SKA: Alle Jahre wieder Ärger über den Schlagermove

Stephan Jersch

Ob die Belastung der Anrainerinnen und Anrainer durch den nächsten Schlagermove geringer werden wird, steht in den Sternen. Und eigentlich weiß der Senat gar nicht so genau, wie groß die Belastung, zum Beispiel durch Umsatzeinbußen der anliegenden Geschäfte, tatsächlich ist. Immerhin: Es sollen dieses Jahr mehr Plätze gegen Wildpinkler verteidigt werden.

7. Juni 2019

 Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christiane Schneider und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 31.05.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/17405 -


Betr.:  Alle Jahre wieder Ärger über den Schlagermove

Zu den am meisten umstrittenen, weil am meisten Anwohner*innen und Geschäftsleute sowie Umwelt belastenden Großevents in Hamburg gehört der jährlich stattfindende Schlagermove. In den letzten Jahren kamen jeweils um die 350.000 Besucher*innen zum Schlagermove.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Wie viele Besucher*innen werden für den Schlagermove am 13.7.2019 erwartet und wie groß ist dabei der Anteil der Hamburgerinnen und Hamburger, Tagestouristinnen und -touristen und Besucherinnen und Besuchern die mindestens eine Übernachtung in Beherbergungsbetrieben buchen?

Nach Auskunft des Veranstalters werden für das Jahr 2019 ca. 350.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Dieser schätzt, auch auf Basis einer älteren Befragung, dass rund die Hälfte der Besucherinnen und Besucher aus Hamburg und der Metropolregion kommt und die andere Hälfte von außerhalb. Wie viele Übernachtungen dies konkret bewirken wird, ist nicht bekannt.

 

2. Welche Straßen werden für den Schlagermove für welchen Zeitraum gesperrt?
a. Wie viele Anwohner*innen und wie viele Geschäfte und Restaurants sind von den Straßensperrungen potentiell betroffen?

Für den Aufbau der Veranstaltung werden freitags ab 18.00 Uhr Teilbereiche der Parkplätze in der Glacischaussee zwischen der Zufahrt D des Heiligengeistfeldes und dem Millerntorplatz gesperrt. Am Samstag werden die Straßen der „Move-Strecke“ (Glacischaussee, Millerntorplatz, Helgoländer Allee, St. Pauli-Hafenstraße, St. Pauli-Fischmarkt, Pepermölenbek und Reeperbahn) je nach Entwicklung des „Move“ gesperrt. Die Öffnung der Straßen erfolgt sukzessiv nach Reinigung der Fahrbahnen. Erfahrungsgemäß ist die Reeperbahn bis circa 03:00 Uhr gesperrt.
Für den gesamten Zeitraum erfolgt eine Verkehrslenkung um den unmittelbaren Veranstaltungsraum, der Durchgangsverkehr wird um die Veranstaltung herumgeführt. Der Anwohnerverkehr kann die eingerichteten Absperrungen passieren. Durch die Öffnung des Hein-Köllisch-Platzes sowie der beiden Zufahrten an der Hamburger Hochstraße und Seewartenstraße ist das Gebiet St. Pauli für Anwohner auch mit Kraftfahrzeugen erreichbar.
Zur Anzahl von potentiell betroffenen Anwohnern, Geschäften und Restaurants können keine Angaben gemacht werden.

 

3. Wie viele Toilettenanlagen wurden im vergangenen Jahr aufgestellt? Wie viele sollen in diesem Jahr aufgestellt werden? Gibt es entsprechende Auflagen für die Veranstalter?
Wenn ja, welche und inwiefern wurden sie im vergangenen Jahr erfüllt bzw. nicht erfüllt? Wie wird die Umsetzung der Auflagen kontrolliert?
Wenn nein, warum nicht?

Der Veranstalter beantragte im vergangenen Jahr die Aufstellung zahlreicher WC-Anlagen als Sondernutzung. Laut seiner Übersicht waren es fünf WC-Container, 456 mobile WC sowie diverse von teilnehmenden Geschäften. Diese waren gem. Antrag Bestandteil der Erlaubnis und waren nach Kenntnis des zuständigen Bezirksamtes auch vorhanden.
Im Übrigen siehe Bezirks-Drs. 21-5095.1

 

4. Welche weiteren Vorsorgemaßnahmen sind dem Veranstalter auferlegt, dass nicht wie in den vergangenen Jahren ganze Wohnstraßen durch unzählige Betrunkene auf verschiedenste Weise verschmutzt werden?

