Debatte Aktuelle Stunde: Hamburg, Klimakrise und ein linker Zusatzantrag

Bürgerschaftsdebatte am 22. November 2023 in der Aktuellen Stunde zum Thema "Wirksamer und gerechter Klimaschutz: Rot-Grün ebnet den Weg für ein klimaneutrales Hamburg, das auch in Zukunft lebenswert ist". Stephan Jersch kritisierte Mängel und Defizite der rot-grünen Klimapolitik in Hambburg und wies auch auf einen Zusatzantrag der Linksfraktion zu diesem Thema hin.

  • Antrag "Mehr Verantwortung für das Pariser Klimaziel: Das 1,5°-Ziel als Messlatte" (Drs: 22/13607)
  • Die gesamte Debatte zu diesem Top in der Sitzung am 22.11. ist hier als Video in der Mediathek der Bürgerschaft zu finden. Die Redebeiträge von Stephan Jersch sind hier und hier als Video online.
  • Foto M. Zapf, Bürgerschaft Hamburg.

Aktuelle Stunde zum Thema: Wirksamer und gerechter Klimaschutz: Rot-Grün ebnet den Weg für ein klimaneutrales Hamburg, das auch in Zukunft lebenswert ist

Stephan Jersch ist für die Fraktion DIE LINKE zweimal ans Rednerpult gegangen. Im folgenden die beiden Reden im Wortlaut.

Erste Rede zum Tagesordnungspunkt:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Lassen Sie mich mit einem einzigen positiven Halbsatz anfangen: Es ist richtig, das kam aus den Anhörungen hervor, es ist der beste Klimaplan, das beste Klimaschutzgesetz, das Hamburg bisher hatte, aber das ist letztendlich wie bei einem Sprung über den Abgrund: Wenn man springt und hinterher sagen kann, das war der beste Sprung, und man ist trotzdem nicht angekommen, dann ist das eher eine traurige Randnotiz.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Anspruch an Klimaplan und Klimaschutzgesetz ist die Einhaltung des Klimaschutzabkommens, es ist die Klimaneutralität vor 2045 unter Berücksichtigung aller Treibhausgase. Es ist eine Erarbeitung im Dialog mit der Stadt, mit der ganzen Stadt, und es ist die Sicherstellung der Klimagerechtigkeit. Stattdessen reden wir heute über die Abkehr vom 1,5-Grad-Ziel der Klimapolitik oder, um es abgewandelt mit Lagerfelds Worten zu sagen: "Wer das 1,5-Grad-Ziel aufgibt, hat die Kontrolle über seine Klimapolitik verloren."

(Beifall bei der LINKEN – Danial Ilkhanipour SPD: Ich wusste nicht, dass Sie so modeaffin sind!)

Der Senat hat nicht transparent gemacht, dass nur noch 1,75 Grad mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit sein Ziel ist, das war klammheimlich, wie vieles hier in der Klimapolitik. Hundert Meter weiter auf der Mönckebergstraße können wir den Schriftzug lesen: "Wir für 1,5 Grad." Heute müssen wir feststellen, beim Wir klammert sich die Regierungskoalition entschieden aus, obwohl es sogar im Koalitionsvertrag steht. Das Paket, das hier vorliegt, ist in entscheidenden Bereichen zu unbestimmt und nicht entschieden genug für Hamburgs Klimapolitik.

Die Linksfraktion steht dafür, dass eine Umsetzung der Klimamaßnahmen eng, transparent und effektiv sein muss. Wir brauchen für Hamburg ein definiertes CO2-Budget, das ist aus den Anhörungen hervorgegangen. Wir brauchen konkrete Reduktionsziele für alle Treibhausgase einschließlich Sulfuryldifluorid, da könnte Hamburg im Hamburger Hafen selbst handeln und nicht auf den Bund verweisen.

