SKA: Ermittlung des Unternehmenswerts des Hamburger Fernwärmesystems

Stephan Jersch

Wieviel ist Hamburgs Fernwärmesystem heute wert? Was die Ermittlung dieses Werts angeht, ziehen sich beteiligte Unternehmen und Senat auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zurück und begründen damit die fortdauernde Intransparenz ihres Tuns.

11. Mai 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 04.05.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12938 -

 

Betr.:Ermittlung des Unternehmenswerts des Hamburger Fernwärmesystems

Die Gesellschafterversammlung der Vattenfall Fernwärme Hamburg GmbH (VWH) hat am 15. Dezember 2018 beschlossen, 6,8 Millionen Euro an Planungsmitteln bereitzustellen, um die Vorbereitungen für eine Fernwärmetrasse mit Elbquerung fortzusetzen.

Der von der BUE vorgeschlagenen „Südvariante“ verweigerte der VWH-Mehrheitsgesellschafter Vattenfall am 15. Dezember 2018 seine Zustimmung. Vattenfall verfolgt vielmehr weiterhin den Plan, mit einer „Moorburgvariante“ bis zur Stilllegung des HKW Moorburg Fernwärme aus diesem Steinkohlekraftwerk in das zentrale Hamburger Wärmenetz zu liefern.

Seit Anfang des Jahres 2018 wird durch Gutachter der rechnerische Wert des Fernwärmesystems ermittelt. In Drs. 21/12770 (27.4.2018) erklärte der Senat auf die Frage, aus welchen konkreten Gründen sich die Vorlage des Schiedsgutachtens zum Wert des Fernwärmenetzes, die für Mitte April 2018 angekündigt war, verzögert: „Die Komplexität des Auftrags und die angestrebte Aktualität erforderten die Bereitstellung umfänglicher und teilweise zusätzlicher Daten durch Vattenfall. Die Auftraggeber haben sich vor diesem Hintergrund verständigt, den Bearbeitungszeitraum für den Gutachter bis Mai 2018 zu verlängern.“

Nach dem Protokoll zur Sitzung des Energienetzbeirats am 25.1.2018 (TOP 5, Punkt 83) wird es „einen Schiedsgutachterwert geben, der sowohl mit Moorburg-Anschluss als auch ohne sein wird.“

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Die Ermittlung des Unternehmenswerts gem. IDW S 1 Standard durch den gemeinsam von Vattenfall und der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögen- und Beteiligungsmanagement GmbH (HGV) beauftragten Gutachter erfolgt auf der Grundlage von Betriebs- und Geschäftsdaten der beteiligten Unternehmen. Diese unterliegen überwiegend als Einzeldaten, Verträge und Planungen bzgl. Kundenbeziehungen, Bezugs- und Lieferkonditionen, internen Kalkulationsgrundlagen, Personalmanagement, und Investitions- und Bauplänen dem Schutz als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, deren Bekanntwerden einen wirtschaftlichen Nachteil für die Unternehmen verursachen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn das Bekanntwerden einer Tatsache geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Konkurrenten zu fördern oder die Stellung des eigenen Betriebs im Wettbewerb zu schmälern, oder wenn es geeignet ist, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (Vgl. BVerfGE 115 S. 205, 230). Die Angaben entziehen sich damit einer Veröffentlichung im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage.

Im Übrigen unterliegt auch der Austausch der Auftraggeber mit dem Gutachter der Vertraulichkeit. Zudem ist die Unternehmensbewertung noch nicht abgeschlossen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HGV wie folgt:

 

1. Nach Drs. 21/11733 hat die Behörde für Umwelt und Energie mit der sog. „Südvariante“ im Dezember 2017 einen städtischen Vorschlag für den Ersatz des Kohlekraftwerks in Wedel vorgelegt. Wo ist dieser Vorschlag im Einzelnen, detailliert und nach Möglichkeit öffentlich einsehbar, dokumentiert?

2. Wo ist der Vorschlag von Vattenfall, die sog. „Moorburgvariante“, im Einzelnen, detailliert und nach Möglichkeit öffentlich einsehbar, dokumentiert?

Die Behörde für Umwelt und Energie hat die städtische Südvariante zuletzt in einer Sondersitzung des Energienetzbeirats am 23. November 2017 sowie am 19. Januar 2018 im Ausschuss für Umwelt und Energie der Hamburgischen Bürgerschaft detailliert vorgestellt und dort auch dokumentiert. Der Vorschlag von Vattenfall wurde bislang nicht öffentlich gemacht.

