Hintergrund: Hamburg setzt weiterhin auf Klimakiller im Hafen

Sulfuryldifluorid (SO2F2) findet seit dem Jahr 2000 breite Anwendung als Pflanzenschutzmittel und Biozid. Es ersetzt den ozonschichtschädigenden Stoff Methylbromid, dessen Anwendung weltweit stark begrenzt wurde. Nun wird es unter anderem zur Begasung von Stammholz für den Export im Hamburger Hafen genutzt, um dieses von Schädlingen zu „befreien“. Zwar hat das Gas keine ozonschädigende Wirkung, jedoch verfügt es über ein sehr hohes Treibhauspotenzial und hat eine 7.520-mal höhere Wirkung auf unser Klima als Kohlenstoffdioxid und ist damit in seiner Klimawirkung mit dem Kohleheizkraftwerk Tiefstack vergleichbar. Vor allem Stammholz, welches nach China verschifft wird, muss mit Sulfuryldifluorid begast werden. Andere Länder wie Neuseeland akzeptieren Behandlungen mit alternativen Stoffen. Ein Großteil (ca. 97%) des Stammholzexportes über den Hamburger Hafen geht allerdings nach China.

Die Stadt Hamburg berichtet seit 2020 auf freiwilliger Basis über den Einsatz von Sulfuryldifluorid, zuletzt in der Fortschreibung des Hamburger Klimaplans im Rahmen der Novellierung des Klimaschutzgesetzes.

  • Abbildung 1: Einsatz von SO2F2 in Hamburg 2016-2023 (siehe unten im Text, Link anklicken, Grafik als JPG)

Während der Einsatz von Sulfuryldifluorid im Jahr 2019 sprunghaft anstieg und 2020 seinen Höhepunkt mit 230 Tonnen fand, ging der Einsatz 2021 stark zurück. Schriftliche Kleine Anfragen zeigen jedoch auf, dass der Einsatz von Sulfuryldifluorid seit 2021 wieder ansteigt. 2023 (195,9 Tonnen) lag der Einsatz von SO2F2 wieder auf einem ähnlichen Niveau wie 2019 (203,7 Tonnen) (siehe Abb. 1). Es gäbe Möglichkeiten und Wege, denn Einsatz von Sulfuryldifluorid zu beschränken. Meine Fraktion hat bereits 2021 beantragt, dass sich der Senat für ein Verbot der Freisetzung von Sulfuryldifluorid und die Entwicklung alternativer Behandlungsformen einsetzt sowie das kein mit SO2F2 begastes Stammholz mehr über den Hamburger Hafen laufen darf. Der Antrag wurde abgelehnt, denn die Regierungskoalition denkt nicht einmal daran, den Einsatz von Sulfuryldifluorid zu beschränken.

Schon im Rahmen der Anhörung zur Novellierung des Klimaschutzgesetzes im vergangenen Jahr führte Staatsrat Pollmann aus: „Natürlich haben wir uns auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass das möglichst umfassend auch auf europäischer Ebene so geregelt wird, dass erstens Ersatzstoffe, die die gleiche Wirkung erzielen, jetzt auch tatsächlich schnell freigegeben werden und dass zweitens so schnell wie möglich dieses Sulfuryldifluorid außer Betrieb genommen werden kann. Da setzen wir uns auf Bundeseben für ein natürlich eingedenk der Tatsache, dass für das Klima nichts gewonnen ist, wenn der Einsatz dieses Begasungsmittel in Bremerhaven oder in Rotterdam weiter zugelassen ist. Dann hat man nichts gewonnen, sondern nur Ladung für Hamburg verloren.“ 1

Dies zeigt sehr deutlich auf, dass wirtschaftliche Interessen vor Klimaschutz stehen. Es gäbe alternative Behandlungsmöglichkeiten zum Beispiel mit Ethandinitril (EDN) sowie die Unterwasserbehandlung (hierfür müssen die Stämme 90 Tage vollständig unter der Wasseroberfläche gelagert werden). Darüber hinaus: worin besteht die zwingende Notwendigkeit Stammholz nach China zu exportieren?

Gerne wird auf eine Pilotanlage verwiesen, die die physikalische Adsorption von Sulfuryldifluorid ermöglichen soll. Das Projekt soll in Kooperation der Technischen Universität Hamburg (TUHH) mit einem industriellen Partner erfolgen. Derzeit kann mit der Bauphase nicht begonnen werden, da dieser Partner weiterhin fehlt. Dieser muss nämlich über eine entsprechende Genehmigung für die Begasung mit Sulfuryldifluorid verfügt. Nun hängt die Pilotanlage in der Schwebe und wird voraussichtlich nicht vor 2025 gebaut werden. Bis dann jedoch die ersten Ergebnisse vorliegen, ob eine Adsorption von Sulfuryldifluorid erfolgreich erfolgen kann, werden weitere Jahre vergehen. Jahre, die wir in Sachen Klimaschutz nicht mehr haben. Bis dahin wird Sulfuryldifluorid feucht fröhlich weiter in die Atmosphäre entlassen und so getan, als ob der Export von Stammholz einer der wichtigsten Wirtschaftszweige sei, den der Hamburger Hafen hat. Dabei könnte das Holz für eigene Zwecke genutzt werden (beispielsweise im Baubereich) oder an andere Länder, die nicht die Verwendung von Sulfuryldifluorid verlangen, verkauft werden. Dies muss jedoch auch gewollt sein.

Es ist ein Armutszeugnis, dass der Klimaplan lediglich Maßnahmen aufzeigt, wie Kohlenstoffdioxidemissionen zu reduzieren sind, aber keine Maßnahme enthält, wie SO2F2 reduziert werden kann. Die Vorschläge liegen längst auf dem Tisch und man wäre in der Lage zu handeln. Man muss nur halt den Mut haben, den Weg auch zu gehen.

1https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/85410/wort_protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_ausschusses_fuer_umwelt_klima_und_energie_zusammen_mit_dem_ausschuss_fuer_wirtschaft_und_innovation_dem_v.pdf, S. 66 (letzter Zugriff am: 30.04.2024)