Debatte zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Hamburg

Debatte in der Bürgerschaft zur "Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Hamburg: Ein innovativer Gesetzesansatz für effiziente Umsetzung und Transparenz". Der Antrag stammt von den beiden Senatsfraktionen. Für die Linksfraktion nahm Stephan Jersch zu dem Antrag in seiner Rede Stellung.

  • Debatte zum Antrag 2Digitale Verwaltung stärken: E-Government-Gesetz für Hamburg" - Antrag der GRÜNEN und SPD-Fraktion - Drucksache 22/14448
  • Der Redebeitrag von Stephan Jersch ist hier als Video in der Medithek der Bürgerschaft online. Die gesamte Debatte ist hier zu finden.
  • Foto: M. Zapf, Bürgerschaft Hamburg

Die Rede von Stephan Jersch im Wortlaut:

Stephan Jersch DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem
Antrag zur Digitalisierung der Verwaltung kann man
entnehmen, dass es ein Versprechen an das ganze
Land ist: schneller und sicherer Zugang zu Verwal-
tungsdienstleistungen, Chancen zum Bürokratieab-
bau, die Vereinfachung von Prozessen, eine attrak-
tivere Verwaltung als Arbeitgeberin. Dazu bedarf
es aber eigentlich – die Kollegin Botzenhart hat
es durchaus in einem Nebensatz erwähnt – keines
neuen Gesetzes. Es besteht schon die Frage, wa-
rum es nur eine perspektivische Anpassung der
Verwaltung an die Lebenslagen und Bedürfnisse
der Bürgerinnen und Bürger geben soll, aber auch
das bedarf letztendlich keines eigenständigen Ge-
setzes.

Angesichts des alten Onlinezugangsgesetzes und
dessen Ergebnisse ist es vielleicht nicht unklug,
noch mal einen aufzusatteln, auch wenn es mich
angesichts der bisherigen Bilanz mehr an den Mut
einer Schnecke erinnert, die unbedingt einen 100-
Meter-Lauf gewinnen will. Da ist noch viel Luft
nach oben: Deutschland ist auf Platz 23 von 64
im Länder-Ranking der digitalen Wettbewerbsfähig-
keit 2023. Genauso ist es beim Digitalisierungsgrad
der Verwaltung der europäischen Länder 2022:
Platz 18 von 27. Wie gesagt, viel Luft nach oben.
So gesehen ist es vielleicht nicht schlecht, ein Ge-
setz aus der Taufe zu heben.

Aber die Krux steckt letztendlich im Detail, und das
erwähnte Detail sind die rechtlichen Hürden, die
aus dem Weg zu räumen sind, doch da ist Ihr An-
trag – in Ihrem Beitrag haben Sie durchaus das
eine oder andere erwähnt – einfach deutlich unkon-
kret; genauer gesagt, erwähnt er eigentlich über-
haupt nichts. "Schlanke Prozesse, einfache Bear-
beitung" heißt natürlich auch, und das ist der große
Punkt, dass Daten von Bürgerinnen und Bürgern
nur einmal übermittelt werden – Once-only-Prinzip,
das tatsächlich das Aus-dem-Weg-Räumen rechtli-
cher Hürden braucht –, die danach zwischen den
Behörden ausgetauscht werden. Natürlich bedarf
auch das einer gesetzlichen Regelung und vor al-
len Dingen einer Definition von Ausschlusskriterien.
Da wären in diesem Antrag eingezogene Planken
durchaus nicht das Schlechteste gewesen.

Wenn ich Digitalisierung vorantreibe, muss ich auch
die Resilienz eines Systems vorantreiben. Dazu
steht hier relativ wenig, weil ein System und auch
die Dienstleistungen letztendlich angreifbarer wer-
den. Das haben wir zum Beispiel in Estland erlebt,
wo die Angriffe von außen zu einem Shutdown gan-
zer Onlinesysteme geführt haben.

Welche Implikation hat ein solcher Digitalisierungs-
grad dann für die Stadt? Was muss vorher geregelt
werden? Das steht alles nicht wirklich in diesem
Antrag; es ist eine Carte blanche an den Senat. An-
scheinend machen da 16 Bundesländer ihr eigenes
Ding. Die Verhinderung eines Missbrauchs dieser
digitalen Möglichkeiten ist natürlich allemal besser
als die transparente Meldung des erfolgten Miss-
brauchs. Da greift der Antrag eindeutig zu kurz.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich persönlich bin grundsätzlich erst mal, obwohl
ich in der IT arbeite, sehr skeptisch, was die Si-
cherheit meiner Daten angeht, und habe zum Bei-
spiel so lange wie möglich meine Steuererklärung
ausgedruckt und per Briefpost eingeschickt. Damit,
muss ich sagen, bin ich sehr gut gefahren. Die Si-
cherheit meiner Daten wurde hier deutlich besser
gewährleistet, als man das an der einen oder ande-
ren Stelle hören kann, denn wer Schnittstellen zwi-
schen Behörden schafft, schafft auch neue Türen.

Da wird ein scharfer Wettbewerb auf dem Markt
staatlicher und krimineller Akteure auftreten, diese
Türen für sich entsprechend zu nutzen.
Alle Angebote – auch das ist schon erwähnt wor-
den – müssen natürlich auch offline vorhanden
sein. Das heißt, ein Digitalisierungsgesetz muss
auch ein Analoggesetz sein. Was ich mir beson-
ders wünsche, ist eine Regelung, die die bisherigen
Hindernisse zum Einberufen repräsentativer Bürge-rinnen-

und Bürgerräte beseitigt, denn wenn das
in diesem Gesetz entsprechend mitberücksichtigt
wird, haben wir auch ein Plus an Demokratie für die
Stadt, sofern man dann die Möglichkeit nutzt.

Wie gesagt, aufgrund der globalen Unsicherheiten
dieses Gesetzes, dass vieles nicht ausformuliert
worden ist, werden wir uns hier enthalten. Aber
dem CDU-Antrag werden wir nicht zustimmen kön-
nen; er ist einfach zu pauschal und zu sehr mit
dem Kopf durch die Wand; da ist uns viel zu viel
unklar. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)