SKA: Gibt es rechtsextremistische Versuche zur Einflussnahme in Kleingärten?

Stephan Jersch

Rechtsextremistische Umtriebe sind auch in Hamburgs Kleingärten zu verzeichnen. Im Fall des Kleingartenvereins »Am Buller« in Tatenberg, Bezirk Bergedorf, laufen Ermittlungen. Wie der Dachverband der Kleingartenvereine (LGH) sich zu der dort bekannt gewordenen Situation positioniert, darüber schweigt der Senat. Doch ansonsten engagiert sich der LGH geradezu vorbildlich und hat zuletzt vor 8 Jahren eine Aufklärungsschrift zum Rechtsextremismus herausgebracht.

13. September 2019

 Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 05.09.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/18274 -


Betr.:     Gibt es rechtsextremistische Versuche zur Einflussnahme in Kleingärten?

Hamburgs Kleingartenvereine üben für die Stadt nicht nur wichtige ökologische Funktionen aus, sondern erfüllen auch wichtige soziale Aufgaben in einer lebenswerten Metropole wie Hamburg.

Der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e.V. (LGH) und viele Kleingartenvereine Hamburgs haben sich nicht nur, aber gerade auch, in den letzten Jahren um die Integration von geflüchteten Menschen gekümmert und mit Unterstützung der FHH hier eine gute Arbeit geleistet. In der Mustersatzung des LHG, die alle angeschlossenen Hamburger Kleingartenvereine umsetzen mussten, heißt es zum Vereinszweck, dass dieser u.a. aus der „Entwicklung der Mitgliedergemeinschaft und des Vereinslebens“ besteht. Diesen wichtigen Zielen für die Stadt und ihre Menschen steht das Bestreben von Rechtsextremisten entgegen, die versuchen, mit ihrem rechtsextremistischen und menschenfeindlichen Gedankengut Fuß im Kleingartenwesen der FHH zu fassen.

Dass Rechtsextremisten unter vorgeschobenen Anlässen, wie z.B. Geburtstagsfeiern, auch Vereinsheime von Kleingartenvereinen für ihre Veranstaltungen anmieten, ist kein spezifisch hamburgisches Thema und auch hier schon öfter vorgekommen. Aus diesem Anlass wurde bereits ein Informationsflyer für Vereinsvorstände zur Abfassung von Mietverträgen in Hamburg herausgebracht. In einer Veröffentlichung aus 2012 („Rechtsextremismus in Bergedorf eine Stadtteilanalyse“ des Kommunalpädagogischen Instituts Hamburg) heißt es dazu: „Schließlich wurde von einzelnen Versuchen rechtsextremistischer Personen berichtet, unter dem Deckmantel eines privaten Anlasses Räume, beispielsweise in Kleingartenvereinen, für Feierlichkeiten der Szene anzumieten“. Mit der Broschüre „Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen, ein Ratgeber für die Gastronomie" wurde vom Mobilen Beratungsteam (MBT) gegen Rechtsextremismus in Kooperation mit dem DEHOGA eine Broschüre zum Thema Vermietung von Räumen herausgegeben.

Bundesweit ist nun festzustellen, dass rechtsextremistische Strukturen sich nicht nur über getarnte Anmietungen in Vereinsheimen, sondern auch auf Kleingartenparzellen treffen.

Umso befremdlicher war ein in der Öffentlichkeit und der Presse diskutierter Brief an den LGH, in dem davor gewarnt wurde, dass einzelne Personen mit offensichtlich rechtsextremistischen Bezügen für den Vorstand eines Kleingartenvereins kandidieren wollten.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1 Welche Kenntnisse liegen dem Senat zu rechtsextremistischen Veranstaltungen in Kleingartenvereinen auf dem Gebiet der FHH vor, die seit 2011 ausgerichtet wurden? Bitte mit Veranstaltungsthema bzw. -zweck und Jahreszahl sowie dem jeweiligen Ort (Vereinsheim, Parzelle o.ä.) aufführen.

