Schriftliche Kleine Anfrage: Maßnahmen im Hamburger Hafen mit Blick auf die Vorgaben der EGWasserrahmenrichtlinie und das diesbezügliche Urteil des EuGH vom 01. Juli 2015

Stephan Jersch

Am 22.12.2000 trat die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Kraft. Sie legt unter anderem fest, dass bis 2015 für Fließgewässer, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer ein guter chemischer und ökologischer Zustand beziehungsweise bei erheblich veränderten und künstlichen Gewässern ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erreicht werden sollen. Unter bestimmten Bedingungen sind Fristverlängerungen zur Zielerreichung bis 2021 oder 2027 möglich.

Nach Entwurf des Bewirtschaftungsplans für die Elbe vom Dezember 2014 nimmt Hamburg für sämtliche Oberflächenwasserkörper (OWK) Fristverlängerungen in Anspruch, die Ziele der WRRL wurden also für keinen OWK bis 2015 erreicht.

Neben der Verbesserungspflicht ist insbesondere das ebenfalls gesetzlich festgeschriebene Verschlechterungsverbot bei allen Maßnahmen und den entsprechenden Genehmigungsverfahren zu beachten. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 1. Juli 2015 die Vorgaben bezüglich der Verbesserungspflicht und des Verschlechterungsverbots konkretisiert. Unter anderem hat der
EuGH herausgestellt, dass im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung neben den Verbesserungsmaßnahmen auch die Maßnahmen, die sich verschlechternd auf den/die betroffenen OWK auswirken sowie die zugehörigen Gegenmaßnahmen dargestellt werden müssen. Die Bewirtschaftungsplanung muss also zwangsläufig auch diejenigen Maßnahmen berücksichtigen,
die den Verbesserungsmaßnahmen entgegenwirken. Anders ist es nicht möglich, die zur Zielerreichung notwendigen Maßnahmen zu definieren. Für eine fachliche fundierte Bewertung ist es tatsächlich erforderlich, sämtliche Maßnahmen zu berücksichtigen, die sich negativ auf die Qualitätskomponenten (QK) der WRRL auswirken. Diese Informationen sind umso wichtiger,
desto schlechter der Zustand einzelner QK und desto schwieriger oder aufwendiger notwendige Verbesserungsmaßnahmen sind.

Im Hamburger Hafen wurden in der Vergangenheit zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt, die der Entwicklung des Hafens dienten aber zulasten der QK der WRRL gingen. Es sind weiterhin verschiedene Eingriffe im Bereich des Hafens geplant (zum Beispiel Eurogate Westerweiterung und
Elbvertiefung), die sich negativ auf die Gewässerökologie und damit die QK der WRRL auswirken würden. Für eine fundierte Bewertung der Zustandsentwicklung des OWK Elbe-Hafen seit Verabschiedung der WRRL am 22.12.2000 ist eine umfassende Zusammenführung und Bewertung der sich negativ auswirkenden Maßnahmen sowie der getroffenen Verbesserungsmaßnahmen notwendig.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Zahlreiche Maßnahmen, die in der Vergangenheit in diesem Oberflächenwasserkörper (OWK) durchgeführt wurden, haben für die biologischen Qualitätskomponenten nach WRRL keine Relevanz. Die erfragten Daten sind in der abgefragten Form statistisch nicht erfasst und können nur unzureichend rekonstruiert werden. Die Auswertung sämtlicher infrage kommender Akten zu über 100 Maßnahmen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

Bezüglich Maßnahmen, die sich negativ auf die QK der WRRL im OWK Elbe-Hafen auswirken.

1.   Welche Maßnahmen/Projekte wurden seit dem 22.12.2000 im OWK Elbe-Hafen genehmigt, die  
a.    zu einem Verlust an Wasserfläche und damit Gewässerlebensraum
geführt haben?
b.    zu einer Vergrößerung der Wassertiefe geführt haben?
c.  zu negativen ökologischen Veränderungen der Uferstrukturen geführt haben?

Bitte die Informationen zu 1. a., 1. b. und 1. c. tabellarisch aufführen für relevante Maßnahmen mit einem Verlust von Wasserflächen von mehr als 100 m² oder Flächen von mehr als 100 m² mit einer Vertiefung von mehr als 10 cm oder einer betroffenen Uferlänge von mehr als 20 m (Uferstrukturen).

