SKA: Wie ernst ist dem Senat der Kohleausstieg in Hamburg?

Stephan Jersch

Der Senat will sich in Berlin für "eine Reduzierung der Kohleverstromung bis 2030" einsetzen. In Hamburg erschöpfen sich die Pläne für einen Ausstieg aus der Kohle in geplanten Abschaltung des Schrottmeilers Wedel.

27. Februar 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 19.02.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12077 -

 

Betr.:    Wie ernst ist dem Senat der Kohleausstieg in Hamburg?

Das Pariser Klimaabkommen sowie die Nachhaltigkeitsziele der UN fordern Konsequenzen für die Energie- und Klimapolitik auch auf lokaler Ebene. Auch die Bonner Klimakonferenz hat im November 2017 dazu weitere Anstöße gegeben, insbesondere die Gründung einer Allianz für den Kohleausstieg, zu der sich rund 20 Staaten zusammengeschlossen haben. Angesichts der notwendigen Umsetzung dieser globalen Zielvorgaben auf lokaler Ebene sind konkrete Schritte auch in Hamburg notwendig. Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) hat Ende letzten Jahres unter anderem im Energienetzbeirat bereits konkrete Pläne („Erneuerbare Wärme für Hamburg“) für einen Ausstieg auf der Kohlewärme vorgestellt.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Die Bundesregierung hat sich zum Pariser Klimaschutzabkommen bekannt und für dessen Umsetzung den Klimaplan 2050 beschlossen. Dieser sieht eine Reduzierung der Kohleverstromung bis 2030 vor. Hamburg wird sich für die  Umsetzung dieses Ziels auf Bundesebene einsetzen.

Auf lokaler Ebene befasst sich die zuständige Behörde in einem ersten Schritt mit dem Ersatz des Kohlkraftwerks Wedel. Die Beantwortung der Fragen erfolgt in diesem Kontext.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH (VWH) wie folgt:


1.    Geht der Senat davon aus, dass ein geregelter und vollständiger Kohleausstieg für Hamburg einschließlich der Stilllegung des Kohlekraftwerks Moorburg bis 2030 möglich ist?
Wenn nein, warum nicht?

Die Regelungskompetenz für den deutschen Kraftwerkspark liegt beim Bundesgesetzgeber. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.


2.    Welche Fernwärmeerzeugungsanlagen einschließlich solcher auf der Basis erneuerbarer Energien und industrieller Abwärme sind bis 2025 an welchen Standorten mit welcher Leistung in den Planungen der BUE für das zentrale Hamburger Fernwärmenetz enthalten? Welche Erzeugungs- und Verteilanlagen müssen neu gebaut beziehungsweise neu angeschlossen werden? Welche Unternehmen sind beziehungsweise wären die jeweiligen Eigentümer der Anlagen?

Die Planungen der zuständigen Behörde, das Kraftwerk Wedel durch die sog. „Südvariante“ zu ersetzen, wurden im Ausschuss für Umwelt und Energie der Bürgerschaft sowie im Energienetzbeirat umfassend dargestellt. Angaben über die enthaltenen Anlagen sind öffentlich verfügbar. Darüber hinaus wurden ebenfalls die Pläne dargestellt, das Kraftwerk Tiefstack vom Brennstoff Kohle auf Erdgas umzurüsten, siehe dazu auch www.hamburg.de/energienetzbeirat/ .

Die Anlagen werden von verschiedenen öffentlichen Unternehmen geplant, die auch Eigentümer sein werden (Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) - Stadtreinigung Hamburg (SRH);
Industrielle Abwärme, Wärmepumpe, Aquiferspeicher zzgl. der erforderlichen Nacherhitzung - Hamburg Wasser/Hamburg Energie). Die Eigentumsverhältnisse der anderen Anlagen (z.B. Tiefstack) bleiben unverändert, sie bleiben Eigentum der VWH bzw. ggfs. deren städtischer Nachfolgegesellschaft.


3.    Wie viele Kohlendioxid(CO2)-Emissionen können durch die Planungen der BUE im Vergleich zum heutigen Fernwärmebetrieb ab 2025 eingespart werden?

Je nach Berechnungsmethode werden durch den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel ca. 150.000 bis 400.000 t/Jahr eingespart, siehe dazu auch Drs. 21/11006.

Einschließlich der Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack sowie der Nutzung der industriellen  Abwärme von Aurubis können ca. 600.000 t/Jahr eingespart werden.  


4.    Welche Investitionsentscheidungen in welcher Höhe sind bisher erfolgt und welche sind in den jeweiligen Jahren bis 2025 geplant, um KWK- und erneuerbare Energiequellen sowie industrielle Abwärme in das bestehende VWH-Netz zu integrieren?

Der Aufsichtsrat der SRH hat dem Bau des ZRE in Stellingen mit einem Volumen von ca. 235.000.000 €  zugestimmt. Die Errichtung des ZRE dient in erster Linie der langfristigen abfallwirtschaftlichen Entsorgungssicherheit. Die anfallende Abwärme kann darüber hinaus einen Beitrag zur Fernwärmeversorgung leisten.

Darüber hinaus wurden noch keine Investitionsentscheidungen getroffen.

Der Aufsichtsrat der VWH hat für den Bau einer Wärmeleitung zur Querung der Elbe Planungsmittel in Höhe von 6.800.000 € bewilligt.  


5.    Welche Kosten entstehen bei den geplanten Investitionen in die Fernwärmeversorgung für den Haushalt der Stadt Hamburg beziehungsweise bei den beteiligten öffentlichen Unternehmen?

Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Sie sind u.a. von Anforderungen aus den Genehmigungsverfahren sowie den Ausschreibungsergebnissen abhängig.


