SKA: Flughafen und Arbeitsplätze – Wie ist die Situation?

Stephan Jersch

In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend externe Dienstleister für Tätigkeiten, die bis dahin als originär flughafeneigen galten, eingesetzt. In der Diskussion über ein strenges Nachtflugverbot ab 22 Uhr, also eine Stunde früher als die bisherige, häufig nicht eingehaltene Nachtflugbeschränkung ab 23 Uhr, wurde seitens des Fraktionsvorsitzenden der SPD der Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Die letztjährigen Streiks des Sicherheitspersonals an bundesdeutschen Flughäfen haben zudem das Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an Flughäfen geschärft.

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode

Drucksache 21/5270 | 22.07.16

Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Jersch und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 14.07.16 und Antwort des Senats

Betr.:
Flughafen und Arbeitsplätze – Wie ist die Situation?

In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend externe Dienstleister für Tätigkeiten, die bis dahin als originär flughafeneigen galten, eingesetzt. In der Diskussion über ein strenges Nachtflugverbot ab 22 Uhr, also eine Stunde früher als die bisherige, häufig nicht eingehaltene Nachtflugbeschränkung ab 23 Uhr, wurde seitens des Fraktionsvorsitzenden der SPD der Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Die letztjährigen Streiks des Sicherheitspersonals an bundesdeutschen Flughäfen haben zudem das Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an Flughäfen geschärft. Seitens der Pilotenvereinigung Cockpit wird auf immer mehr Arbeitsverträge von Pilotinnen und Piloten im europäischen Ausland mit geringeren Sozialstandards verwiesen und ebenso warnt die Flugbegleiterorganisation UFO. Am Hamburger Flughafen hat in diesem Jahr nicht zuletzt die Diskussion um einen möglichen Stellenabbau bei der Lufthansa Technik und der Catering-Tochter LSG zu Pressemeldungen geführt.

Wir fragen den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) wie folgt:

1.    Wie viele Menschen sind am Flughafen Hamburg beschäftigt?

Nach Schätzung der FHG gibt es circa 15.000 direkt Beschäftigte am Flughafen Hamburg.

2.    Wie viele Menschen sind bei der Flughafen Hamburg GmbH beziehungsweise Tochterfirmen beschäftigt?

FHG:         708
Töchter: 1.159

3.    Wie viele Menschen sind am Flughafen Hamburg über Zeitarbeits- oder Werkverträge beschäftigt? Bitte mit Arbeit- beziehungsweise Auftraggeber aufführen.

Hierüber liegen keine Daten vor, da die einzelnen Firmen nicht meldepflichtig sind.

4.    Wie viele am Flughafen Beschäftigte sind prekär beschäftigt? Bitte nach Tätigkeiten aufführen.

Es gibt keine prekären Beschäftigungsverhältnisse bei der FHG-Gruppe. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.

5.    Wie haben sich die Zahlen der Fragen 1. bis 4. seit 2010 verändert? Bitte jahresweise aufführen.

 

Beschäftigte zum StichtagFHGTöchter
31.12.2010643976
31.12.2011658957
31.12.2012697959
31.12.20137051069
31.12.20147041137
31.12.20157051159

Seit 2010 ist ein Aufwuchs zu verzeichnen für die FHG um 62 und für die Töchter um 183. Im Übrigen siehe Antworten zu 3. und 4.

6.    Welche Tätigkeiten am Flughafen Hamburg werden über Drittfirmen ausgeführt und wie viele Beschäftigte sind dort jeweils tätig?

Siehe Antwort zu 3.

7.    Welche Tätigkeiten wurden ursprünglich von der Flughafengesellschaft beziehungsweise Tochterunternehmen oder anderen staatlichen Unternehmen beziehungsweise Organisationen wahrgenommen und wurden zwischenzeitlich an privatwirtschaftliche Unternehmen vergeben? Bitte mit Jahresangabe des Wechsels des Dienstleister aufführen.

Das Aufgabengebiet de r Flugzeug- und Gepäckabfertigung wurde Ende der Neunzigerjahre aufgrund von Regelungen der EU zur Marktöffnung von der FHG in eigenständige Tochtergesellschaften ausgegliedert.

