SKA: Stadtwerkstatt Moorfleet

Stephan Jersch

Der Senat will die vermutete Katze nicht aus dem Sack lassen, dass Moorfleet entgegen der Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner weiterentwickelt werden könnte. Angeblich sei der Entwicklungsprozess ergebnisoffen. Und, so der Senat: "Die Entwicklung eines Industriegebiets ist in diesem Bereich nicht vorgesehen". Vager geht es kaum.

30. April 2019

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 23.04.2019

und Antwort des Senats
- Drucksache 21/16941 -

Betr.:    Stadtwerkstatt Moorfleet

Im Mai startet die Stadtwerkstatt Moorfleet unter dem Bedrohungsszenario der Nutzung der Moorfleeter Wanne als städtische Fortsetzung des Industriegebiets Billbrook.  Insbesondere die von der Behörde nur nach heftigem Widerstand des Bezirks zumindest im Ansatz ermöglichte Teileinbeziehung der Moorfleeter Wanne als „erweiterten Betrachtungsraum“ lässt trotz der Aussagen der Behörde, es gäbe noch keine Beschlüsse, nur das Ergebnis zu, dass nach mehreren Beteiligungsverfahren im Bezirk Bergedorf auch dieses Verfahren nicht ergebnisoffen, sondern vordisponiert durchgeführt wird. Damit die Gestaltung der Stadtwerkstatt Moorfleet, wie auch die der vorhergehenden Foren, nicht durch vorformulierte und gesetzte Rahmenbedingungen geprägt sein wird, stellen sich bereits im Vorfeld besonders zu ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen Fragen.

Aber auch die dritte Säule der Nachhaltigkeit ist mit offenen Fragen zur sozialen Situation der Anwohnerinnen und Anwohner betroffen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Im Rahmen der Stadtwerkstatt Moorfleet beabsichtigt der Bezirk Bergedorf gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und Institutionen vor Ort, den beteiligten Fachbehörden, der Politik sowie einem erfahrenen Planungs- und Moderationsteam Perspektiven zur wohnbaulichen, gewerblichen und naturräumlichen Entwicklung für den nördlichen Teil Moorfleets zu entwickeln. Gleichzeitig sollen übergeordnete gesamtstädtische Belange einfließen. Im Anschluss an das Beteiligungsverfahren ist die Überführung der Ergebnisse in einen Masterplan beabsichtigt, dessen Inhalte im weiteren Verlauf in die konkrete Bauleitplanung einfließen sollen. Die Antworten beziehen sich auf das Gebiet der geplanten Stadtwerkstatt im nördlichen Teil Moorfleets.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

 

1. Welche Flächen sind im Gebiet des Stadtteils Moorfleet als Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete oder Gebiete mit einem anderen ökologischen Status ausgewiesen? Bitte einzeln mit Datum der Einrichtung, Ausweisungszweck des Gebietes und Größe aufführen. Bitte auch Gebiete aufführen, die ggf. eingerichtet bzw. entwidmet werden sollen.

Im Gebiet der Stadtwerkstatt sind keine Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete oder Gebiete mit einem anderen ökologischen Status ausgewiesen. Unmittelbar westlich angrenzend liegt das Naturschutzgebiet (NSG) Holzhafen.

NameVerordnung vomGröße in HektarSchutzzweck
NSG Holzhafen19.03.1310,15Schutzzweck ist die vom Gezeiteneinfluss der Tideelbe abhängigen Lebensräume der Tief- und Flachwasserzonen, von Prielen durchzogenen süßwasserbeeinflussten Schlickwatten, Tide-Röhrichte, Schlammufer- und Hochstaudenfluren sowie Augehölze im Kontakt mit angrenzenden Feuchtwäldern sowie diese Lebensräume als Lebensstätte der auf sie angewiesenen, seltenen und gefährdeten Pflanzen- und Tierarten, insbesondere Brandgans sowie Löffel- und Krickente zu erhalten.

 

2. Welche landwirtschaftlichen Betriebe haben ihren Sitz in Moorfleet bzw. welche landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaften in Moorfleet? Bitte mit Betriebsgröße, Anteil der jeweiligen Fläche in Moorfleet, Betriebsart (Anbau, Voll- oder Teilzeitbetrieb, Bio-Zertifizierung, Anzahl der Beschäftigten) aufführen. Bitte diese Angaben für 2015 und so aktuell wie möglich gegenüberstellen.