Im Übrigen siehe http://www.hamburg.de/energienetzbeirat/10014454/sitzung-23-11-2017/

 

3. Welche Art von zusätzlichen Daten soll nach Drs. 21/12770 durch Vattenfall für die Wertermittlung bereitgestellt werden?

4. Haben die Daten, die zusätzlich von Vattenfall bereitgestellt werden sollen, mit den Verläufen der neu zu bauenden Fernwärmetrassen zu tun?

Siehe Vorbemerkung.

 

5. Für wann ist gegenwärtig die Vorlage des Schiedsgutachtens zum Wert des Fernwärmenetzes zu erwarten?

Siehe Drs. 21/12770.

 

6. Ist es richtig, dass der Schiedsgutachter sowohl einen Unternehmenswert mit Moorburg-Anschluss („Moorburgvariante“) als auch einen Unternehmenswert für die von der BUE geplante „Südvariante“ ohne einen Moorburganschluss liefern soll?

Wenn nein: Wie ist die oben zitierte Feststellung im Protokoll des Energienetzbeirats zu verstehen?

Nein. Die Absicht, zusätzlich parallel zur Unternehmensbewertung eine indikative Wertermittlung der städtischen Südvariante durchführen zu lassen, ist aus zeitlichen Gründen nicht weiter verfolgt worden.

 

7. Welche Einspeisepunkte für Fernwärme vom HKW Moorburg werden für die Ermittlung des Unternehmenswertes in der „Moorburgvariante“ vorgesehen?

8. Entsprechen diese Einspeisepunkte in der „Moorburgvariante“ denjenigen, die in der Scoping-Unterlage zur „Wärmeanbindung Moorburg“ vom 27.4.2018 auf den Seiten 6 und 9 dargestellt wurden?

9. Welche der zusätzlichen Trassen zur Erschließung von Wärme aus den industriellen Wärmequellen von ARCELOR und TRIMET und aus der geplanten Abwasserwärmepumpe Dradenau und welche Übergabeeinrichtungen werden im Rahmen der Bestimmung des Unternehmenswerts bei der „Moorburgvariante“ berücksichtigt?

10. Wird bei der Berechnung des Unternehmenswerts der „Moorburgvariante“ die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) als umfangreiche Fernwärmequelle, die in das städtische Fernwärmenetz einspeisen soll,berücksichtigt?

11. Wie, aus welchen Wärmequellen und mit welcher Netzanbindung wird bei der Berechnung des Unternehmenswertes der „Moorburgvariante“ die Versorgung der Ölwerke Schindler mit Ferndampf berücksichtigt?

Im Rahmen einer Unternehmensbewertung wird bei Investitionen das Zahlenwerk auf Plausibilität und die technische Planung auf ihre generelle Umsetzbarkeit betrachtet. Planungsunterlagen für genehmigungsrechtliche Verfahren sind nicht Gegenstand einer Unternehmensbewertung. Daneben betreffen die Datengrundlagen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Unternehmen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

12. Wie, aus welchen Wärmequellen und mit welcher Netzanbindung wird bei der Berechnung des Unternehmenswertes der „Südvariante“ die Versorgung der Ölwerke Schindler mit Ferndampf berücksichtigt?

13. Wird im berechneten Unternehmenswert für die „Südvariante“ berücksichtigt, dass die Nacherhitzung und Besicherung mit einem sehr leistungsfähigen Gas-Heizwerk in Dradenau vorgenommen werden soll?

14. Wurden den Gutachtern für die Ermittlung des Unternehmenswertes mit der „Südvariante“ Originalkostendaten der planenden Unternehmen wie Hamburg Wasser oder nur indikative Kostendaten bereitgestellt?

Siehe Antwort zu 6.

 

15. Ist dem Senat bekannt, auf welche Art und Weise und aus welchen Informationsquellen ab dem 6. April 2018 ein „Zwischenstand“ des Unternehmenswertes von 550 bis 725 Millionen Euro der Hamburger Presse bekannt wurde?

Nein.

 

16. Hält der Senat es für plausibel, dass sich der niedrigere Wert des „Zwischenstands“ auf die „Südvariante“ und der höhere Wert auf die „Moorburgvariante“ bezieht?

Wenn nein: Warum nicht?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.