8.    Wie viele Menschen sind bei den in Frage 7. benannten Tätigkeiten beschäftigt?

Circa 840 (Stand 31. Dezember 2015) bei den Bodenverkehrsdiensten der FHG-Gruppe. Angaben anderer Bodenverkehrsdienstleister liegen nicht vor.

9.    Wie hat sich die Beschäftigungssituation bei den in Frage 5. benannten Tätigkeiten seit dem Wechsel auf einen privatwirtschaftlichen Dienstleister verändert?

Eine Veränderung der Beschäftigungssituation ist der zuständigen Behörde nicht bekannt.

10.    Welche Tarifverträge finden auf die Beschäftigten am Flughafen (flughafeneigene und externe Beschäftigte) Anwendung?

FHG und Töchter: TVöD-F (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Bereich Verkehrsflughäfen), TV-FHG-Gruppe (Tarifvertrag für Arbeitnehmer der FHG-Gruppe), TV-BVD (Tarifvertrag für die Bodenverkehrsdienstbetriebe der Flughafen Hamburg GmbH).

Für die weiteren am Standort ansässigen Unternehmen liegen keine Daten vor. Im
Übrigen siehe Antwort zu 3.

11.    Gibt es Beschäftigungsverhältnisse bei am Flughafen Beschäftigten, die nicht den nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fallen?

Wenn ja: welche und wie viele?

Für leitende Angestellte der FHG-Gruppe gilt üblicherweise kein Tarifvertrag. Für die weiteren am Standort ansässigen Unternehmen liegen keine Daten vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.

12.    Wie viele sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse bestehen im Bereich des Flughafens?

Siehe Antwort zu 3.

13.    Welche und wie viele Arbeitsplätze sind nach Einschätzung des Senats in Hamburg direkt vom Flughafen Hamburg abhängig?

Siehe Antwort zu 1.

14.    Welche und wie viele Arbeitsplätze sind nach Einschätzung des Senats in Hamburg indirekt vom Flughafen Hamburg abhängig?

Die Airports Council International Europe (ACI) geht von circa 9.000 Arbeitsplätzen aus, die durch den Flughafen Hamburg indirekt generiert werden.

15.    Die Pilotenvereinigung Cockpit hat in Ihrem Bericht zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen bei Fluggesellschaften ein Sozial-Ranking entwickelt, bei dem eine Reihe der von Senat und Flughafengesellschaft umworbenen und nach Hamburg geholten Low-Cost-Carrier Spitzenplätze bei atypischen Arbeitsverhältnissen einnehmen. Spielen bei der Ansiedlung von Fluggesellschaften in Hamburg die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Fluglinien eine Rolle?
    a. Wenn ja: Welche und wie hat sich das in der Ansiedlungspolitik bisher ausgewirkt?
    b. Wenn nein: warum nicht?

Da jede Fluggesellschaft mit einer gültigen EU-Lizenz oder mit einer gültigen Einfluggenehmigung nach Deutschland in Hamburg an- beziehungsweise abfliegen kann, hat die zuständige Behörde keinen Einfluss darauf, welche Fluggesellschaften sich am Hamburger Flughafen ansiedeln.

16.    Ist der Senat der Auffassung, dass die Kostenvorteile der Low-Cost-Carrier zumindest teilweise in den atypischen Beschäftigungsverhältnissen begründet sind?

    a. Wenn ja: Wie beurteilt der Senat die Ansiedlungspolitik der Flughafen Hamburg GmbH im Zusammenhang mit der Sicherung sozialversicherungspflichtiger und gesicherter Arbeitsverhältnisse?

    b. Wenn nein: warum nicht?

Die zuständige Behörde verfügt über keine eigenen Informationen darüber, wie Low-Cost-Carrier ihre Kostenvorteile im Einzelnen generieren. Im Übrigen siehe Antwort zu 15. bis 15. b.

17.    Ist der Senat der Auffassung, dass Low-Cost-Carrier einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen bei nicht dem Low-Cost-Cluster zugehörigen Fluglinien haben?

Die zuständige Behörde verfügt über keine eigenen Informationen darüber, wie die Wechselwirkung zwischen Low-Cost-Carriern und Nicht-Low-Cost-Carriern ist. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.

