Der einzige Mut, der hier bewiesen wurde, war, mit König Olaf über Durchfahrtverbote zu sprechen.

Stephan Jersch
Der einzige Mut der hier bewiesen wurde war mit König Olaf über Durchfahrtverbote zu sprechen

Rede zum Luftreinhalteplan, Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft am 10.5.2017

Aktuelle Stunde
Mutig, konsequent, aber auch mit Augenmaß: Luftreinhalteplan sorgt für mehr Gesundheit in Hamburg

Stephan Jersch DIE LINKE:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mutig und konsequent oder doch eher sorgfältig abgewo­gen - allein schon, wenn man die Anmeldungen zu diesem Thema sieht, merkt man, dass das umweltpolitische Schneckenmobil in Hamburg sowohl zwei Lenkräder hat als auch nach wie vor keine AU-Plakette mehr.

Die Grenzwerte, über die wir reden und um die sich dieser Luftreinhalteplan kümmern soll, gibt es seit 2010, und das Versprechen, das man hier aus den
Regierungskreisen hört, ist das Versprechen einer schnellstmöglichen Einhaltung dieser Stickoxidgrenzwerte.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das hat das Gericht gesagt!)

Stattdessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie die Umsetzung der proklamierten Sustainable Development Goals der UN, die Erfüllung des Klimaplans und natürlich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren im Nacken. Angesichts dessen ist es mutig von Ihnen, sich zur Umsetzung der Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte noch einen Nachschlag von 8 Jahren genehmigen zu wollen, sodass die Grenzwerte dann 15 Jahre, nachdem sie in Kraft getreten sind, in Hamburg tatsächlich eingehalten werden. Das ist völlig und abgrundtief schlecht; das ist zu schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was sich deutlich zeigt: Der Koalitionsvertrag mit seinen Maßnähmchen ist völlig untauglich gewesen, irgendeinen Effekt in Hamburg zu zeitigen. Im Luftreinhalteplan steht 5 900 Tonnen jährlicher Stickoxidanfall durch den Kfz-Verkehr, und wir können in ihm lesen, dass allein Moorburg pro Jahr 2 400 Tonnen Stickoxide anfallen lässt. Um diese Baustellen wird sich nicht wirklich gekümmert, son­dern es wird natürlich auf die nächstliegenden Sachen abgezielt. Und was vielleicht weniger auffällt, aber mit Sicherheit sehr bedeutend in Hamburg ist: Den Stickoxidemissionen für den Flugverkehr wird in diesem Plan eine mehr als 50-prozentige Steigerung gegenüber 2014 zugebilligt. Sie haben Baustellen ohne Ende, die Sie nicht wirklich angehen.

Mutig, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht anders aus, als 3 700 Meter ausnahmedurchlöcherte Durchfahrtsverbote in Hamburg zu installieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Luftreinhalteplan ist auf Kante genäht und er gewährt eine achtjährige Übergangsfrist, die Sie eigentlich nicht verdient haben. Der Luftreinhalteplan ist, wenn man ihn liest, mehr das Werk von Statistikern und Mathematikern, als er eine Sammlung von Fakten ist. Dazu zählt mit Sicherheit, dass das Luftmessnetz in Hamburg immer weiter abgebaut wird und immer mehr durch statistische Modelle substituiert werden soll. Wenn wir dann in die Literaturliste dieses Luftreinhalteplans schauen, stellen wir interessanterweise fest, dass an drei Stellen tatsächlich noch Platzhalter für bisher unveröffentlichte Berichte aufgeführt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche Leistung, die jetzt zur öffentlichen Anhörung ausgelegt wird, ist gelinde gesagt eine Schlechtleistung. Das ist ein Vertrauensvorschuss für einen Senat, der diesen nicht verdient hat aufgrund seiner bisherigen Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den Dingen, die aus diesen Zahlen hervorgehen sollen, gehört natürlich auch die wundersame Verminderung der ursprünglich einmal 220 000 von der Luftverschmutzung Betroffenen, die jetzt auf 40 000 Betroffene reduziert worden sind. All das gälte es wirklich einmal nachzuweisen und mit Fakten zu belegen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das können Sie ja mal nachrechnen! Sie können doch so was!)

Das habe ich in diesem Luftreinhalteplan nicht gefunden.

Die Datenbasis ist unvollständig und damit für mich untauglich. Das macht mich an dieser Stelle genauso sprachlos, wie die Luftqualität in Hamburg Bürgerinnen und Bürger atemlos macht.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

Es muss mehr passieren. Wir müssen schneller und mutiger - wobei mutiger eine Steigerung von mutig wäre, und mutig kann ich an dieser Stelle nirgendwo feststellen -,

(Beifall bei der LINKEN)

wir müssen also schneller und mutig zu Maßnahmen greifen. Der einzige Mut, der angesichts dieses Luftreinhalteplans wirklich bewiesen worden ist, ist, mit König Olaf über Durchfahrtsverbote zu sprechen. Das war Mut, den Sie bewiesen haben. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)