Bitte zu den identifizierten Maßnahmen/Projekten aufführen:
- Projekttitel und kurze Projektbeschreibung inklusive Projektziele
- Projektträger
- Projektkosten  
- Art und Datum der Genehmigung
- Zeitpunkt der erfolgten oder geplanten Umsetzung
- Lage der Maßnahme
- Verlust an Wasserfläche in Quadratmeter sowie die durchschnittliche Wassertiefe auf dieser Fläche (gesonderte Ausweisung von Flachwasserzonen, falls diese verlustig gegangen sind)
- Fläche in Quadratmeter, auf der eine Vertiefung erfolgte sowie die durchschnittliche Vertiefung in Meter
- Uferlänge in Meter, auf der die Uferstruktur negativ verändert wurde sowie Art der Veränderung (Bestand vorher/Bestand nachher)
- Für alle Maßnahmen: Angabe von Verminderungsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen, die sich positiv auf die angefragten Parameter (Wassertiefe, Wasserfläche, Uferstruktur) auswirken mit denselben Angaben wie oben genannt.
- Falls verfügbar: Link zu Webseite mit weiterführenden Informationen zur Maßnahme

2.   Welche Maßnahmen/Projekte sind derzeit geplant, die sich wie unter 1. a., 1. b. und/oder 1. c. beschrieben auswirken würden?

Bitte die Informationen (in diesem Fall Planzahlen/Schätzungen) wie unter 1. erwünscht aufführen.

Bezüglich Maßnahmen, die sich positiv auf die QK der WRRL im OWK Elbe-Hafen auswirken.

3.   Welche Maßnahmen/Projekte wurden seit dem 22.12.2000 im OWK Elbe-Hafen genehmigt, die  
a.   zu einer Zunahme an Wasserfläche und damit Gewässerlebensraum geführt haben?
b.    zu einer Verringerung der Wassertiefe geführt haben?
c.    zu positiven ökologischen Veränderungen der Uferstrukturen geführt haben?

Bitte die Informationen zu 3. a., 3. b. und 3. c. tabellarisch aufführen für relevante Maßnahmen mit einer Zunahme von Wasserfläche von mehr als 100 m² oder Flächen von mehr als 100 m², auf denen eine Verringerung der Wassertiefe um mehr als 10 cm vorgenommen wurde, oder mit einer betroffenen Uferlänge von mehr als 20 m (Uferstrukturen).

Bitte folgende Informationen aufführen:
- Projekttitel und kurze Projektbeschreibung inklusive Projektziele
- Projektträger
- Projektkosten  
- Art und Datum der Genehmigung
- Zeitpunkt der erfolgten oder geplanten Umsetzung
- Lage der Maßnahme
- Vergrößerung der Wasserfläche in Quadratmeter sowie die durchschnittliche Wassertiefe auf dieser Fläche (gesonderte Ausweisung bei Entwicklung von Flachwasserzonen)
- Fläche in Quadratmeter, auf der eine Verringerung der Wassertiefe erfolgte sowie die durchschnittliche Verringerung in Meter
- Uferlänge in Meter, auf der die Uferstruktur positiv beeinflusst wurde sowie Art der Veränderung (Bestand vorher/Bestand nachher)  
- Falls verfügbar: Link zu Webseite mit weiterführenden Informationen zur Maßnahme

Bis zur Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 1. Juli 2015 zur Weservertiefung war nicht geregelt, in welcher Weise das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot im wasserwirtschaftlichen Vollzug umzusetzen sind.

Seit dem 1. Juli 2015 wird bei künftigen Infrastrukturmaßnahmen an den Hamburger Gewässern im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft, inwieweit in der Umsetzung die Vorgaben des EuGH eingehalten werden. Konkret wurden zwei große Infrastrukturvorhaben (Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe, Westerweiterung des Eurogate Container Terminals Hamburg) identifiziert, die möglicherweise schädliche Auswirkungen auf biologischen Qualitätskomponenten haben können.
Daher wurden die gesamten Projekte unter diesem Aspekt in den zweiten Bewirtschaftungsplan aufgenommen. Da für beide Vorhaben die Genehmigungsverfahren noch nicht beendet sind, konnte bisher nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Verschlechterung im Sinne des EuGH-Urteils vorliegt. Im zweiten Bewirtschaftungsplan (Inkrafttreten am 22. Dezember 2015) wird auf die Notwendigkeit von Vorkehrungen zur Verringerung potenzieller nachteiliger Auswirkungen auf den Gewässerzustand als Voraussetzung für mögliche Ausnahmeregelungen hingewiesen.

Es ist nicht möglich, die Rechtsauffassung des EuGH rückwirkend und nachträglich auf alle gewässerbezogenen Vorhaben der letzten 15 Jahre anzuwenden.

