SKA: Maßnahmen zur Luftreinhaltung im Hafen: Sachstand ökologische Modernisierung der Hafenschiffflotte

Stephan Jersch

Während Rußpartikelfilter und Katalysatoren auf europäischen Straßen längst Standard sind, stoßen Schiffe ihre giftigen Abgase ungefiltert in die Luft. Zwar zeigte Rot-Grün schon zu Beginn der Legislatur die ehrenwerte Absicht, die Schadstoffbelastung in der Hafenluft zu verringern, doch ausgerechnet die HADAG-Fähren stoßen ihre immer noch teils ungefilterten Auspuffgase direkt bei den auf den Anlegern wartenden Passagier_innen u.a. an den Landungsbrücken aus.

16. Januar 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Norbert Hackbusch, Stephan Jersch und Heike Sudmann (DIE LINKE)

vom 09.01.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/11567 -

 

Betr.: Maßnahmen zur Luftreinhaltung im Hafen : Sachstand ökologische Modernisierung der Hafenschiffflotte

Der weithin sicht- und fühlbare Schadstoffausstoß des Containerschiffs YANG MING UTMOST im Oktober 2014 führte den Hamburger_innen buchstäblich vor Augen, dass der Hafenverkehr einen beträchtlichen Teil zur Luftverschmutzung beiträgt. In der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes werden die Stickoxid-Emissionen aus dem Schiffsverkehr für 2013 mit ca. 8000 t angegeben. Während Rußpartikelfilter und Katalysatoren auf europäischen Straßen längst Standard sind, stoßen Schiffe ihre giftigen Abgase ungefiltert in die Luft. Laut Senatsprognose werden Schiffsemissionen bis 2020 aber lediglich um 0,5 % zurückgehen.

Schon im Koalitionsvertrag strebten SPD und Grüne „die Reduzierung der Emissionen der Binnenhafenverkehre von Fähren, Barkassen und Schleppern durch die Förderung von modernen Antrieben wie LNG, Elektro, Wasserstoff etc. oder den Einbau von Rußpartikelfiltern an.“ Wichtige Hebel zu weniger Luftbelastung im und durch den Hafen sind neben externer Stromversorgung von Seeschiffen an den Kaikanten die Verwendung anderer Kraftstoffe, bessere Motorisierung und Abgasreinigung bei Hafenschiffen.

Als Provokation werden in diesem Zusammenhang die HADAG-Fähren mit ihren immer noch teils ungefilterten Auspuffgasen direkt bei den auf den Anlegern wartenden Passagier_innen u.a. an den Landungsbrücken nicht erst seit den NABU-Messungen im letzten Jahr - mit mobilen Messgeräten wurden dramatische Atemluftbelastungswerte gemessen - empfunden.

Am 4.Januar verbreitete der NDR, die HADAG habe nach der seit 2017 in Fahrt befindlichen „Elbphilharmonie“ bei der Werft Pellas- Sietas in Neuenfelde einen zweiten Hafenfähren-Neubau der modifizierten Typ-2000-Schiffe in Auftrag gegeben, der im Herbst ausgeliefert werden soll.

Ein weiterer wichtiger Nutzer von wasserseitiger Hafeninfrastruktur ist die sich im Besitz der FHH befindende HPA, mittlerweile Flottenmanager_in der Behördenflotte.

Die Bürgerschaft hat im April 2016 einvernehmlich in der Drs. 21/4064 den Senat zum Handeln bei der städtischen Flotte aufgefordert sowie am 6.12. einen umfassenden Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Luftreinhaltung im Hafen (Drs. 21/11072) an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

All dies zusammen gibt Anlass, erneut zum Sachstand bei der Modernisierung der Hafenschiffflotte, zu fragen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Die HADAG Seetouristik und Fährdienst AG (HADAG) und die städtische Schiffsflotte leisten einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduzierung im Hamburger Hafen.

Die HADAG prüft in konsequenter Ausführung ihrer strategischen Ausrichtung kontinuierlich Einsatzmöglichkeiten technologischer Fortschritte zur Emissionsreduzierung bei den Hafenfähren. Sie hat bereits folgende emissionsreduzierende Maßnahmen umgesetzt:

• Die Verwendung von Landstrom seit mehr als 25 Jahren.