Wir brauchen die angekündigte Schätzstatistik jährlich, direkt drei Monate nach Jahresende und nicht 21 Monate später, wie wir es bisher haben. Wir müssen zügig nachsteuern, denn die Zeit ist knapp. Wir haben nicht viel Zeit zum Nachsteu-ern, und vor allem brauchen wir, um die Gesellschaft einzubeziehen, eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Industrie und der Stadt, um gemeinsam eine Transformationsunterstützung der Betriebe und Branchen zu erarbeiten und umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen die Gewährleistung einer transparenten Darstellung aller Maßnahmen mit Kosten und Verantwortlichkeiten, das leistet dieser Klimaplan bisher nicht. Das sind offene Flanken des Klimaschutzgesetzes und des Klimaplans, und wieder ist die Kante Teil der ganzen Planung, die Kante, auf die alles genäht ist. Es ist ein entscheidender Punkt, der mittlerweile von vielen so festgehalten wird: Wir brauchen die Klimagerechtigkeit. Sie bedingt, dass Mieterinnen und Mieter zum Beispiel keine weitere Belastung durch die notwendigen Sanierungsmaßnahmen erfahren. Wir brauchen die städtisch garantierte Warmmietenneutralität. Im sozialen Aspekt ist die Vorlage hier wirklich schwach, viel zu schwach, um Unsicherheiten in der Gesellschaft zu beseitigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen versuchen, die weitestgehend unterlassene Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu heilen. Schaffen wir, und das haben wir in unserem Zusatzantrag beantragt, Bürger- und Bürgerinnenräte; sie sind das Instrument der Wahl, statt poppiger, bunter Roadshows, wie die Koalition es hier beantragt.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Zuruf)

Unser Zusatzantrag steht, ganz im Gegensatz zu Klimaplan und Klimaschutzgesetz, für die Umsetzung des 1,5-Grad-Ziels. Er steht für die Gewährleistung der sozialen Gerechtigkeit, und er steht dafür, dass Hamburg im Klimaschutz wieder eine Vorreiterrolle spielt, auf die anscheinend in Hamburg regierungsseitig mittlerweile verzichtet wird. Das ist zu wenig, um unser Klima wirklich zu schützen, deswegen werbe ich für die Zustimmung für unseren Zusatzantrag, denn der sichert entschiedenes Handeln. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Zweiter Redebeitrag von Stephan Jersch DIE LINKE zu diesem TOP:

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ein paar Worte zu dem, was hier zuvor gesagt worden ist. Der Verweis auf den Einfluss äußerer Faktoren: Ja, natürlich, das liegt aber zu einem gehörigen Teil auch an der Trägheit des Senats. Da hätte viel früher etwas passieren können, dann hätte man schon sagen können, ick bün all dor, aber das ist an dieser Stelle nicht passiert. Ich denke allein an die Diskussion über die Zielverschärfung bei den Klimaschutzzielen, die hat sich in diesem Hause so dermaßen lange hingezogen, dass uns sogar eine rückwärtsgewandte Bundesregierung überholt hat; das kann doch nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn der Senator hier aufzählt, wo Hamburg überall eine Vorreiterrolle hatte, dann tut er das immer in der Vergangenheitsform. Augenscheinlich ist das Es-war-einmal ein konkreter Teil Hamburger Klimaschutzpolitik. Das muss anders werden.

(Beifall bei der LINKEN)

In Hamburg liegt zwischen der wirksamen Klimapolitik und der Klimagerechtigkeit immer noch – und das hört man aus vielen Redebeiträgen raus – ein hanseatisches Es-muss-sich-rechnen.

(Dirk Kienscherf SPD: Es muss bezahlbarsein, das interessiert hier niemanden!)

Wir alle haben festgestellt, dass die Klimafolgekosten immens sind, und trotzdem werden sie im politischen Handeln immer wieder ausgeblendet. Es muss sich rechnen, und zwar in diesem Haushalt, jährlich sozusagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztendlich ist der verfassungsgemäße Haushalt der eine Teil, nur in diesem Haushalt sind natürlich auch die Mittel für den Klimaplan und die Umsetzung der Maßnahmen mit drin. Und wir alle wissen, dass sich dieser Senat in keinster Weise bewegt, wenn er nicht noch Bundesfördermittel dazubekommt. Infolgedessen ist die ganze Finanzpolitik hier eine Gefährdung der Klimapolitik, der ohnehinauf Kante genähten Klimaziele der Freien und Hansestadt Hamburg. Das ist zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Und letztendlich, wofür steht diese Koalition hier inHamburg? Sie steht für viele Schonbereiche wie den Verkehr, wie den Luftverkehr, sie steht für den Schonbereich der Industrie. Wir wollen Förderprogramme für die Industrie, für die Transformationen, die wichtig sind, sicherlich auch für die Arbeitsplätze,

(Dirk Kienscherf SPD: Aber?)

aber die müssen abhängig gemacht werden von Effizienzprogrammen, und das ist besonders wichtig, damit wir uns für die Zukunft aufstellen können.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja ganz was Neues!)

Die Balance zwischen den drei Säulen der Nachhaltigkeit stimmt in Hamburg vorne und hinten nicht. Die soziale Nachhaltigkeit ist in Hamburg immer hinten angestellt, und das ist ein Trauerkapitel, weil wir alle wissen, wie wichtig soziale Sicherheit für unsere Menschen hier in Hamburg ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachbessern.

(Beifall bei der LINKE