In dem betreffenden Gebiet bewirtschaften aktuell acht Haupterwerbs-Gartenbau-Betriebe eine Fläche von insgesamt ca. 44 ha. Vier Nebenerwerbs-Gartenbau-Betriebe bewirtschaften eine Fläche von ca. fünf ha. Zwei Nebenerwerbs-Gartenbau-Betriebe haben in den vergangenen Jahren die Bewirtschaftung eingestellt. Weiterhin bewirtschaften drei landwirtschaftliche Betriebe (Grünland-Bewirtschaftung) dort insgesamt ca. 31 ha Fläche. Bis auf einen landwirtschaftlichen Betrieb haben alle anderen Betriebe ihren Betriebssitz in Moorfleet.

Zur Anzahl der Beschäftigten der einzelnen Betriebe liegen dem Senat keine Daten vor. Keiner der Betriebe betreibt ökologischen Anbau. Daten für das Jahr 2015 liegen nicht vor.

 

3. Welche gewerblichen Betriebe gibt es im Stadtteil Moorfleet mit Sitz oder Betriebsstelle und welche davon haben sich seit 2015 um Erweiterungsflächen bemüht? Bitte mit Anzahl der Beschäftigten für 2015 und so aktuell wie möglich gegenüberstellen.

Eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass sich in dem für die Stadtwerkstatt als Betrachtungsraum ausgemachten Gebiet insgesamt 18 Betriebe befinden, die dem gewerblichen Bereich zugeordnet werden können. Vier Betriebe haben den Standort in der Zwischenzeit aufgegeben. Drei Unternehmen haben sich in der Vergangenheit um Erweiterungsflächen bemüht. Hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten liegen dem Senat keine Daten vor.

 

4. Welche Flächen im Bereich Moorfleet gelten als belastet bzw. als besonders belastet? Bitte auf einer Karte darstellen.

5. Welche der aufgeführten Flächen sind nicht grundsätzlich für eine bauliche Entwicklung ausgeschlossen, sowohl gewerblich wie für den Wohnungsbau? Bitte ggf. mit notwendigen Maßnahmen bzw. Einschränkungen für eine Bebauung aufführen.

Siehe Anlage. Eine Bebauung der Flächen wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Notwendige Maßnahmen sind dabei abhängig von der jeweiligen Planung und der konkreten Belastungssituation.

 

6. In der städtebaulichen Voruntersuchung des Büros Claussen-Seggelke wurde im Jahr 2015 eine gewerbliche Bebauung der Moorfleeter Wanne als nicht sinnvoll beurteilt. Sämtliche landesplanerischen Pläne und Konzepte sähen weder eine wohnbauliche, noch eine gewerbliche Entwicklung vor, sondern eine Freiraumentwicklung. Gibt es hierzu neuere Erkenntnisse?

Die im Jahr 2015 durch das Büro claussen-seggelke stadtplanung im Auftrag des Bezirksamtes Bergedorf erstellte Studie zur Wohnbauentwicklung hatte das Ziel zu ermitteln, ob und ggf. in welchem Umfang im Norden Moorfleets Flächenpotenziale für den Wohnungsbau aktiviert werden können. Eine detaillierte Prüfung einer gewerblichen Bebauung der Moorfleeter Wanne war nicht Bestandteil der Untersuchungen.

Zu den Empfehlungen der Studie liegen dem Senat keine neuen Erkenntnisse vor.

 

7. Es hieß in der Voruntersuchung, der gewerbliche Lärm habe insbesondere nachts ein Ausmaß, dass bei dem angrenzenden Industriegebiet Billbrook eigentlich das Nutzungsniveau festgeschrieben werden müsste. Wie wird der Anstieg der Lärmbelastung insbesondere für die Anwohnerinnen und Anwohner bei einer Ausweitung des Industriegebietes in die Moorfleeter Wanne hinein beurteilt?

Die Entwicklung eines Industriegebiets ist in diesem Bereich nicht vorgesehen.

 

8. Welche Gutachten sind seit 2014 für das Gebiet des Stadtteils Moorfleet erstellt worden? Bitte mit Auftraggeber und Gutachtenzweck aufführen und als Anlage beifügen oder die Quelle angeben.

Im Jahr 2015 hat das zuständige Bezirksamt eine Studie zur Ermittlung von Wohnbaupotenzialen im Bereich Moorfleet nordwestlich der A1 in Auftrag gegeben. Die Studie wird kurzfristig im Transparenzportal eingestellt. Im Übrigen siehe Antwort zu 6.

Im Jahr 2017 wurde ein Gutachten zur Bestandserhebung zu den gartenbaulich-landwirtschaftlichen Betrieben und Flächennutzungen im Untersuchungsgebiet „Moorfleeter Wanne“ durch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) in Auftrag gegeben. Das Gutachten liegt derzeit im Entwurf vor.

