ANTRAG: Öffentlichkeit der Bezirksgremien

Stephan Jersch

Demokratie ohne Öffentlichkeit ist nur ein Schatten ihrer selbst, sie verliert Legitimation. Die Corona-Krise ist kein Grund, parlamentarische Aktivitäten unter Ausschluss des Souveräns stattfinden zu lassen, findet die LINKE und beantragt das Streaming von Gremiensitzungen in den Bezirken.

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache 22/116
22. Wahlperiode
22.04.20


Antrag
der Abgeordneten Stephan Jersch, Norbert Hackbusch, Deniz Celik, Sabine Boeddinghaus, Dr. Carola Ensslen, Olga Fritzsche, Metin Kaya, Dr. Stephanie Rose, David Stoop, Heike Sudmann, Insa Tietjen, Cansu Özdemir
und Mehmet Yildiz (DIE LINKE)

Betr.: Öffentlichkeit der Bezirksgremien

Demokratie ohne Öffentlichkeit ist nur ein Schatten ihrer selbst, sie verliert Legitimation. Angesichts der jahrelangen Bemühungen, demokratische Teilhabe zu stärken und Wahlbeteiligungen wieder wachsen zu lassen, stellen wir fest, dass im Zusammenhang mit der Corona-Krise diese Entwicklung weit zurückgedreht wird.

In den Bezirken finden nur noch wenige Sitzungen, in der Regel Hauptausschüsse, statt. Öffentlichkeit ist dabei nicht mehr vorgesehen. Ein Beschluss des Hauptausschusses Wandsbek zur Herstellung einer kleinen, unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen, zuzulassenden Öffentlichkeit wurde auf Anweisung der Finanzbehör-
de durch den Bezirksamtsleiter beanstandet. Lediglich die Forderung nach Teilnahme der Presse hat die Beanstandung überlebt.

„Moderne“ Wege der zumindest passiven Beteiligung der Bevölkerung werden seitens der Bezirksverwaltungen, denen eigenes Handeln unter dem Bezirksverwaltungsgesetz und der Aufsicht der Finanzbehörde nur unzureichend möglich ist, ausgebremst. Um es klar darzustellen: Es gibt in der Freien und Hansestadt Hamburg derzeit ein einziges Gremium, das zumindest im Livestream eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorsieht: die Bürgerschaft.

Selbst unter der optimistischen Hoffnung, dass der Zustand der Nichtöffentlichkeit schnell und noch vor der Sommerpause zu Ende geht, ist schnelles und perspektivisches Handeln gefordert.

Das Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) schließt schon heute die Übertragung von Ausschuss- und Bezirksversammlungssitzungen nicht aus. Die Bezirksversammlung Altona hat dies in der Vergangenheit schon praktiziert.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird aufgefordert, die nachfolgenden Punkte umzusetzen:

  1. Den Bezirksverwaltungen wird durch die zuständige Behörde unverzüglich für die Übertragung ihrer Gremiensitzungen das technische Equipment zur Verfügung gestellt.
  2. In Kooperation mit dem Bezirksamt Hamburg-Nord, in das die IT-Betreuung der Bezirksämter ausgelagert ist, werden die Bezirksämter noch vor der Sommerpause in die Lage versetzt, Gremiensitzungen per Livestream zu übertragen, sofern die jeweiligen Bezirksversammlungen oder ihre derzeit beschlussfassenden Gremien dies beantragen.
  3. Der Bürgerschaft ist bis zum 10.06.2020 der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) zur Abstimmung vorzulegen, mittels dessen das BezVG für zukünftige Ereignisse wie die derzeitige Corona-Pandemie um eine konkrete Regelung zur Sicherstellung der Öffentlichkeit bezirklicher Gremien, etwa durch einen frei zugänglichen Livestream, ergänzt wird.
  4. Den Bezirksversammlungen werden bei Anmeldung eines Bedarfs Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen es ihnen ermöglicht wird, größere Säle anzumieten, um, wie in der Bürgerschaft, unter Einhaltung der Abstandsregeln, wieder tagen zu können.
  5. Die Bezirksämter werden wieder in die Lage versetzt, mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch im IT-Bereich auf Ausnahmesituationen, wie die derzeitige, zu reagieren. Dazu sind die IT-Abteilungen wieder auszubauen.
  6. Der Senat unterrichtet die Bürgerschaft fortlaufend über den Sachstand, erstmalig bis spätestens zum 31.5.2020.