Dem Senat liegen Erkenntnisse zu zehn Veranstaltungen im Sinne der Fragestellung vor. Weitere Angaben über diese Veranstaltungen ließen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zu. Eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden. Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden.

 

2 Gibt es Erkenntnisse des Senats oder der Behörden, dass Rechtsextremisten versuchen, Einfluss in Vorständen von Kleingartenvereinen in der FHH zu gewinnen?
a. Wenn ja: Wie sehen diese Erkenntnisse aus?

Der zuständigen Behörde ist ausgehend von der öffentlichen Thematisierung das vom Fragesteller in der Eingangsbemerkung benannte Schreiben an den LGH bekannt. Konkrete Erkenntnisse über den dort geschilderten Inhalt hinaus liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

Am 31. August 2019 wurde von Mitgliedern des Vereins „Gartengemeinschaft am Buller e.V. -620-“ bei der Polizei eine Strafanzeige wegen übler Nachrede gemäß § 186 Strafgesetzbuch erstattet, da in einem anonymen Schreiben Vorwürfe gegen Einzelpersonen des Vereins erhoben wurden, wonach zwei Vereinsmitglieder Kontakte zu Neonazi-Milieus haben sollen. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Darüberhinausgehende Erkenntnisse liegen dem Senat derzeit nicht vor.

 

3 Welche Kenntnisse hat der Senat über Angebote (z.B. Handreichungen), die der LGH für seine angeschlossenen Vereine vorhält, um eine Sensibilisierung in Bezug auf Veranstaltungen, Anmietungen oder auch Wahlen zu Vereinsvorständen bei den Kleingartenvereinen zu befördern?

Der LGH nutzt u. a. seine Schulungsaktivitäten, insbesondere für neue Vorstände, um eine Sensibilisierung der Vorstände zu dem Thema zu erreichen. Im Jahr 2011 wurden u. a. Informationen an alle Vereinsvorstände verschickt, die sich auf Merkblätter der Polizei Hamburg für Vermieter/-innen von Veranstaltungsräumlichkeiten an die Vorstände bezogen. Der Zweck war und ist, die Vereine vor unseriösen (u. a. ausdrücklich rechtsextremen) Anmietungen zu schützen.

Hinweise wurden auch in der Verbandszeitschrift „Gartenfreund“ im Februar 2011 mit einem Artikel „Vor `Wölfen im Schafspelz` in Acht nehmen“ veröffentlicht, und damit allen Mitgliedern in den Vereinen zugänglich gemacht. Die Aufklärungsarbeit soll laut LGH u. a. in Zusammenarbeit mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus, Arbeit und Leben DGB/VHS Hamburg e.V. weiter intensiviert werden.

Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum rechtsextremistischen „Tag der deutschen Zukunft“ 2012 in Hamburg wurde von LKA und Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg das „Gaststättenkonzept“ entwickelt. U. a. auf dieser Grundlage führen Polizei und Verfassungsschutz in Hamburg Präventionsgespräche mit Gaststätten- und Vereinsheimbetreibern, deren Lokalitäten als Treff- und Veranstaltungsorte von Extremisten im Gespräch sind.

Darüber hinaus stehen die Sicherheitsbehörden auf Anforderung für Beratungen in Einzelfällen zur Verfügung.

 

4 Ist dem Senat bekannt, wie der LGH konkret auf den o.g. Brief reagiert hat, in dem anhand einiger konkreter Beispiele Bezüge von Vorstandskandidaten zum Rechtsextremismus aufgezeigt wurden? Wie werden die im Brief aufgeführten Vorwürfe seitens des LGH einerseits und seitens der Behörden der FHH andererseits bewertet?

Der Vorfall ist Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. Darüberhinausgehende Erkenntnisse liegen dem Senat nicht vor.

Verwandte Nachrichten