18.    Hält der Senat es für opportun, angesichts der Arbeitsbedingungen bei Low-Cost-Carriern, mit seiner Orientierung auf Low-Cost-Carrier zur Verstetigung der Abwärtsspirale bei Arbeitsbedingungen im Luftverkehr beizutragen?
    a. Wenn ja: Was ist das Ziel dieser Entwicklung?
    b. Wenn nein: Wie wird der Senat seine Fluglinienorientierung zukünftig ändern?

Siehe Antwort zu 15. bis 15. b.

19.    In der aktuellen Drs. 21/5076 („Hamburg – Stadt der Guten Arbeit: Befristete Beschäftigung im Einflussbereich der Freuen und Hansestadt Hamburg zurückdrängen“) der Regierungsfraktionen wird auch auf die Zurückdrängung atypischer Arbeitsverhältnisse bei Zuwendungsempfängern von Stadt und öffentlichen Unternehmen Bezug genommen. Gibt es am Flughafen Hamburg solche Unternehmen und stuft der Senat Fluggesellschaften, die durch die Subventionsprogramme für neue Flugrouten gefördert werden, als solche Zuwendungsempfänger ein?
    a. Wenn nein: warum nicht?

Die zuständige Behörde leistet weder an den Hamburger Flughafen noch an Fluggesellschaften Zuwendungen.

20.    Der Senat hat in der Drs. 21/4209 den Luftverkehr am Flughafen Hamburg zur öffentlichen Daseinsvorsorge erklärt. Welche Bereiche des in Hamburg angebotenen Luftverkehrs (zum Beispiel bezogen auf Streckenlängen, Flugziele, Passagier- oder Frachtflüge) definiert der Senat als „öffentliche Daseinsvorsorge“?

Der Hamburger Flughafen stellt einen integralen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge dar. Hierdurch wird die Infrastruktur zur Verfügung gestellt, um so den zunehmenden Bedarf überregionaler und internationaler Mobilität zu bedienen.

21.    Ist der Senat der Auffassung, dass es ein Recht auf Billigflüge (Angebote von Low-Cost-Carriern) in Hamburg gibt?
    a. Wenn ja: auf Basis welcher rechtlichen Grundlage und in welchem Ausmaß?

Der Flughafen unterliegt der Betriebspflicht nach § 45 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung, sodass grundsätzlich jede Fluggesellschaft das Recht hat, den Hamburger Flughafen anzufliegen und den Kunden Flugreisen von und nach Hamburg anzubieten. Im Übrigen siehe Antwort zu 15. bis 15. b.

22.    In der Drs. 21/4209 wird erneut auf die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafen Hamburgs für Hamburg und den gesamten norddeutschen Raum Bezug genommen. Gibt es zur Bedeutung des Flughafens Hamburg, seiner wirtschaftlichen Kennzahlen und seiner Folgekosten für Hamburg und den umliegenden norddeutschen Raum eine volkswirtschaftliche Analyse, auf deren Basis eine solche Aussage beruht?

    a. Wenn ja: Wo ist diese einsehbar?

    b. Wenn nein: Worauf beruht die (wiederholte) Aussage des Senats?

Siehe Norddeutsches Luftverkehrskonzept (Drs. 20/9007).

23.    In der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zur Drs. 18/8552 wird im Gegensatz zu den letzten Antworten des Senats, respektive der Flughafengesellschaft Hamburg, eine grundlegend andere Definition von Low-Cost-Carriern zugrunde gelegt. Wie erklärt der Senat sich diese für die Flughafenpolitik und die Bewertung der Ansiedlungsstrategie und des Charakters des Flughafens essenzielle Wertung von Airlines als Low-Cost-Carrier und ist der Senat der Meinung, dass die Bundesregierung hier irrt?

    a. Wenn ja: Warum und wieso ist die bisherige Definition gemäß letzter Senatsantwort richtig?
    b. Wenn nein: Wird der Senat zukünftig die allgemein gültige Definition für Low-Cost-Carrier bei der Beantwortung von Anfragen (wieder) als Grundlage nehmen?

Wie die Bundesregierung in BT.-Drs.18/8552 ausführt, gibt es keine allgemeingültige Definition von Low-Cost-Carriern beziehungsweise Billigfluggesellschaften. Im Übrigen siehe Drs. 21/2444.