SKA: Gibt es in Hamburg einen Zwang zur wilden Sperrmüllentsorgung?

Stephan Jersch

Wer in Hamburg arm ist und über kein Auto verfügt, hat wenig Chance, seinen Sperrmüll kostenneutral loszuwerden.

02. April 2019

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 25.03.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/16626 -


Betr.:    Gibt es in Hamburg einen Zwang zur wilden Sperrmüllentsorgung?

Die Sperrmüllentsorgung in der FHH wird durch die Stadtreinigung Hamburg (SRH), ein öffentliches Unternehmen, durchgeführt.

Die Stadtreinigung Hamburg berechnet in Vorkasse bzw. bei Abholung des Sperrmülls 35 Euro für bis zu acht Kubikmeter Sperrmüll, zu denen bei großen Sperrmüllstücken noch Gebühren für die Zerlegung des Mülls anfallen (7,50 Euro pro Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin und angefangener Viertelstunde). Der Vollständigkeit sei auch hinzugefügt, dass die Sperrmüllabgabe für Privatpersonen auf den Recyclinghöfen kostenlos ist, soweit Anfahrts- und Fahrzeugkosten außer Acht gelassen werden.

Obwohl nach Rechtsprechung Sperrmüll zu den Kosten der Unterbringung gezählt werden müssen scheint dies bis zu den zuständigen Behörden nicht gänzlich durchgedrungen zu sein, so dass Menschen mit dem Verweis auf die Grundsicherung bzw. Hartz IV (Regelsatz 424 Euro) abgewiesen werden. Ansonsten findet eine Erstattung auch erst im Nachgang statt, während die SRH ein Lastschriftmandat bzw. eine Vorab-Überweisung verlangt.

Beim Blick über die Landesgrenze, z.B. auf die Stadt Norderstedt, ist festzustellen, dass dort grundsätzlich keine Gebühren für die Abholung „normaler“ Sperrmüllmengen anfallen. Eine Vorkasse von 35 Euro, selbst unter der Voraussetzung, dass die zuständige Behörde die Kosten im Nachhinein übernimmt, ist eine immense Belastung für Menschen, die vom Regelsatz leben müssen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Die Beschaffung, Instandhaltung und Verwertung von Hausrat und somit auch die Sperrmüllentsorgung ist grundsätzlich eine Privatangelegenheit der Bürgerinnen und Bürger. Dies gilt auch für Bezieherinnen und Bezieher staatlicher Transferleistungen. Für diese können Sperrmüllkosten allenfalls im Rahmen eines Umzuges als Bedarf für Unterkunft und Heizung übernommen werden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Stadtreinigung Hamburg (SRH), der Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (AA) wie folgt:

 

1. Wie viele Anträge auf Übernahme der Sperrmüllkosten wurden von Bezieherinnen und Beziehern von ALG II (Hartz IV) und Grundsicherung in Hamburg gestellt? Bitte für die letzten fünf Jahre aufführen.

2. Wie wurden diese Anträge jeweils beschieden?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehen Zeit nicht möglich, da hierfür rund 145.000 Leistungsakten ausgewertet werden müssten.

 

3. Wie viele Sperrmüllabholung gab es im gleichen Zeitraum durch die SRH?

JahrAlle PrivathaushalteGesamt
20142278933993
20152261634646
20162224434331
20172217333790
20182233933779

 


4. Welche Möglichkeiten haben Hamburgerinnen und Hamburger, die über kein Konto verfügen, ihren Sperrmüll abholen zu lassen?

Die SRH bietet ihren Kundinnen und Kunden Vorkasse, SEPA-Mandat/Einmallastschrift oder EC-Kartenzahlung an. Eine Barzahlung wird seit 1.Januar 2019 nicht mehr angeboten, da sie nur selten genutzt wurde und der damit verbundene Verwaltungsaufwand unangemessen hoch war.

Im Übrigen siehe auch Antwort zu 7.

 

5. Ist der Senat der Meinung, dass Sperrmüllkosten in Höhe von 8,25 Prozent der monatlichen Transferzahlung (beim Regelsatz) von den Kundinnen und Kunden, die Transferleistungen erhalten, vorfinanziert werden können und müssen?

6. Ist der Senat der Meinung, dass angesichts der nicht vorhandenen Sozialstaffelung, Sperrmüllkosten von der Arbeitsagentur bzw. dem Grundsicherungsamt zumindest erstattet werden müssen?

Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass Sperrmüllkosten nicht monatlich anfallen.

 

7. Gibt es bei der Entscheidung der SRH zur Erhebung der Sperrmüllgebühren eine Abwägung, auf deren Basis Regelungen wie in Norderstedt mit sozial gestaffelten Gebühren oder einer Abwicklung auf Basis einer Kostenübernahmeerklärung durch die Arbeitsagentur bzw. das Grundsicherungsamt getroffen wurden?

a. Wenn ja: Wie sieht das Ergebnis dieser Abwägung aus?

b. Wenn nein: Warum nicht?

Die Staffelung einer Gebühr nach dem Vermögen des Kunden ist nicht möglich. Eine Kostenübernahme durch Dritte ist jedoch grundsätzlich möglich, da eine Vorab-Bezahlung durch Überweisung auch durch Dritte vorgenommen werden kann. Damit ist auch eine Sperrmüllabholung auf Basis einer Kostenübernahmeerklärung möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

Nach Auskunft der Stadt Norderstedt gibt es dort keine sozial gestaffelten Gebühren, sondern ein Gutscheinsystem.

 

8. Gehen der Senat oder die SRH davon aus, dass die Höhe der Sperrmüllgebühren Einfluss auf die Nutzung der Sperrmüllabfuhr bzw. auf den Anfall von Sperrmüll, insbesondere bei Bezieherinnen und Beziehern von Transferleistungen, hat?

a. Wenn ja: Welche Auswirkungen sehen Senat und SRH?

b. Wenn nein: Warum nicht?

Eine gesonderte Betrachtungsweise der Nutzung der Sperrmüllabfuhr bei Bezieherinnen und Beziehern von Transferleistungen findet nicht statt.

Ein allgemeiner Effekt ist jedoch dahingehend zu erkennen, dass sowohl Nachbarn als auch Wohnungsgesellschaften gemeinsame Abholtermine organisieren, um die Kosten zu minimieren. Diese Lenkungswirkung ist gewünscht, um Kleinaufträge zu bündeln. Weiterhin trägt die Gebühr auch dazu bei, dass motorisierte Hamburgerinnen und Hamburger etwa 80 % des Sperrmülls selbst am Recyclinghof (in haushaltsüblichen Mengen) gebührenfrei anliefern.