 

9. Gibt es bezüglich der Verkaufsverhandlungen der Stadt mit Grundeigentümern und Grundeigentümerinnen in Moorfleet neue Ergebnisse? Wenn ja: Welche? Was sind die Ergebnisse des Gutachtens, welche Betriebe in absehbarer Zeit auslaufen, für welche Betriebe eine Verlagerung in Frage kommt und unter welchen Bedingungen Betriebe vor Ort weiterbestehen können?

Bezüglich etwaiger konkreter Ankaufsverhandlungen der Stadt mit Grundeigentümern gibt es aktuell keine neuen Ergebnisse. Im Übrigen siehe Drs. 21/ 14615 und Antwort zu 8.

 

10. Der Flächennutzungsplan und das Landschaftsprogramm charakterisieren das Gebiet als „landwirtschaftliche Fläche“, „landwirtschaftliche Kulturlandschaft“, „Entwicklungsbereich Naturhaushalt“, „Schutz des Landschaftsbildes“, „grüne Wegeverbindung“ und „Dorf“.
a. Warum fügt sich der nördliche Teil Moorfleets nicht in das ländliche Gesamtbild der Vier- und Marschlande ein?

Der nördliche Teil Moorfleets bildet aus innerstädtischer Sicht das „Eingangstor“ in die Kulturlandschaft der Vier- und Marschlande. Dieser Teil ist allerdings durch die Autobahn A1 von dem Gesamtbild der Vier- und Marschlande abgetrennt. Er ist im Inneren von einer Mischung aus dörflicher Bebauung und landwirtschaftlichen sowie Gartenbaubetrieben geprägt, steht jedoch in starkem Kontrast zu seiner Umgebung, die durch stark befahrene Verkehrstrassen und Industriegebiete geprägt ist.

b. Ist zur Erholungsnutzung ein Gutachten in Auftrag gegeben worden oder geplant?
c. Ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Naturschutz erfolgt oder geplant?

Nein. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist erst im Rahmen förmlicher Genehmigungsverfahren erforderlich.

d. Ist die zuständige Behörde für Schutzgebiete und Landschaftspflege einbezogen worden?

Entfällt.

 

11. Hat es die für die erste Märzhälfte 2019 vorgesehenen Auftaktgespräche mit dem ausgewählten Bieter/Bietergemeinschaft gegeben? Wenn ja: Was sind die Ergebnisse? Auf was beziehen sich die Gebote sowohl flächen- wie bestimmungsmäßig?

Ja, dieser Termin hat stattgefunden. Beteiligt waren das Bezirksamt Bergedorf, die aus dem Vergabeverfahren hervorgegangenen Auftragnehmer sowie die beteiligten Fachbehörden. Der Termin diente dem Kennenlernen der Beteiligten und einem ersten Austausch zu den jeweiligen Belangen der Akteure, sowie der Abstimmung des Ablaufes der öffentlichen Auftaktveranstaltung.

Die Gebote im Rahmen des Vergabeverfahrens bezogen sich auf den vom Bezirksamt ausgeschriebenen Planungsraum.

 

12. Welchen Stellenwert misst der Senat dem Erhalt der Kulturlandschaft der Vier- und Marschlande, zu denen Moorfleet gehört, bei?

Der Erhalt der historischen Kulturlandschaft der Vier- und Marschlande hat, auch überregional, eine hohe Bedeutung. Die Kulturlandschaft der Vier- und Marschlande stellt nach wie vor einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Bezug auf die landwirtschaftliche und gartenbauliche Erzeugung dar. Gleichzeitig handelt es sich um einen bedeutsamen Naherholungsraum für die Stadt Hamburg. Die städtebauliche Eigenart der Dorfkerne sowie entlang der Deichstraßen stellt ein Alleinstellungsmerkmal dar. Den Besonderheiten des nördlichen Teils von Moorfleet muss Rechnung getragen werden.

 

13. Warum soll das Bezirksamt Mitte an der Stadtwerkstatt beteiligt werden?

Der Betrachtungsraum zur Stadtwerkstatt Moorfleet grenzt zu mehreren Seiten an den Bezirk Hamburg-Mitte. Aufgrund dieser unmittelbaren geographischen Nähe soll dem Bezirksamt die Gelegenheit gegeben werden, an den Veranstaltungen teilzunehmen und seine Belange einzubringen.

 

14. Jede Veränderung einer Teilfläche Moorfleets hat erhebliche Auswirkungen auf die restlichen Bereiche. Warum wird nicht eine Gesamtbetrachtung Moorfleets in vorgenommen?

Der Betrachtungsraum der Stadtwerkstatt wurde in Absprache mit den politischen Gremien des Bezirks festgelegt. Im Übrigen siehe Antwort zu 10a.

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