SKA: Flugzeug reißt bei Anflug auf Fuhlsbüttel Loch in Hausdach

Stephan Jersch

Wirbelschleppen sind kein modisches Accessoire, sondern aerodynamische Phänomene hinter fliegenden Flugzeugen. Bei startenden oder landenden Flugzeugen am Hamburger Flughafen führten sie in den vergangenen vier Jahren fünf bis sieben Mal zu Dachschäden an Häusern in Flughafennähe, teilt der Senat hier mit.

22. Mai 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Stephan Jersch und Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 14.05.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/13019 -


Betr.: Flugzeug reißt bei Anflug auf Fuhlsbüttel Loch in Hausdach

Am Freitag, 20.04.18 und Mittwoch, 25.04.18 haben beim Landeanflug auf den Hamburger Flughafen Flugzeuge Ziegel von Hausdächern gesogen.

Der Hamburg Airport spricht von möglichem "Wirbelschleppschaden". Untersuchungen zu dem Vorfall in Alsterdorf  würden laufen.

Laut Hamburg Airport seien Wirbelschleppen ein typisches Phänomen. In der Hansestadt würden etwa fünf solcher Vorfälle im Jahr dokumentiert, so kommentierte die Flughafen-Sprecherin Katja Bromm den Vorfall.

Im Zusammenhang mit diesem Vorfall ergeben sich auch Nachfragen betreffs der Sicherheitszertifizierung des Hamburg Airport – Helmut Schmidt gem. EU-Verordnungen 216/2008 und 139/214.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
 
Als Wirbelschleppen werden die zwei gegenläufigen Luftwirbel bezeichnet, die jedes Flugzeug auf seiner Flugbahn hinterlässt. Die Luftwirbel entstehen, weil der Druckunterschied zwischen Unter- und Oberseite der Tragflächen an deren Enden eine Umströmung von unten nach oben erzeugt. Bei ausgefahrenen Landeklappen verstärkt sich die Intensität der hinter dem Flugzeug verbleibenden schlauchartigen Wirbel. Im Normalfall lösen sich Wirbelschleppen rasch auf, bevor sie auf Hausdächer gelangen können. Bei Windstille und einer homogenen Lufttemperaturverteilung können sie jedoch im Einzelfall lange genug stabil bleiben, um außerhalb des Flugplatzgeländes insbesondere höher liegende Dächer zu erreichen und dort im ungünstigsten Fall Dachziegel herauszulösen.

Die Zahl der bei der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) gemeldeten und von den Geschädigten auf Wirbelschleppen zurückgeführten Schäden ist seit Jahren auf weitgehend konstantem Niveau.

Die Luftverkehrsgesellschaften sind grundsätzlich als Verursacher der Schäden für die Entschädigung der Hauseigentümerinnen und -eigentümer zuständig. Gleichwohl unterstützt die FHG bei solchen Vorkommnissen jeweils bei Schadensregulierung und Ursachenklärung.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der FHG wie folgt:


1. In welcher Anzahl sind solche Vorfälle für den Hamburger Flughafen in den letzten fünf Jahre dokumentiert?

2. An welchen Orten und mit welcher genauen Datierung fanden diese Vorfälle statt?

Auf dem Hamburger Stadtgebiet gab es folgende Vorfälle:

 

2013

2014

2015

2016

2017

2018

8. Januar

20. Februar 

22. Januar 

10. März

13. Februar

13. April

8. Februar

26. März

12. Februar

10. März

19. März

20. April

3. Mai

1. April

9. März

30. Juli

27. März

25. April

7. Mai

17. April

22. April

1. September

 

28. April*

7. Mai

3. Juni

27. April

21. Oktober

 

 

21. Mai

14. Juni

2. Juni

 

 

 

 

22. Juni

19. Oktober

 

 

 

*Schaden aufgenommen.

In Schleswig-Holstein gab es einen Vorfall dieser Art am 11. April 2016.

 

3. Wie waren die jeweiligen Schadenshöhen?

Die Schadenshöhen verteilen sich wie folgt:
neun Vorfälle ohne einen bezifferten Schaden,
zwölf Vorfälle mit einem Schaden zwischen 1 und 500 €,
zehn Vorfälle mit einem Schaden zwischen 501 und 1.500 € und
zwei Vorfälle mit einem Schaden zwischen 1.501 und 3.000 €.
    

4. Sind Personenschäden eingetreten? Wenn ja, wie viele?

Nein.


5. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden sind um diese Vorfälle zu vermeiden?

An Orten, an denen in der Vergangenheit entsprechende Windlasten beobachtet werden konnten, wurden die Hamburger Dachflächen grundsätzlich verklammert. Bisher erfolgte dies je nach Dachtyp an jeder zweiten bzw. vierten Dachpfanne. Durch das bessere Ineinandergreifen der Überlappungen bei modernen Pfannen wurde teilweise auf Empfehlung der Dachdeckerinnung dazu übergegangen, nur noch die Randbereiche zu verklammern. Zusätzlich hat die FHG im Rahmen der Fluglärmschutzprogramme damit begonnen, einzelnen Hauseigentümerinnen und -eigentümern, deren Hausdächer augenscheinlich ungenügend bis gar nicht verklammert waren, anzubieten, dass sie sich an Maßnahmen zur Nachsicherung der Dächer finanziell beteiligt.  


6. Wann hat der Hamburger Flughafen die Sicherheitszertifizierung gem. EU-Verordnungen 216/2008 und 139/214 durch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, von der in der Drs. 21/11613 die Rede ist, erhalten?

Im Dezember des Jahres 2017.


a. Welche, lt. Drs. 21/11613 zulässigen, Abweichungen von den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 wurden ggfs. festgestellt?

Es handelt sich um historisch bedingte und in der Bestandsflughafenstruktur begründete Abweichungen, wie sie an allen europäischen Flughäfen zu finden sind. Diese sind im Bescheid enthalten.

Das dem Flughafen erteilte Zertifikat bezeugt, dass der Flughafen über eine den europäischen Vorschriften entsprechende Infrastruktur und sichere Betriebsverfahren verfügt. Auf Vorkommnisse, die während des Anflugs auftreten und - wie ausgeführt - technisch bedingt sind, hat die FHG keinen Einfluss. Sie sind auch nicht Gegenstand des Zertifikats.


b. Wie wurde im Einzelnen die Zulässigkeit der jeweiligen Abweichung begründet?

Die Zulässigkeit der Abweichungen wurde jeweils durch detaillierte Sicherheitsbewertungen sowie Inspektionen und Audits vor Ort begründet.