4.    Welche Verbesserungsmaßnahmen nach WRRL wurden über die unter 1. aufgelisteten Maßnahmen hinaus durchgeführt, die sich direkt positiv auf die QK der WRRL im OWK Elbe-Hafen auswirken?

Bitte folgende Informationen aufführen:
- Projekttitel und kurze Projektbeschreibung inklusive Projektziele
- Projektträger
- Projektkosten  
- Art und Datum der Genehmigung
- Zeitpunkt der erfolgten oder geplanten Umsetzung
- Lage der Maßnahme
- Kurze Darstellung, wie sich die Maßnahme auf welche QK auswirkt.
- Falls verfügbar: Link zu Webseite mit weiterführenden Informationen zur Maßnahme

Im OWK Elbe/Hafen, der als erheblich veränderter Wasserkörper ausgewiesen ist, können nur Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden, die ohne signifikante Beeinträchtigung der bestehenden Nutzungen im betrachteten Wasserkörper durchführbar sind. Durch den hohen industriellen Nutzungsgrad im OWK Elbe/Hafen sind die ausgewiesenen WRRL-Maßnahmen daher überwiegend konzeptioneller Natur, siehe dazu auch:

http://www.hamburg.de/contentblob/4237798/data/d-bewirtschaftungsplan-hamburg.pdf.

Beispielhaft werden in diesem Zusammenhang aufgrund ihrer besonderen Bedeutung zwei Maßnahmen genannt:

  • Wärmelastplan (Ziel: Reduzierung von Wärmeeinleitungen)

Der Wärmelastplan für die Tideelbe definiert auf der Grundlage der aktuellen Wärmebelastung der Tideelbe einen zulässigen Belastungszustand. Potenzielle Kraftwerksbetreiber müssen nachweisen,
 dass sie die laut Wärmelastplan zulässige Temperaturerhöhung der Elbe nicht überschreiten.
Beispielsweise stellen die Randbedingungen des Wärmelastplans sicher, dass eine Mindestsauerstoffkonzentration von 3 mg/l nicht unterschritten wird. In der Regel soll der Sauerstoffgehalt mindestens 6 mg/l betragen. Der „Wärmelastplan für die Tideelbe“ vom Dezember 2008 ist eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift für die Genehmigungsbehörden in Hamburg,
Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Durch die Vermeidung von großflächigen Sauerstoffmangelsituationen in der Unterelbe und im Hafenbereich werden die Wandermöglichkeiten für Fische verbessert.

 

  • Sedimentmanagementkonzept (Ziel: Sicherung der Schifffahrt)

Inhalt dieser Maßnahme ist die übergreifende Koordinierung der Unterhaltungsarbeiten zur Sicherung der Wassertiefen mit dem  Ziel eines optimierten quantitativen Sedimentmanagements an der Tideelbe. Dieses führt zu einer Reduzierung der aus Baggerarbeiten und Umlagerungen resultie
renden ökologischen Beeinträchtigungen insbesondere der Qualitätskomponenten Fische (Schädigung von Laich durch Schwebstoffe) und Makrozoobenthos (Verschlickung in Nebenarmen und Hafenbecken).

Die oben beschriebenen sowie weiteren konzeptionellen Maßnahmen sind überregional wirksam, die Wirksamkeit auf die biologischen Qualitätskomponenten ist aber nicht direkt quantifizierbar.

Es wird darauf hingewiesen, dass Maßnahmen in den benachbarten OWK „Elbe Ost“ (Entwicklung eines tidebeeinflussten Flachwassergebietes Spadenlander Busch/Kreetsand) und „Elbe West“ (Naturierung der Filterrückspülbecken am Falkensteiner Ufer) auch auf die biologischen Qualitätskomponenten im OWK Elbe/Hafen eine positive Wirkung haben (zum Beispiel Fische, Plankton).

5.    Welche Verbesserungsmaßnahmen nach WRRL sind für den 2. Bewirtschaftungszeitraum von 2016 – 2021 geplant, die sich direkt positiv auf die QK der WRRL im OWK Elbe-Hafen auswirken werden?

Die Informationen (in diesem Fall Planzahlen/Schätzungen) werden wie unter 1. beschrieben erbeten.

Auch im zweiten Bewirtschaftungszeitraum kommen überwiegend konzeptionelle Maßnahmen zum Einsatz, siehe dazu auch Drs. 21/2358. Vorgesehen sind unter anderem die Umsetzung der Handlungsempfehlungen des nationalen und internationalen Sedimentmanagementkonzepts, die weitere Reduzierung der Wärmeeinleitungen und die Schaffung zusätzlicher Tidelebens
räume. Über die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die biologischen Qualitätskomponenten können zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen getroffen werden.