SKA: Atomtransporte durch Hamburg (XI)

Stephan Jersch

Die Zahl der Atomtransporte durch Hamburg nimmt - trotz anderslautender Willensbekundungen im Koalitionsvertrag - weiterhin nicht ab. Im Gegenteil: Bei den nuklearen Brennstofftransporten durch Hamburg gab es in den vergangenen drei Monaten sogar eine Steigerung um 30 Prozent gegenüber dem vorigen, dreimonatigen Berichtszeitraum. Bei den Transportzahlen von »sonstigen radioaktiven Stoffen« sieht es nicht auch noch nicht gut aus.

12. Dezember 2017

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 05.12.17

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/11227 -

 

Betr.: Atomtransporte durch Hamburg (XI)

Hamburgs Hafen bleibt nach der im Mai 2014 in der Bürgerschaft abgelehnten Teilentwidmung für Atomtransporte (vergleiche Drs. 20/11317) weiterhin ein Drehkreuz im internationalen Atomgeschäft – unter anderem zur Versorgung von AKWs. Der Senat teilte in der Drs. 21/4565 zum Thema mit, dass nach rechtlicher Prüfung von Hamburger Seite keine Möglichkeit bestehe, Transporte von radioaktiven Stoffen generell zu untersagen. Trotz Stilllegungen deutscher Atomkraftwerke nach der Katastrophe von 2011 im japanischen Fukushima und bis heute ungelöster dauerhafter Lagerung hochradioaktiver Abfälle gibt es augenscheinlich keine sinkende Zahl dieser gefährlichen Frachten. Mehrfach pro Woche finden weiterhin Transporte radioaktiver Stoffe durch Hamburg statt.

Auf die Ankündigung im rot-grünen Koalitionsvertrag 2015 hin, auf freiwilligen Verzicht von Atomfrachtbehandlung durch die Hafenwirtschaft zu setzen, hat der Senat unter anderem in der Drs. 21/10244 ausgeführt, dass die zuständige Behörde BWVI bis September nur mit Vertretern von vier Umschlagsunternehmen sowie Reedereien das Thema Selbstverzicht auf Atomtransporte beziehungsweise -umschlag besprochen habe. Zu den Ergebnissen gibt er keine Antwort.

Zwar gibt der Senat nach § 1 der Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbVSA) vom 1. Dezember 1982 im Voraus keine Auskunft zu Kernbrennstofftransporten, da Informationen über zukünftige Kernbrennstofftransporte aus Sicherheitsgründen bundesweit als „Verschlusssache/nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sind, aber wenigstens Angaben zu bereits durchgeführten Transporten sind aus den seit Jahren immer wieder aus der Fraktion DIE LINKE gestellten diversen Anfragen, zuletzt der im September beantworteten Drs. 21/10244, für die interessierte Öffentlichkeit ablesbar.

Um weiterhin möglichst vollständige Zahlen über Anzahl, Art und Umfang der Atomtransporte zumindest durch Hamburgs Hafen verfügbar zu machen, werden aus der Fraktion DIE LINKE hier zum 29. Mal dem Senat umfassend Fragen zum Themenkomplex gestellt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat,

bezogen auf Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hamburger Hafen sowie durch das Hamburger Stadtgebiet ab dem 02.06.2017 bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage

(bitte die Tabellen in den Anlagen 1 und 2 zu Drs. 21/10244 für alle Transporte entsprechend fortführen):

1. Wann erfolgten Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen (bitte Datum des Eingangs beziehungsweise Ausgangs, soweit vorhanden)?

2. Um welche beförderten Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe handelte es sich dabei jeweils?

3. In welchem Umfang und welcher Menge sind Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe jeweils transportiert worden (bitte Angabe im passenden Maß)?

4. Wie hoch war die jeweilige Aktivität der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe (bitte Angabe im passenden Maß)?

5. Wie wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils klassifiziert?

6. Welche Art von Behältern wurde zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet (bitte genaue Typen-Kennung der Behälter angeben)?

7. Welche Beförderungsmittel (zum Beispiel Schiff, Bahn oder Lkw) wurden zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet?

