn man auf Gas als Brückentechnologie beim Umstieg auf erneuerbare Energien setzt, dann kann man damit ziemlich böse enden.

Es wurde schon gesagt, der Gaspreisdeckel ist wichtig. Wir brauchen eine Entmachtung der Strombörse, wir brauchen die Abschaffung des Merit-Order-Verfahrens. Denn wie würde zum Beispiel eine Wasserbörse aussehen, bei der das Trinkwasser
vom Preis von Gletschereis abhängig gemacht wird? Das ist doch völlig absurd.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsident André Trepoll übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen einfach ein neues Strommarktdesign, und wir brauchen eine Abschaffung der Hemmnisse für erneuerbare Energien in dieser Republik. Nur dann kann der Umstieg gelingen und werden die Preise gedeckelt. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Beitrag 2:

Stephan Jersch DIE LINKE:

Danke schön, Herr Senator. Ich teile Ihre Einschätzung über den Vorteil öffentlicher Unternehmen gerade in dieser Krisenzeit völlig, ich habe aber eine Frage bezüglich der Entwicklung des Energiemarkts und der entsprechenden Einnahmen der
Hamburger Energiewerke: Würde der Hamburger Senat über die jetzt eingesetzten Geldmittel zur Nichteinforderung der Gasumlage die in diesem Jahr anfallenden Übergewinne von Energieunternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg in ei-
ne entsprechende Preisstabilisierungsmaßnahme mit einsetzen?

(Beifall bei der LINKEN)

Beitrag 3.

Stephan Jersch DIE LINKE:

Danke schön, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Nachdem Senator Kerstan das eine oder andere gesagt hat und ich auf die Kollegin Bekeris vielleicht noch kurz eingehen will, möchte ich doch noch das eine oder andere anfügen.

Ich glaube, in diesem Haus ist mit einer ganz kleinen Ausnahme allen klar, worin die ausgehende Ursache für die Energiepreisentwicklung jetzt besteht: in der russischen Aggression; das ist völlig klar. Über die Wortwahl kann man sich an dieser Stelle vielleicht noch einmal unterhalten. Ich halte den Begriff eines Wirtschaftskriegs an dieser Stelle für nicht zielführend
und werde ihn auf jeden Fall jetzt nicht so gebrauchen. Ich entnehme den diversen Stellungnahmen und Reden von Rot-Grün, dass heftig gehandelt wird, dass eine Lösung ins Haus steht. Ich kann dazu wirklich nur sagen: Wenn man mit den Leuten
an der Haustür redet, dann haben sie nicht das Gefühl, dass eine Lösung ins Haus steht, sondern sie haben das Gefühl, dass ihre Energiekostenabrechnung im Briefkasten liegt.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vorsitz.)

Und das ist ein Unterschied zwischen Lösung und Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist in keiner Weise zielführend, hier auf Bundes- oder europäisches Recht zu verweisen. An dieser Stelle muss man sich überlegen, was wir in Hamburg, was wir für die Hamburgerinnen und Hamburger tun können, und nicht den Finger nach Berlin
oder Brüssel richten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird an so vielen Stellen gemacht, und immer entzieht man sich damit der Verantwortung. Nein, es gibt Lösungen für Hamburg, da ist was drin, was man machen kann, wenn man nur den Willen dazu hat.

(Uwe Lohmann SPD: Ja, was denn? – Kazim Abaci SPD: Sagen Sie doch mal, was machen Sie denn?)

Wir haben in diesem Hause beschlossen, für öffentliche Unternehmen ein Pilotprojekt zur Gemeinwohlbilanzierung durchzuführen. Die Stadtreinigung Hamburg macht den Pilot, und dementsprechend gibt es natürlich besondere Ansprüche an das Wirtschaften, an die gesamte Politik dieser Firma. Ich denke, diese besonderen Ansprüche können wir jetzt auch schon auf die Hamburger Energieunternehmen anwenden, die in öffentlicher Hand sind.

Dazu sage ich jetzt noch einmal ganz deutlich: Wenn es keine bundesweite Regelung zur Übergewinnsteuer gibt, erwarten wir, dass die Gewinne, die von öffentlichen Unternehmen hier in Hamburg aus der Energiepreisentwicklung erzielt werden, zur
sozialen Bestimmung und Stabilisierung der Energiepreise für die Menschen hier in Hamburg verwendet werden.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Michael Gwosdz GRÜNE)

Das ist das Mindeste, was die Rekommunalisierung den Menschen bringen kann. Und was den Gaspreisdeckel angeht, so ist der schon lange im Gespräch. Am 15. Februar gab es einen Podcast der Hans-Böckler-Stiftung zu diesem Thema und wie
notwendig er sei. Diese Zeit ist bei Ihnen verstrichen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)