6.    Mit welchen Kostensteigerungen ist für die Abnehmer der Fernwärme beziehungsweise die Mieter von Wohnungen mit Fernwärmeheizung nach Umsetzung der Aus- und Umbaupläne zu rechnen? Bitte geben Sie Bespiele für gut, mittel und schlecht gedämmte durchschnittliche Wohnungen an.

Nach gegenwärtigen Schätzungen können sich Kostensteigerungen in der Größenordnung bisheriger Preisschwankungen aufgrund fossiler Brennstoffpreise beim Wärmebezug ergeben. Dies gilt unabhängig vom aktuellen energetischen Standard.


7.    Welche Planungen gibt es von der BUE, der VWH oder der Vattenfall Unternehmensgruppe bezüglich der Wärmeauskopplung aus dem Kohlekraftwerk Moorburg mit welcher Leistung, Jahresarbeit, an welche Abnehmer und über welche Leitungen? Welche Unternehmen sind an Erzeugung, Verteilung und Abnahme beteiligt beziehungsweise werden es sein?

Die zuständige Behörde plant keine Wärmeauskopplung aus dem Kohlekraftwerk Moorburg. Die Südvariante erfordert allerdings die Belieferung des Industriekunden Schindler Ölwerke durch das Kraftwerk Moorburg.

Mit der geplanten Stilllegung des Heizkraftwerks Wedel, der Umrüstung des Heizkraftwerks Tiefstack von Kohle auf Gas sowie dem Anschluss der Müllverwertung Rugenberger Damm würde sich laut VWH der Erzeugungsmix innerhalb des Fernwärmesystems der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH bis 2025 erheblich verändern. Anders als die zuständige Behörde hält es die VWH für geboten, für einen Übergangszeitraum KWK-Wärme aus dem Heizkraftwerk Moorburg zuzukaufen. Details zu Kundenbeziehungen unterliegen den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.


8.    Der Energienetzbeirat hat angeregt, zu prüfen, ob bei einer Umsetzung der sogenannten Süd-Variante die zukünftige Versorgung der Ölwerke Schindler auch ohne eine Wärmeauskopplung aus dem Kohlekraftwerk Moorburg erfolgen kann. Hat diese Prüfung bereits erste Ergebnisse geliefert?
Wenn ja, wie lauten diese, wenn nein, wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

Prüfungen dieser Art werden aktuell von der zuständigen Behörde nicht durchgeführt.


9.    Welche maximale Transportkapazität wird die neue Fernwärmeleitung zwischen dem Standort Stellinger Moor und dem zentralen VWH-Netz haben?

Siehe Drs. 21/11733.


10.    Wie hoch sind die CO2-Emissionen, die bei der derzeitigen Nutzung vom Kohlekraftwerk Moorburg ausgehen?

Das Heizkraftwerk Moorburg emittierte 5.547.277 Tonnen im Jahr 2016 und 6.157.368 Tonnen CO2 im Jahr 2017. Die CO2-Emissionen werden entsprechend den Vorgaben der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) auf Basis des Brennstoffverbrauchs ermittelt.


11.    Wie hoch sind die CO2-Emissionen, die durch die derzeitige Versorgung der Ölwerke Schindler durch die MVR Rugenberger Damm verursacht werden?

Die bei der Versorgung der Ölwerke Schindler durch die MVR verursachten CO2-Emissionen werden nicht statistisch erfasst.

MVR erzeugt mit der thermischen Verwertung von Abfall sowohl Strom als auch Wärme. Die Wärme wird für verschiedene  Zwecke genutzt. Es werden gemäß der Verordnung über Emissionserklärungen (11. BImSchV) lediglich die jährlichen Gesamt-CO2-Emissionen der MVR erfasst. Diese betrugen für das Jahr 2016 insgesamt 327.565 Tonnen. Für das Jahr 2017 liegen noch keine Werte vor.


12.    Wie hoch wären die CO2-Emissionen, die eine Wärmeversorgung der Ölwerke Schindler durch das Kohlekraftwerk Moorburg verursachen würde?


Zur Wärmeversorgung der Ölwerke Schindler werden zusätzliche Emissionen in der Größenordnung von 46.000 t/Jahr erwartet.


13.    Welche Treibhausgas-Emissionen (insbesondere CO2 und CH4 (Methan)) werden in jeweils welcher Höhe bei den geplanten Erdgas-basierten Maßnahmen in den verschiedenen diskutierten Wedel-Ersatz-lösungen in den Berechnungen der Klimabilanzen berücksichtigt? Bitte jeweils quantitativ in CO2-Äquivalenten und unter Angabe der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Berechnungsmethode angeben.

Die Treibhausgas-Emissionen hängen sehr wesentlich von den Einsatzzeiten der Anlagen ab. Erdgas kommt in der Südvariante nur für ein Heizwerk zur Spitzenlastdeckung und Nacherhitzung sowie die BHKWs zur Eigenstromerzeugung zum Einsatz. Bei Berechnung mit der sog. Finnischen Methode werden in der „Südvariante“ ca. 50.000 t/Jahr durch gasbasierte Anlagen errechnet.


14.    In welcher Höhe werden Treibhausgas-Emissionen des Kohlekraftwerks Tiefstack nach dessen Umstellung auf Erdgas-Befeuerung anfallen? Bitte in CO2-Äquivalenten und unter Angabe der zu Grunde gelegten wissenschaftlichen Berechnungsmethode angeben.

Diese Berechnung wurde von der zuständigen Behörde nicht durchgeführt. Es wurden lediglich die CO2-Emissionen für einen Brennstofftausch abgeschätzt und öffentlich dargestellt. Diese liegen in der Größenordnung von 200.000 t/Jahr, siehe dazu auch www.hamburg.de/energienetzbeirat/ .