Gem. Beschluss des Hauptausschusses des zuständigen Bezirksamtes vom 05.03.2019 (Bezirks-Drs. 21-5095) werden verschiedene Bereiche durch einen Sicherheitsdienst überwacht, so  z. B. der Spielplatz vor dem Zirkusweg, der Zaun der Seniorenwohnanlage Zirkusweg sowie Teile der Grünanlage Helgoländer Allee.

 

5. Laut Protokoll des Bezirks- und Verfassungsausschusses 21/23 vom 13.2.18 werden am Ende der Veranstaltung die Schäden protokolliert (S. 6). Welche Schäden wurden am Ende des Schlagermoves 2018 protokolliert? Welche Kosten entstanden durch Aufräum- und Sanierungsarbeiten, die durch Vermüllung und Verunreinigung von Straßen, Plätzen, öffentlichen Spielplätzen, Grünanlagen im Zusammenhang mit dem Schlagermove 2018 notwendig wurden? Wie hoch sind die von der Stadt zu tragenden Kosten, welchen Anteil trug der Veranstalter?

Durch das zuständige Bezirksamt wurden keine Schäden protokolliert. Sollten Schäden der Veranstaltung zugeordnet werden, sind diese vom Veranstalter zu beseitigen. Die Kosten, die dem Veranstalter durch die Schadensbeseitigung entstehen, sind dem zuständigen Bezirksamt nicht bekannt.

 

6. Wie viele Polizeibedienstete waren 2018 im Zusammenhang mit dem Schlagermove im Einsatz? Wie viele Überstunden wurden in diesem Zusammenhang geleistet?

Die Polizei hat 2018 im Sinne der Fragestellung 453 Mitarbeiter eingesetzt; eine statistische Erfassung von bei einzelnen Einsätzen geleisteten Über- bzw. Mehrarbeitsstunden erfolgt nicht.

 

7. Wie viele Anzeigen wurden im Zusammenhang mit den letzten drei Schlagermove-Veranstaltungen erstattet? Wie viele Anzeigen betrafen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wie viele gefährliche / schwere Körperverletzung? Bitte nach Jahren aufschlüsseln.

Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die räumliche Erfassung des Tatortes erfolgt in der PKS in der kleinsten Einheit nach Ortsteilen.
Seit 1. Januar 2017 werden in der PKS besondere Ereignisse, unter anderem das Ereignis „sonstige Umzüge“, gesondert erfasst; eine weitere Differenzierung nach einzelnen „Umzügen“ erfolgt in der PKS nicht. Daher ist das Ereignis „Schlagermove“ nicht mit der PKS auswertbar.
Darüber hinaus werden Statistiken im Sinne der Fragestellung bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren hunderttausend Akten ist in der für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

8. Wie viele Inhaber*innen von Geschäften und Restaurants auf der Route und in den umliegenden Straßen haben nach Kenntnis des Senats ihre Geschäfte und Restaurants am Tag des Schlagermoves geschlossen? Wie viele Mitarbeiter*innen waren davon betroffen? Wie hoch beziffert der Senat die Umsatzeinbußen der Betroffenen?

Dem zuständigen Bezirksamt liegen hierzu keine Zahlen vor. Nach dortiger Kenntnis nehmen zahlreiche Gewerbebetriebe selbst in der Gestalt am Schlagermove teil, dass sie Getränke nach außen verkaufen und teils den höchsten Umsatz des Jahres erzielen.

 

9. Laut Protokoll des Bezirks- und Verfassungsausschusses 21/23 vom 13.2.18 werden Großevents im Bezirk Mitte im Cityausschuss erörtert, der Cityausschuss gebe dann eine Empfehlung aus (S. 6). Außerdem seien die Veranstalter verpflichtet, persönlich in die entsprechenden Stadtteilkonferenzen bzw. Sanierungsbeiräte zu kommen und im öffentlichen Teil Rede und Antwort zu stehen (S. 7).
a. Wann stand der Schlagermove 2019 in welchen Gremien auf der TO, und wie wurde der Termin bekannt gemacht? Wie viele Menschen nahmen teil?

Die öffentlichen Sitzungen der Bezirksversammlung des zuständigen Bezirksamtes und ihrer Ausschüsse werden im Bürgerinformationssystem bekanntgegeben. Die Anzahl der Besucher und Besucherinnen wird regelhaft nicht erfasst.

