SKA: Gruppenfreistellung in der Containerschifffahrt

Stephan Jersch

Eine Senatsantwort, die an Inhaltsleere wohl kaum zu übertreffen ist. Statt auf konkrete Fragen konkret zu antworten, ergehen sich Senat und HPA im Nacherzählen von Altbekanntem.

14. Mai 2019

Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 07.05.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/17110 -


Betr.:    Gruppenfreistellung in der Containerschifffahrt

Im weltweiten Seetransport hat die Konzentration im Bereich der Reedereien zu mittlerweile rund 80 Prozent in der Hand von drei sog. (Containerschifffahrts-)Allianzen geführt.

Diese Marktmacht führt zu einer schwierigen Situation gerade im Bereich der landseitigen Infrastruktur. Das Größenwachstum bei Containerschiffen scheint ungebrochen. In China sollen derzeit Schiffe von 24.000 TEU mit 17 m Tiefgang und einer Breite von 64 m in Bau sein. Die steigenden Schiffsgrößen, die bei den Reedern nur noch zu geringen Kosteneinsparungen führen, bedingen land-und hafenseitig teils aber große neue Investitionen in Kaianlagen, Kräne und Hinterlandverkehrsstruktur sowie Baggerei. Die wachsende Marktmacht der Reedereien bedroht die Kostenstrukturen der landseitigen Unternehmen auch in Hamburg.

In den USA werden diese Konzentrationen  und ein weiteres Größenwachstum bei den Schiffen sehr sorgfältig von der Federal Maritime Commission (FMC) geprüft und Vereinbarungen mit den Reedereien getroffen, die die Interessen der Häfen und der Hafendienstleister schützen. Ein ähnliches Vorgehen wäre auch in Europa denkbar. Bei allen unterschiedlichen Interessen der europäischen Häfen gibt es ein gemeinsames Interesse an einer Begrenzung des Größenwachstums und ökologische Maßnahmen.

In der EU gilt ähnlich wie in der BRD ein grundsätzliches Kartellverbot. Erfüllt eine Vereinbarung allerdings die Voraussetzungen einer so genannten Gruppenfreistellungsverordnung, ist die Vereinbarung vom Kartellverbot des Art. 101 I AEUV freigestellt. „Gruppen“ sind in diesem Sinne Vereinbarungen, denen gemeinsame oder vergleichbare Tatbestände zugrunde liegen und die bei einer Gesamtschau aller relevanten Interessenlagen einer typisierenden Beurteilung zugänglich sind. (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gruppenfreistellungsverordnungen-32035).

Die EU hat in einer ihrer Gruppenfreistellungsverordnung, mittlerweile unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat anzuwenden, so auch in Deutschland, festgestellt “(d)ie Linienschifffahrt im Seetransportsektor ist eine kapitalintensive Industrie. Die Containerisierung hat den Druck zur Zusammenarbeit und Rationalisierung verstärkt. Die Schifffahrtsindustrie der Mitgliedstaaten sollte die Größenvorteile erreichen, die nötig sind, um auf dem Weltlinienschifffahrtsmarkt erfolgreich am Wettbewerb teilzunehmen.“  [vgl. Art 1(4) in Verordnung (EG) Nr. 246/2009 des Rates vom 26.2.2009 über die Anwendung des Art. 81 III EG auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien; ABl. L 79, S. 1]

Bezüglich dieser Gruppenfreistellung der Reedereien wird gegenwärtig von der Kommission erneut zu u.a. den obigen Fragen gearbeitet. Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Anhörung zum Wettbewerbsrecht für Konsortien und Allianzen in der Linienschifffahrt begonnen. Diese müssen bis zum April 2020 abgeschlossen sein.
 
Die Gruppenfreistellungsverordnung (GFVO) EG 906/2009 der Kommission hat es den Schifffahrtslinien seit 1995 ermöglicht, als Ausnahme der Kartellverbotsregelungen des Art. 101 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Containerallianzen (Konsortien) zu bilden. Diese seitdem mehrfach verlängerte Verordnung wird am 25. April 2020 auslaufen.

Die Europäische Kommission führt derzeit eine Konsultation durch, um Informationen zu sammeln, auf deren Grundlage eine Entscheidung über eine mögliche weitere Verlängerung der Verordnung über den 25. April 2020 hinaus getroffen werden soll. In diesem Rahmen wurde die Hamburg Port Authority AöR (HPA) befragt. Die HPA hat sich in ihrer Stellungnahme im Ergebnis gegen eine Verlängerung und somit für eine Abschaffung der Privilegien für Containerallianzen ausgesprochen. Die HPA geht in ihrer Stellungnahme davon aus, dass die Möglichkeit der Bildung von Allianzen den Trend zu deutlich größeren Schiffen insbesondere im Containerverkehr unterstützt hat. Ohne die Bildung von Reederei-Allianzen wäre eine Auslastung sogenannter Ultra Large Container Vessel (ULCV) voraussichtlich nicht wirtschaftlich abbildbar. Alle Häfen weltweit verzeichnen eine rasante Entwicklung der Schiffsgrößen. Die Anzahl von ULCV, die den Hamburger Hafen anlaufen, ist von 19 ULCV im Jahr 2010 auf 451 ULCV im Jahr 2017 angestiegen. Mit dieser Entwicklung werden die Häfen vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Dies gilt sowohl im Bezug auf die nautische Erreichbarkeit der Häfen, der Kajen und Terminals als auch bezüglich der logistischen Bewältigung der Umschlagsmengen. Häfen investieren daher weltweit in ihre nautischen Zufahrten und Drehkreise, was mit erheblichen finanziellen sowie mit zeitlichen Herausforderungen aufgrund der Genehmigungsverfahren verbunden ist. Ebenso müssen die Umschlagsunternehmen und das Hinterland in ihre Supra- und Infrastruktur investieren. Auch in logistischer Hinsicht resultieren aus den ULCV neue Herausforderungen für die Terminals und Logistiker, da bei der Abfertigung wesentlich mehr Container in kurzer Zeit gelöscht, geladen und weiter transportiert werden müssen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10832.

Der Verband deutscher Reeder (VDR) hat ebenfalls eine Stellungnahme im Rahmen der Konsultationen abgegeben und betont die Wichtigkeit bestehender Regelungen für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des europaischen Schifffahrtsstandortes.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HPA wie folgt:

 

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Welche Auswirkungen erwartet der Hamburger Senat von der zunehmenden Konzentration bei den Reedereien auf die maritime Infrastruktur in Hamburg?

2. Wie schätzt der Senat die Auswirkungen der wachsenden Schiffsgröße auf die Terminalbetreiber und Logistiker ein?

3. Wie schätzt der Senat die Arbeit der amerikanischen FMC – Behörde bezüglich der Marktmacht der Reedereien ein?

4. Wie ist die Auffassung des Hamburger Senats zu der Gruppenfreistellung der Reedereien bei der EU?

5. Welche Stellungnahmen hat der Senat eventuell wann zu der Gruppenfreistellung der Reedereien bei der EU getätigt?

Siehe Vorbemerkung.