• Die Verwendung von Marine-Diesel (angelehnt an EN 590).

• Treibstoffreduktion um rund 9 % durch die Ausrüstung der Schiffe mit Wulstbügen.

• Die Reduzierung der Motorleistung auf das operativ erforderliche Maß.

• Die Verwendung von Bio-Hydrauliköl für die Rampen.

• Der Austausch konventioneller Leuchtmittel durch moderne LED-Technik.

• Die Verwendung des Motoren-Kühlkreislaufs für die Heizung.

• Der Austausch alter Typ 2000-Motoren gegen emissionsärmere Motoren bis Ende des Jahres 2020 (siehe Drs. 21/6799). Davon sind zum jetzigen Zeitpunkt bereits neun Schiffe umgerüstet, von denen sieben Schiffsumrüstungen durch das Motorenförderungsprogramm gefördert wurden.

• Die Ausrüstung der Schiffe mit Abgasnachbehandlungssystemen. Mit diesem sind zum jetzigen Zeitpunkt bereits 50 % der umzurüstenden Flotte umgerüstet worden bzw. befinden sich derzeit in der Umrüstung.

• Die Ausrüstung der Schiffe mit Altöltanks.

Ferner wurde am 23. Mai 2017 der neue Prototyp Typ 2020 MS Elbphilharmonie in Betrieb genommen. Dieser unterscheidet sich unter anderem durch einen dieselelektrischen Antrieb, welcher energieeffizient, abgasarm sowie leise ist und als Übergangstechnologie bis zur grundlegenden Weiterentwicklung der Batterie-Technologie gilt. Außerdem unterscheidet sich dieser Antrieb von der bisherigen Flotte durch ein umfassendes Abgasnachbehandlungssystem mit einem Rußpartikelfilter und SCR-Katalysatoren sowie durch die Bauart als strömungsoptimiertes Unterwasserschiff (Schiffsrumpf unterhalb der Wasserlinie).

Im Anschluss an die erfolgreiche Erprobung wurde kürzlich ein zweiter Neubau des Typs 2020 in Auftrag gegeben, der bis Ende des Jahres 2018 ausgeliefert werden soll.

Darüber hinaus beteiligt sich die HADAG im Forschungsprojekt RiverCell, welches die Einsetzbarkeit einer Brennstoffzellen-Hybridanlage in der Flussschifffahrt untersucht, bei der Lastenhefterstellung, der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Prüfung der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Hafenfähren.

In Hinblick auf die städtische Schiffsflotte siehe Drs. 21/9901.

In Abhängigkeit der unterschiedlichen betrieblichen Charakteristika des Schiffseinsatzes der städtischen Flotte und der HADAG, die im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Linienverkehre betreibt, sind verschiedene Ausprägungen alternativer Antriebstechnologien in den jeweiligen Schiffsflotten wirtschaftlich und technisch sinnvoll und kommen entsprechend zur Anwendung.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HADAG und der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt:

1. Wie hat sich der Schiffsverkehr (ohne Übersee-und Binnenschiffsverkehr) innerhalb des Hamburger Hafens seit 2010 entwickelt?

Der Schiffsverkehr von Hafen-, Sport- und Traditionsschifffahrt bewegt sich seit dem Jahr 2010 auf einem gleichbleibenden Niveau.

 

2. Stimmt der Senat der Einschätzung zu, dass Probleme der Schiffsemissionen vor allem an den Maschinen selbst gelöst werden müssen? Wenn ja, welche der in Drs. 21/9901 für die mittlerweile durch HPA „betriebenen“ Schiffe aufgeführten Maßnahmen hält er für die der HADAG - über die eher allgemeinen Ausführungen in der Fortschreibung des LRP hinaus- konkret für sinnvoll und wie will er als Vertreter des Eigners, der Bevölkerung unserer Stadt, dort im Interesse der eigenen Emissionssenkungsziele tätig werden? Wen nein, wo und wie soll eine Lösung erfolgen?

Siehe Vorbemerkung.

 

3. Sah der Senat im September 2017 noch alle Hafenfährschiffe des Typs 2000 bis Ende 2017 motor- bzw. abgastechnisch aufgerüstet (Drucksache 21/6799) wird das von der HADAG voraussichtlich erst in 2019 geschafft werden. Wie erklärt der Senat diese Verschiebung?