Der „Schlagermove“ 2019 wurde in folgenden Gremien thematisiert:

22.11.2018 Bezirksversammlung
22.01.2019 Cityausschuss
22.01.2019 Cityausschuss
24.01.2019 Bezirksversammlung
19.02.2019 Cityausschuss
05.03.2019 Hauptausschuss
05.03.2019 Hauptausschuss
09.04.2019 Hauptausschuss

b. Welche Beschwerden wurden bei dieser Gelegenheit geäußert, und wie flossen sie in das Konzept des Schlagermoves, in Auflagen etc. ein?

Im Anschluss an die öffentliche Anhörung am 22.01.2019 im Cityausschuss äußerten Besucherinnen und Besucher Fragen und Kritik sowie Anregungen zu den Themenbereichen

1. Erfahrungsberichte (positive und negative) zum Schlagermove
2. Erhebung der Anwohnerakzeptanz
3. Anwohner- und Stadtteilbelastung durch Großereignisse in St.Pauli und Innenstadtbereich
4. Runder Tisch Hansaplatz; Workshop

c. Welche Organisationen, über die Gremien hinaus (z.B. Handelskammer, BID o.ä,) wurden in die Planungen einbezogen, wie erfolgte diese Einbeziehung und mit welchem Ergebnis?

Bei der öffentlichen Anhörung am 22.01.2019 war das Citymanagement Hamburg anwesend.

 

10. Wie viele Beschwerden gingen beim Schlagermove 2018 über die zentrale Rufnummer ein? Welche Beschwerden gingen über welche anderen Kanäle nach dem Schlagermove 2018 ein? Wie wurde die zentrale Beschwerderufnummer bekannt gemacht und gibt es eine Möglichkeit, auch online eine Beschwerde einzureichen?

Während der Veranstaltung gingen 30 konkrete Beschwerden zum Schlagermove und fünf Beschwerden über den Schlagermove hinaus, also insgesamt 35 über die zentrale Rufnummer des zuständigen Bezirksamtes ein.
Im Nachgang zur Veranstaltung gingen vier weitere Beschwerden per Mail ein.

Der Veranstalter veröffentlicht die Nummer auf seiner Homepage, darüber hinaus gab es eine Pressemitteilung des zuständigen Bezirksamtes.

 

11. Welche Problembereiche betrafen die Beschwerden? Wie wurden sie bearbeitet, welche Maßnahmen wurden sofort oder später ergriffen, und wie wurden die Beschwerdeführer*innen über Konsequenzen aus ihrer Beschwerde informiert?

Die Problembereiche betrafen folgende Themen:

1. Doppelveranstaltung (Triathlon und Schlagermove) 

2. Lärm, Dreck, wildes Urinieren und stinkende Toilettenhäuschen

3. Lärmbelästigung durch Polizeihubschrauber

Die beim zuständigen Bezirksamt Hamburg-Mitte eingegangenen Beschwerden wurden zur Polizei und zum Veranstalter weitergeleitet. Die jeweils konkret ergriffenen Maßnahmen zu Ziffer 2 wurden statistisch nicht erhoben und können daher nicht mehr nachvollzogen werden. Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern wurde darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, vor Ort vom Veranstalter informiert zu werden.
Der Einsatz des Polizeihubschraubers erfolgt auch künftig lagebedingt unter sorgsamer Abwägung der konkurrierenden Interessen.

Im Bezirksamt Hamburg-Mitte gibt es fortwährende Bestrebungen, die Auswirkungen von Großveranstaltungen auf die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Stadtteile so gering wie möglich zu halten. Beim Schlagermove werden im Jahr 2019 u.a. die Anzahl der verfügbaren Toiletten sowie der Sicherheitskräfte vor Ort stark erhöht. Spielplätze und Grünanlagen im Umkreis werden durch zusätzliches Sicherheitspersonal bewacht. Zudem tagte in diesem Jahr erstmalig ein Runder Tisch mit Vertretern der Politik und Verwaltung, sowie der Veranstalter, mit dem Ziel, eine Entzerrung der Frequenz der Großveranstaltungen zu erreichen und eine Doppelbelastung z.B. durch Schlagermove und Triathlon zukünftig zu vermeiden. Diese Doppelbelastung konnte für den Schlagermove 2019 bereits aufgelöst werden.