8. Wo wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils umgeladen?

9. Wie lange wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils gelagert?

10. Wer war der jeweilige Absender (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe?

11. Wer war der jeweilige Empfänger (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und welcher (bei sonstigen radioaktiven Stoffe) der Zielhafen?

Die Angaben zu den meldepflichtigen Kernbrennstofftransporten für den Zeitraum vom 2. September 2017 bis zum 6. Dezember 2017 sind in der Anlage 1 zusammengestellt (zur Legende siehe Anlage 6).

Daten über die im Gefahrgut-Informations-System der Polizei (GEGIS) gemeldeten Transporte liegen nur für die jeweils letzten drei Monate vor. Die Transportvorgänge mit sonstigen radioaktiven Stoffen für den Zeitraum vom 5. September 2017 bis zum 6. Dezember 2017 sind in Anlage 2 zusammengefasst. Die Dauer des Umschlags sowie die Namen und Adressen der Absender und der Empfänger werden in GEGIS nicht erfasst. Außer den auf Grund der GEGIS-Anmeldungen vorliegenden Daten über Gefahrgut-Transporte beinhaltet die Anlage 2 zusätzlich einen Straßentransport, der auf Grund einer Kontrolle (ohne Mangel) dokumentiert ist.

Darüber hinaus enthält die Anlage 2 zwei Transporte von sogenannten Zinnschlacken (sonstige radioaktive Stoffe, Klasse 7/UN 2912), die vor dem 5. September 2017 regelmäßig nicht als Gefahrgut deklariert wurden und somit jeweils einen Verstoß gegen Gefahrgutvorschriften darstellten. Hier zeigen die Kontrollmaßnahmen der Wasserschutzpolizei Wirkung.

12. Zuletzt in der Drs. 21/10244 gab der Senat Überblick über Mängel bei der Kontrolle von Güterbeförderungseinheiten (CTU) im Zusammenhang unter anderem mit radioaktiven Stoffen der Klasse 7 für Schiffe und Lkws bis zum Anfang September.

Sind dem Senat für die Zeit danach solche bekannt?

Wenn ja, bitte mit Datum und möglichst konkreter Beschreibung der Mangelart wie in Anlage 4 zu Drs 21/10244 aufführen.

In der Drs. 20/13644 führt der Senat aus, Umschlag von mit Luftfracht transportierten Kernbrennstoffen habe es in Hamburg seit vielen Jahren nicht gegeben. Über den Transport von sonstigen radioaktiven Stoffen per Luftfracht lägen dem Senat keine Informationen vor, da die Zuständigkeit für die Aufsicht für diesen Transportweg beim Luftfahrtbundesamt liegt. In der Drs. 20/14621 führt der Senat aus, die Zuständigkeit für die Aufsicht über Transporte radioaktiver Stoffe auf bundeseigenen Eisenbahnstrecken liege beim Eisenbahnbundesamt. Vor diesem Hintergrund fragen wir, ob dem Senat über den Schifftransport hinaus auch Beanstandungen bei anderen Transportarten bekannt sind?

Wenn ja, bitte möglichst in der Tabelle mit angeben.

Daten über die bei Kontrollen festgestellten Mängel im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter für den Zeitraum vom 2. September 2017 bis zum 6. Dezember 2017 sind in der Anlage 3 zusammengestellt. In diesem Zeitraum wurden durch die Polizei 214 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter auf Schiffen, auf der Straße und im Schienenverkehr durchgeführt. Davon verliefen 207 Kontrollen ohne Beanstandungen, sieben Kontrollen im Zusammenhang mit dem Verkehrsträger Schiff führten zu drei Mängeln formaler und vier Mängeln sicherheitsrelevanter Art. Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und dem Schienenverkehr wurde kein Mangel im Zuständigkeitsbereich der Polizei Hamburg festgestellt.

 

Bezogen auf zukünftige Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hafen Hamburg sowie durch das Hamburger Stadtgebiet fragen wir, soweit Meldungen vorliegen:

13. Hat es seit Anfang September bei der hamburgischen Genehmigungsbehörde (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz) weitere Antragstellungen/Genehmigungen auf Zulassung zur Beförderung „sonstiger radioaktiver Stoffe“ gegeben?

Wenn ja, bitte die Unternehmen auflisten.

Nein.