Ziel der HADAG war es, bis Ende des Jahres 2017 die TYP-2000-Schiffe mit modernen, abgasärmeren Motoren auszustatten. Da die Umbauarbeiten nur erfolgen können, wenn die Schiffe im laufenden Betrieb entbehrlich sind, sind derzeit vier dieser Schiffe noch nicht mit modernen Motoren ausgerüstet. Bis Ende 2020 wird mit den Umbaumaßnahmen an den Motoren und dem Einbau von Abgasnachbehandlungsanlagen auf allen vier Schiffen begonnen. Die betrieblichen Möglichkeiten vorausgesetzt werden in 2018 und 2019 insgesamt drei der vier Schiffe fertiggestellt.

4. Im Unterschied zu den bis dahin gelieferten Typ-2000- Fähren hat die „Elbphilharmonie“ elektrische Fahrmotoren. Die beiden Schiffsdiesel sind lediglich dazu da, Strom herzustellen. Dieser versorgt zwei Elektromotoren mit Energie, die die Propeller antreiben. Damit sollten Kraftstoff gespart und Kohlendioxidausstoß vermindert werden. Gibt es erste Ergebnisse dazu und wie ist es mit der Verminderung von NOx und PM-Ausstoß?

Belastbare Daten werden durch einen zertifizierten Sachverständigen ermittelt.

5. In der Presseaussendung zur Taufe der „Elbphilharmonie“ im letzten Mai teilte die HADAG mit: „Dieselelektrischer Antrieb kann als Übergangstechnologie dienen, bis bei einem entsprechenden Technologiesprung auf den Batteriebetrieb umgestiegen werden kann.“ Für das nun zu bauende Schiff gibt der NDR an: „Um die Dieselmotoren stets optimal betreiben zu können, gibt es zusätzliche Batterien für den Antrieb.“ Die Abgase würden über Rußpartikelfilter und Katalysatoren gereinigt. Ist das, wie man Drs. 21/9901, S.6 entnehmen könnte, als der nächste Schritt zum oben zitierten „Technologiesprung“ zu werten? Bitte ggf. begründen.

Wenn nein, unterscheidet sich das neu zu bauende Schiff antrieb- und abgasseitig von der „Elbphilharmonie“ und ggf wie?

Die Drs. 21/9901 bezieht sich nicht auf die HADAG. Der zweite Neubau erhält denselben Antrieb wie die MS Elbphilharmonie.

 

6. Die in den Drucksachen 21/7665 vom 31.Januar und 21/9901 vom Juli 2017 lassen den Schluss zu, HPA und HADAG, zwei seitens des Senates kontrollierte städtische Betriebe, gingen in der Frage abgasärmere und energieeffizientere Schiffsantriebe getrennte Wege. Einerseits habe eine „im Auftrag der HADAG von einem freien Ingenieurbüro erstellte Machbarkeitsstudie…ergeben, dass ein Betrieb der Schiffe mit LNG derzeit aus technischen, betrieblichen und rechtlichen Gründen nicht erfolgen kann“ (s. 21/7665) andererseits haben HPA und DNV GL von Herbst 2106 bis Frühjahr 2017 ein Umsetzungskonzept für eine umweltfreundliche städtische Flotte formuliert (s. Anlage 21/9901, S.2). Wie erklärt der Senat dieses Nebeneinanderher vor dem Hintergrund der Aussage von Staatsrat Rieckhof aus der Senatsanhörung zum LRP vom 4.10.17:“….mittelfristig setzen wir im Bereich der Schiffsantriebe …auf das Thema LNG.“(s. Ausschussprotokolle 21/28 bzw. 24, S.43 unten)?

Siehe Vorbemerkung.

