SKA: Feinstaubauswirkungen auf die Menschen in Hamburg und dem Umland: Würde die Freie und Hansestadt Hamburg noch nicht eingeführte PM2,5-Grenzwerte einhalten?

Stephan Jersch

An 11 Stellen in Hamburg wird aktuell die Feinstaubbelastung gemessen, an 5 (von diesen 11?) auch die mit dem sehr gefährlichen ultrafeinen Staub (PM2.5). Angeblich hat dessen Immissionswert an diesen 5 Stellen den gesetzlichen Höchstwert nicht überschritten. Der Senat plant nicht, die Menschen bei überhöhter Feinstaubbelastung proaktiv zu warnen, sondern überlässt es ihnen, sich im Internet zu informieren.

13. April 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Stephan Jersch und Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 05.04.18

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12593 -


Betr.:    Feinstaubauswirkungen auf die Menschen in Hamburg und dem Umland: Würde die Freie und Hansestadt Hamburg noch nicht eingeführte PM2,5-Grenzwerte einhalten?

„Feinstaub PM2,5“ ist mit einem aerodynamischen Durchmesser von höchstens 2,5 Mikrometern, Feinstaubteilchen PM10 von höchstens 10 Mikrometer definiert. Sie werden mit der Atemluft aufgenommen.

Rußpartikel in der Atemluft sind ebenso krebserregend wie Asbest. Angesichts ihrer winzigen Größe werden sie nicht von Nasenhaaren, Bronchen oder Lungenbläschen gefiltert. So geraten sie über die Blutbahn in Herz und Hirn und können unter anderem für Herzkreislauferkrankungen, Herzinfarkte und Alzheimer verantwortlich gemacht werden.

Der Senat hat seinen Luftreinhalteplan vom letzten Sommer jedoch nicht auf Feinstaub, sondern nur auf Stickoxide ausgerichtet. Zwar sind laut Luftreinhalteplan des Senates die gesetzlichen Auflagen für PM10 (Tagesmittelwert: 50 µg/m³ Jahresmittelwert 40 µg/m³) eingehalten – der Grenzwert von 50 μg/m³ für PM10 darf laut EU-Regelung an 35 Kalendertagen überschritten werden. Unbestritten ist aber neben Stickoxiden und Schwefeloxiden insbesondere die Belastung mit Feinstaub und ultrafeinen Rußpartikeln aus Motoren eine große Gefahr für die Gesundheit der Bewohner/-innen unserer Stadt. Besonders gefährdet sind Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke.

Das hohe Risiko für die Gesundheit hat die Weltgesundheitsorganisation WHO zu deutlich strengeren Grenzwertempfehlungen von 20 μg/m³ bei PM10 veranlasst. Dieser Richtwert liegt also deutlich unter den rechtswirksamen Grenzwerten der EU.

Der Gefährlichkeit des Feinstaubs mit einem Teilchendurchmesser von lediglich 2,5 μm (PM2,5), für den es bisher keinen Grenzwert gab, soll nun mit
einer EU-Richtlinie Rechnung getragen werden. Deutschland muss die jährlichen PM2,5-Emissionen ab 2020 um 26 Prozent zum Bezugsjahr 2005 reduzieren und ab 2030 um 43 Prozent, so der Referentenentwurf der geschäftsführenden Bundesregierung (Bearbeitungsstand: 26.01.2018) zur neuen Richtlinie (EU) 2016/2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe (vergleiche: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Gesetze/reduktion_emissionen_luftschadstoffe_entwurf_bf.pdf
). Die Richtlinie ist im Wesentlichen bis zum 30. Juni 2018 in nationales Recht umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Mit der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa gibt die Europäische Union (EU) verbindliche Luftqualitätsziele vor. Die Vorgaben der EU-Richtlinie wurden mit der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) in deutsches Recht umgesetzt.

In der 39. BImSchV sind alle Grenz- und Zielwerte für Luftschadstoffe aufgeführt, die von den Ländern und Kommunen eingehalten werden müssen. Seit 2015 ist auch für kleinere Feinstaubpartikel (PM2,5) ein Jahresmittelgrenzwert von 25 µg/m³ verbindlich einzuhalten.

In Hamburg werden mit einer Ausnahme alle Ziel- und Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten. Lediglich an einigen eng bebauten und vielbefahrenen Straßen kommt es derzeit zur Überschreitung des zulässigen NO2-Grenzwertes im Jahresmittel.

Die Überwachung der Luftqualität erfolgt durch das Hamburger Luftmessnetz mittels kontinuierlicher Messungen an den ortsfesten Messstationen. Die Messwerte können tagesaktuell unter luft.hamburg.de abgerufen werden. Zusätzlich stehen die Jahresergebnisse des Hamburger Luftmessnetzes als Download bereit¹.