14. Wie viele und welche gültigen Genehmigungen für den Transport radioaktiver Stoffe liegen der Umweltbehörde derzeit vor? Bitte auflisten mit Genehmigungsnummer, Beginn und Ende der Genehmigungsdauer, maximal zulässiger Transportzahl und Menge (in Kilogramm oder Tonnen), Absender und Empfänger, Transportmittel und Art des Stoffes sowie der Behälterbezeichnung.

In der Anlage 5 (zur Legende siehe Anlage 6) sind die zum Zeitpunkt dieser Anfrage der zuständigen Behörde vorliegenden Genehmigungen für Kernbrennstofftransporte aufgelistet. Weitere Angaben werden nicht erfasst. Auf die vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (seit 30. Juli 2016 zuständig) regelmäßig aktualisierte Liste aller gültigen Transportgenehmigungen wird verwiesen: (https://www.bfe.bund.de/SharedDocs/Downloads/BfE/DE/fachinfo/ne/transportgenehmigungen.html).

15. Welche politische Ansicht hat der Senat zu Atomtransporten die unter anderem über den Hafen in Hamburg die Atomkraftwerke in aller Welt beliefern und so die Risiken eines erneuten schweren Atomunfalls weiter verschärfen?

Der Transport und Umschlag von radioaktiven Kernbrennelementen ist bundesrechtlich abschließend geregelt. Der Senat erarbeitet mit relevanten Unternehmen an einer freiwilligen Selbstbeschränkung, um auf den Umschlag und Transport derartiger Stoffe im Hafen verzichten zu können.

16. Welcher Gewinn oder Verlust entsteht der HHLA aus dem Umschlag von radioaktiven Stoffen?

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hat mitgeteilt, dass sie als börsennotierte Gesellschaft die Fragen ihrer Aktionäre nur einheitlich auf der jährlichen Hauptversammlung beantwortet, es sei denn, die Informationen sind in öffentlich zugänglichen Quellen verfügbar.

17. Hält der Senat die Einnahmen aus dem Umschlag der radioaktiven Stoffe der Firmen, an denen Hamburg beteiligt ist, für ausreichend, sodass er bereit ist, das Risiko eines Unfalles mit radioaktiven Stoffen bis hin zu einem Super-GAU hinzunehmen?

Siehe Antwort zu 15.

18. Aus diversen Drucksachen zum Thema, zuletzt Drs. 21/10244, geht hervor, dass die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) seit Beginn der Legislaturperiode im Frühjahr 2015 bis Juni mit Vertretern von vier Umschlagsunternehmen sowie Reedereien das Thema Selbstverzicht auf Atomtransporte beziehungsweise -umschlag besprochen habe und senatsseitig „der Prozess“ weiterhin auch „nicht abgeschlossen“ sei.

Sind die senatsseitigen Überlegungen mittlerweile beendet worden?

Wenn ja,

a. bis wann will der Hamburger Senat die „freiwillige Selbstbeschränkung" für Atomtransporte auf den Weg bringen?

b. werden zumindest bei den öffentlichen Hafenbetrieben entsprechende Verbotsregelungen getroffen?

Wenn nein, welche Restriktionen sieht der Senat betreffend der Umsetzung des Willens der ihn tragenden Fraktionen aus dem Koalitionsvertrag von 2015?

19. Haben mittlerweile weitere Gespräche zu freiwilligem Selbstverzicht stattgefunden beziehungsweise sind Termine vereinbart?

Wenn ja, wann mit wem?

Wenn nein, warum nicht?

Die zuständige Behörde befindet sich im kontinuierlichen Austausch mit der Hafenwirtschaft. Es sind weitere Termine vorgesehen. Aus Vertraulichkeitsgründen können die Gesprächspartnerinnen und -partner nicht genannt werden. Im Übrigen ist der Prozess noch nicht abgeschlossen.

20. Am 29.03.17 wurde 18.480 kg „unbestrahltes Uran in Form von UF6“ (Gefahrgut-Klassifizierung 2977) von der Firma Urenco aus Gronau nach Südkorea über das HHLA-Terminal Altenwerder verschifft (Drs. 21/9289). Laut den Angaben des Hamburger Senats in Beantwortung der Frage 19. der Drs. 21/10244, vom 08.09.17 erfolgte der Transport nicht mit dem Hapag-Lloyd-Schiff „Hamburg Express“ nach Südkorea.

