Klima: Wie viel Grad sollen es sein Hamburg? – Für eine Stadt am und nicht unter Wasser!

Von Stephan Jersch und Janine Burkhardt - 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen mit weitreichenden Folgen – sei es in Form von verheerenden Waldbränden in Griechenland oder der bedrohlichen Hochwasserlage in unserem Nachbarland Niedersachsen, bis vor wenigen Wochen. Wir merken schon jetzt, womit wir es in Zukunft stärker zu tun bekommen werden. Hamburg wird als Stadt am Wasser ebenfalls massiv vom Klimawandel betroffen sein.

Laut Koalitionsvertrag wurde das Pariser Klimaschutzziel von 1,5° C als Messlatte für die Klimapolitik der Rot-Grünen-Koalition festgelegt. Die Umsetzung fällt jedoch enttäuschend aus, denn der Staatsrat der Umweltbehörde räumte während der Senatsanhörung zum neuen Klimaschutzgesetz ein, dass sich Hamburg mit seinen Maßnahmen nicht mehr am 1,5° C- Ziel orientiert. Man hoffe nun auf Einhaltung des 1,75°-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 67%. Die Übernahme von Verantwortung für das Pariser Klimaabkommen kann beim Senat mit der Lupe gesucht werden. Wie heißt es doch: Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt. Jedenfalls wenn man auf die Maßnahmen des Senats setzt. Man möchte dem Senat zurufen, dass Klimaschutz kein Glücksspiel ist. Spricht man die Regierungskoalition darauf an, dass sie das 1,5°C - Ziel nicht mehr einhält, will diese davon bei den Anhörungen plötzlich nichts mehr gehört haben. Bei derartigen Erinnerungslücken nach nur drei Monaten wird sogar der ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz neidisch. Selbst die Handelskammer hat für sich und ihre Mitglieder ambitioniertere Ziele gewählt, als der Senat bereit ist anzunehmen. Selbst Teile der Wirtschaft sind also schon weiter als der Senat.

Mit dem sogenannten Klimabeschluss vom 24.03.2021 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Artikel 20a Grundgesetz den Staat verpflichtet, so weitgehende Regelungen zum Klimaschutz zu treffen, dass auch die Freiheitsrechte der zukünftigen Generationen sichergestellt sind. Wir müssen uns so verhalten, dass Freiheit und Leben künftiger Generationen nicht durch den Klimawandel bedroht sind. Dies muss auch Ziel der Hamburger Klimapolitik sein. Verschiedene Expertinnen und Experten kommen zu dem Ergebnis, dass das Hamburgische Klimaschutzgesetz diese Anforderung nicht erfüllt und der Senat damit dem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht hinreichend nachkommt. Vor diesem Hintergrund stellt die Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft den Antrag, das neue Klimaschutzgesetz auf Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.

Mit dem Klimawandel müssen auch sogenannte Kipppunkte („Points of no Return“) betrachtet werden. Das betrifft beispielswiese Grönlands Eisschild oder auch Korallenriffe, die einen enormen Einfluss auf die Nahrungskette im Meer sowie den Nähr- und Kohlenstoffkreislauf im Ozean haben. Zudem erfüllen sie eine wichtige Funktion in Sachen Küstenschutz. Erhöht sich jedoch im Zuge des Klimawandels die Wassertemperatur über eine bestimmte Schwelle, so sterben die Korallen ab.

Schon während der Diskussion rund um die Novellierung des Gesetzes, wurde deutlich, dass in Hamburg wirtschaftliche Aspekte eine größere Rolle spielen. Die Wirtschaft kann aber in Sachen Klimaschutz nicht über allem stehen. Denn Klimawandel und die Biodiversitätskrise werden massive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, beispielsweise in der Landwirtschaft, wenn durch andauernde Hitzeperioden die landwirtschaftliche Produktion massiv beeinträchtigt wird. Auch im Bereich Güterverkehr per Schiff, sind starke Auswirkungen zu erwarten. So wird der Anstieg des Meeresspiegels in Hamburg den Hafenanlagen und Containerterminals zu schaffen machen.

Je nachdem wie sehr der Klimawandel begrenzt werden kann, kann das Kippen bestimmter Elemente des Klimasystems verhindert werden. Forscherinnen und Forscher der Universität Utrecht haben jüngst mithilfe eines der modernsten Klimamodelle einen Kipppunkt im Strömungssystem der Atlantischen Umwälzzirkulation1 (zu der auch der Golfstrom gehört) gefunden. Die Simulation zeigte auf, dass der Zufluss von Süßwasser die Zirkulation über viele Jahre abschwächte und das Strömungssystem ab einem bestimmten Punkt zusammenbrach. Die Frage, wann der Kipppunkt erreicht ist, kann derzeit noch nicht beantwortet werden.

Um den Klimawandel zu begrenzen kommt es nicht darauf an, wie viel wir in den kommenden Jahren an CO2 reduzieren, sondern wie viel wir überhaupt noch emittieren! Daher sind die CO2-Reduktionsziele, die der Senat in seinem Klimaplan festgelegt hat, nicht zielführend. Ein CO2-Budget wäre hier das viel passendere Instrument, da hier gezielter und früher nachgesteuert werden kann. Es wäre fatal, wenn wir so tun, als ob wir noch sehr viel Zeit hätten und uns der Klimawandel schon irgendwie nicht so richtig treffen wird. Auch die Hoffnung, dass irgendeine neue Technologie es schon richten wird, ist irreführend, denn Handeln müssen wir jetzt. Mit Blick auf die Verantwortung der Politik gegenüber der Bevölkerung Hamburgs muss das neue Klimaschutzgesetz daher auf Verfassungsmäßigkeit geprüft werden.

Auch wenn vielfach bestimmte Entwicklungen und Folgen, die mit dem Klimawandel einhergehen, noch nicht vollständig absehbar sind, so stellt sich doch die Frage, ob wir das zwingend herausfinden wollen? Oder ob wir lieber versuchen wollen, in einer Welt zu leben, die für uns alle ohne Valium erträglich erscheint - insbesondere für zukünftige Generationen. Dafür müssen wir gemeinsam kämpfen. Das Klimagesetz von rot-grün, welches im Dezember letzten Jahres beschlossen wurde, wird den Ansprüchen nicht gerecht. Nur die CDU wollte es gerne noch schlimmer machen.

1 Hierbei handelt es sich um ein komplexes Strömungssystem, welches Wassermassen über den gesamten Atlantik bewegt. So wird warmes, salziges Wasser aus den Tropen Richtung Norden transportiert. Die Wassermassen kühlen sich auf dem Weg zum Polarkreis ab. Der Salzgehalt im Wasser erhöht sich, wodurch die Dichte des Wassers zunimmt, in die Tiefe absinkt und dann wieder zurück in den Süden fließt. Abschmelzendes Eis (bspw. Grönlandeisschild) sorgt für einen erhöhten Süßwassereintrag in den Atlantik. Damit senkt sich der Salzgehalt, was wiederum die Dichte des Meerwassers verringert und damit das Absinken hemmt.