Die von der WHO veröffentlichten Empfehlungen sind hinsichtlich ihrer rechtlichen Bindungswirkung von den geltenden Immissionswerten der 39. BImSchV zu unterscheiden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:


1.    Auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg gibt es zahlreiche Messstellen.
i.    Wie viele Messstellen sind in der Lage, Feinstäube PM10 und PM2,5 zu erfassen?
ii.    Wie viele Messstellen erfassen diese Feinstäube tatsächlich?
iii.    Wie viele Messstellen wären nach einer Umrüstung in der Lage, auch Feinstaubbelastungen (PM10 und/oder PM2,5) zu messen?

In 11 Messstationen wird aktuell die PM10 - Konzentration erfasst. Fünf Messstationen erfassen derzeit die PM2,5 - Konzentration.

14 derzeit betriebene Luftmessstationen könnten nach einer Umrüstung die PM10 und PM2,5 - Konzentration messen.


iv.    Wie lange würde eine Umrüstung dauern und was würde sie kosten?
v.    Ist eine solche Umrüstung geplant?
Wenn ja, an welchen Standorten und wann?

Die Materialkosten für eine Erweiterung aller geeigneten Messstellen (inkl. Anschaffung der Geräte) würden derzeit auf 350.000 – 400.000 € geschätzt. Allerdings genügen die vorhandenen Messstellen den rechtlichen Anforderungen der 39. BImSchV.

Die Station Flughafen wird z.Z. zusätzlich mit einem PM2,5 - Messgerät ausgerüstet.


2.    Gibt es derzeit vorbereitende Arbeiten zur Berücksichtigung neuer PM2,5-Grenzwerte?
3.    Von welchen Grenzwerten PM2,5 geht der Senat dabei aus?

Siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 1. iv. und v.


4.    An wie vielen Tagen in 2017 und 2018 wurde jeweils
i.    der von der WHO festgelegte Grenzwert für PM10 (20 Mikrogramm),

2017 wurde der Immissionsgrenzwert im Jahresmittel für PM10 gemäß 39. BImSchV an allen Luftmessstationen in Hamburg unterschritten. Größtenteils wurde auch die von der WHO empfohlene PM10 - Konzentration im Jahresmittel unterschritten.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
Jahresmittelwerte für 2018 werden Anfang 2019 veröffentlicht.


ii.    der bald geltende EU-Grenzwert für PM2,5 überschritten?

2017 wurde der Immissionswert für PM2,5 gemäß 39. BImSchV an allen Luftmessstationen in Hamburg unterschritten. Im Übrigen siehe  Jahresergebnisse des Hamburger Luftmessnetzes für 2017. Demnach betrug die maximale PM2,5-Konzentration im Jahresmittel für 2017 17 µg/m³.

Jahresmittelwerte für 2018 werden Anfang 2019 veröffentlicht.


5.    Welche Belastungen – gemessen an den in der EU-Richtlinie vorgesehenen Grenzwerten – sind für Hamburg in 2017 aufgetreten. Bitte angeben: Anzahl der Tage mit Überschreitungen, Peak-Werte je Messstation.

Es wird auf die veröffentlichten Jahresergebnisse des Hamburger Luftmessnetzes für 2017 verwiesen.


6.    Wie soll gegebenenfalls eine Interpolation entsprechend dem Verfahren bei NOx in Bezug auf PM 10 und PM2,5 für die Freie und Hansestadt Hamburg vorgenommen werden?

Eine Interpolation ist nicht geplant.


7.    Wie will der Senat die Richtlinie (EU) 2016/2284 in die Praxis umsetzen? Wird es zum Beispiel eine 3. Fortschreibung des LRP geben?
Wenn ja, wann ist dies vorgesehen?

Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2284 in nationales Recht erfolgt auf Bundesebene.


8.    Wie steht der Senat zu einer Praxis wie in Stuttgart, bei Feinstaubhöchstwertüberschreitungen oder der Gefahr davon die Bevölkerung zu warnen?

Die Veröffentlichung der Messdaten des Hamburger Luftmessnetzes geschieht routinegemäß auf der in der Vorbemerkung angegebenen Internetadresse und gibt jeder Bürgerin und jedem Bürger einen Überblick über die Luftqualität in Hamburg. Eine gesonderte Warnung ist nicht vorgesehen und gemäß 39. BImSchV nicht erforderlich.

Der Feinstaubalarm in Stuttgart ist als Maßnahme Bestandteil des dortigen Luftreinhalteplans. Stuttgart hat dies in den Luftreinhalteplan aufgenommen, da der Jahresgrenzwert und der Tagesgrenzwert für Feinstaub dort seit mehreren Jahren regelmäßig und deutlich überschritten werden. Dies ist in Hamburg nicht der Fall.

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¹ http://luft.hamburg.de/datenarchiv-und-stationsinfos/4369176/jahresergebnisse/