Ist es dann zutreffend, dass diese radioaktive Fracht mit dem Containerschiff „Hyundai Dream“ der Reederei Hyundai Merchant Marine befördert wurde? Das Schiff legte allerdings erst am 03.04.17 vom CTA ab.

Wenn nein, welches Schiff transportierte die radioaktive Fracht?

Ja. Nach Informationen der zuständigen Behörde lag das in Rede stehende Schiff vom 1. bis zum 3. April 2017 am CTA.

21. Wenn es zutreffend ist, das die „Hyundai Dream“ die Fracht beförderte, müsste die Lagerzeit im Hafen fünf Tage betragen haben. Welche Lagerzeitangabe des Senates ist richtig?

Die genaue Zeit der Bereitstellung für den Transport ist nicht bekannt. Die Zeit der Bereitstellung für den Transport wird von der Beförderungsgenehmigung des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit abgedeckt.

22. An welchem genauen Tag des für den 29.03.17 angegebenen Transportes von angereichertem UF6 wurde der radioaktive Stoff nun auf ein Schiff geladen?

Der genaue Ladezeitpunkt ist der zuständigen Behörde nicht bekannt.

23. Welche Unternehmen und Speditionen waren an dem Transport beteiligt?

Die erfragten Informationen liegen der zuständigen Behörde nicht unmittelbar vor. Eine Recherche, unter Beteiligung der Unternehmen und Speditionen ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

24. Das Frachtschiff „Link Star“ der Reederei Godby Schipping AB hat den Hamburger Hafen – unter anderem den Unikai – mehrfach angelaufen und es wurden Atomtransporte umgeschlagen. An den Tagen 3.12., 24.11., 18.11. 21.10. 7.10. 2016 sowie 14.1. 2017 war die „Link Star“ nach Augenzeugenberichten am Unikai.

Bitte zu den Tagen jeweils Angaben einzeln auflisten zu:

a) den An- und Ablegezeiten des Schiffes,

b) den als Gefahrgut deklarierten transportierten Stoffen (Export, Import, Transit),

c) den Anlieferzeiten der radioaktiven Stoffe am Unikai,

d) der Menge der radioaktiven Stoffe (Gewicht und Transporteinheit),

e) der Herkunft und den Zielorten der radioaktiven Stoffe,

f) den beteiligten Firmen/Speditionen,

g) den Umschlagsgebühren für die umgeschlagen radioaktiven Stoffe.

Nach Auskunft der Wasserschutzpolizei war das Schiff zu den vermeintlichen Anlaufzeitpunkten 2016 nicht im Hamburger Hafen. In Bezug auf das Jahr 2017 siehe Anlage 4.

In GEGIS werden jedoch nur die Lade- und Löschhäfen erfasst. Daten der in GEGIS gemeldeten Transporte liegen nur für die letzten drei Monate vor.

Im Übrigen siehe auch Antwort zu 16.

25. Hat der Senat Kenntnis, weshalb der Unikai die Ankünfte dieses Schiffes zum Teil nicht bekannt gibt?

Wenn ja, ist dem Senat die Begründung der Verschwiegenheit bekannt?

Wenn nein, wieso ist der Senat nicht informiert?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 16.

26. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass aus der Brennelemente-Fabrik Lingen neue Brennelemente in ein umstrittenes neues Atomkraftwerk (EPR) in Finnland (Olkioto 3) über den Hamburger Hafen geliefert werden?

Die Beförderungen von Kernbrennstoffen werden vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit genehmigt. Es besteht eine Bindung an geltendes Recht.

27. Ist dem Senat bekannt, das verschiedenste Mängel zu einer erheblichen Verzögerung in der Bauzeit des AKW Olkioto führten und ist bekannt, welche das waren?

28. Ist dem Senat bekannt, wann der EPR in den heißen Probebetrieb gehen soll beziehungsweise die Inbetriebnahme geplant ist (Datum bitte nennen)?

Wenn nein, weshalb sind ihm diese Daten nicht bekannt?

Dazu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.

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