 

7. Außer den knapp 50 Jahre alten „Historischen Schiffen“ "Jan Molsen" und „Kirchdorf“ sollen lt. Senatsantwort auf ein Ersuchen der Bürgerschaft aus dem Sept. 2016 ( s. Drs. 21/6797) bei den Schiffen älterer Typen, bei denen der Einbau modernerer Antriebssysteme wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, eine “ Umrüstung mit Abgasnachbehandlungssystemen gegenüber der Aufbesserung der Motoren forciert“ werden. Die Ausrüstung solle kontinuierlich je nach betrieblicher Verfügbarkeit erfolgen und „voraussichtlich am Ende des Jahres 2020 fertiggestellt werden“.

a. Gilt dies für alle vorhandenen Schiffe außerhalb des Typs 2000? Wenn nein, für welche ggf nicht und warum? Ist dieser Zeitplan anders als bei den Typ 2000-Schiffen einzuhalten?

b. Wenn nein, warum nicht?

Ja. Die Umrüstung erfolgt sukzessive je nach betrieblicher Verfügbarkeit der Schiffe.

 

8. In den Jahren 2014 und 2015 wurde lt. Drs. 21/6797 jeweils eines der nicht zum Typ 2000 gehörenden Schiffe nach erfolgreichem Testbetrieb mit, sich auch im Betrieb technisch bewährt habenden, Nachbehandlungssystemen ausgerüstet. Was wurde darüber hinaus ggf. an den Antriebsanlagen verändert bzw. was ist weiter geplant?

Siehe Vorbemerkung.

 

9. Alle ihre Schiffe fahren lt. HADAG mit Marinediesel. Wird dieser auch als EN 590 bezeichnet? Was unterscheidet ggf. diesen Marinediesel vom sog. Schiffsdiesel bzw. LKW-Diesel vor allem unter dem Aspekt der Emissionsminderung?

Die Norm EN 590 beschreibt die Eigenschaften von Dieselkraftstoffen. Marinediesel und Schiffsdiesel sind keine eindeutigen spezifizierten Begriffe. Wichtiger Unterschied ist insbesondere der Schwefelanteil. In Häfen ist die Nutzung von Marinediesel mit bis zu 0,1 % Schwefelanteil zulässig. Die Emissionen von Schwefel und Partikeln steigen im Grundsatz in Korrelation zum Schwefelgehalt, wenn keine Abgasreinigung eingesetzt wird.

 

10. Folgt man den senatsseitigen Einlassungen in Drs. 21/9901, ist Marinediesel nach seiner Einschätzung nicht der bestmögliche Kraftstoff für im Hafen operierende Schiffe der „städtischen Flotte“? Welche Folgen hat dies für dieselbe nach den Planungen des Senates?

Siehe Drs. 21/9901.

 

11. Für die HPA-Schiffe wurde senatsseitig am 4.10.2017 in den Ausschussanhörungen mitgeteilt, bei zwei Schleppern sei seit 2016 sog. Gas Liquid (GTL) im Einsatz, Vorteil: keine motorseitigen Veränderungen, aber „sehr gute Möglichkeit“ für Schiffe ohne nachträglich eingebaute Abgasreinigungsmöglichkeit, „um Emissionen zu sparen“. Das ließe 10% Stickoxid- und 50% Partikelemissionen einsparen.

Nach der Anlage zu Drs.21/9901, S.6, lauten die Zahlen andersherum. Ist unsere Annahme, die letztere Einsparung gelte, richtig?

Die federführende Behörde sieht keinen Widerspruch zwischen der Mitteilung im Ausschuss und der entsprechenden Drucksache.

 

12.. Was unterscheidet diesen Treibstoff ggf.

a. vom Marinediesel?

b. vom sog. Schiffsdiesel bzw. LKW-Diesel vor allem unter dem Aspekt der Emissionsminderung?

Bei der Verbrennung von Gas-to-Liquids (GTL) entstehen weniger Stickoxide und Rußpartikel als bei LKW-Diesel. Im Vergleich zu Marine-Diesel ist der Effekt noch größer. Bei der Verbrennung von Marine-Diesel entsteht mehr Schwefel.

 

13. Warum setzen HPA und HADAG ggf auf verschiedene Lösungen bei Kraftstoffersparnis bzw. Emissionsminderung?

14. Vor dem Hintergrund der Fragen 2, 3 und 7: Gibt es mit den betroffenen Unternehmen einen Zeitplan für die schnelle Um- bzw. Nachrüstung von HADAG-Fähren und HPA-Schiffen bzw. wann wird diese ggf angestrebt?

Siehe Vorbemerkung.