In Hamburg und weltweit: Eine ökologisch und sozial verträgliche Energiewende muss her

Stephan Jersch

Gedanken zum Klimawandel, seinen Ursachen und warum es wichtig ist, in Bonn beim Weltklimagipfel Flagge zu zeigen für den Ausstieg aus der Kohle, ein Ende des fossilen Zeitalters und eine gesellschaftliche Transformation ohne Ausbeutung der Menschen, der Umwelt und des Planeten.

Vor dem Hintergrund zunehmend verheerender Wetterphänomene, steigender Meeresspiegel und inzwischen über 60 Millionen Menschen, die heute schon vor den Folgen des Klimawandels fliehen müssen, findet in knapp zwei Wochen in Bonn der nächste Weltklimagipfel statt. Dort sollen die nötigen Maßnahmen erarbeitet werden, mit denen das 2015 in Paris beschlossene Klimaziel erreicht werden soll. Das „Book of Rules“, das daraus entsteht, soll beim übernächsten Klimagipfel im Jahr 2018 beschlossen und dann aber auch wirklich verbindlich sein und umgesetzt werden.

Schon vor dem Gipfel der Staatsvertreter beginnt der Klimagipfel der internationalen Zivilgesellschaft am 3. November 2017. Erster Höhepunkt wird die Groß-Demo unter dem Motto „Klima schützen – Kohle stoppen!“ sein, die am 4. November 2017 um 12 Uhr auf dem Bonner Münsterplatz startet.


Klimaabkommen 2015: Noch längst keine spürbaren Auswirkungen

Zwei Jahre sind bereits vergangen, seit beschlossen wurde, dass das Klima sich nur „deutlich unter 2 Grad Celsius“ gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmen darf, um wirtschaftliche Schäden, gesellschaftliche Verwerfungen und verheerende Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensgrundlagen zu verhindern. Auch ist schon lange klar, dass die Emission von Treibhausgasen – allen voran CO2 und Methan – drastisch verringert werden muss, um dieses Ziel zu erreichen. Doch trotz aller Beschlüsse und Erkenntnisse steigt der Gehalt der Treibhausgase in der Atmosphäre immer weiter an und die „deutlich unter 2 Grad Celsius“ sind eigentlich fast schon erreicht.

Und doch machen insbesondere die Industrieländer mit ihrer fossilen Wirtschaftsweise weiter wie bisher. Europa, die USA und China sind global die größten Emittenten von Treibhausgasen. Die USA sind unter Trump aus dem Klimaabkommen ausgestiegen. China setzt angeblich bereits wirksame Maßnahmen zur Senkung seines Klimagas-Ausstoßes um. Und Europa tut sich weiterhin schwer, das Wort „Energiewende“ mit Leben zu füllen: Statt entschlossen den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen voranzubringen, sollen sogar noch neue Projekte auf den Weg gebracht werden – z. B. mit dem geplanten Ausbau der Gas-Infrastruktur, mit neuen Fracking-Projekten und auch mit neuen (!) Kohlekraftwerken, die noch gebaut werden könnten.


Trauriger Spitzenplatz: Deutschland

Deutschland, das mit mittlerweile knapp 90.000 Megatonnen emittierten CO2 bzw. CO2-Äquivalenten europaweit an der Spitze der Einheizer liegt (zum Vergleich: Russland hat im selben Zeitraum rund 106.000 Megatonnen ausgestoßen [Quelle: PIK]), wird seine eigenen Klimaziele bis 2020 deutlich verfehlen. Zu wenig wurde bislang getan, um die verheerende Entwicklung umzudrehen; viele falsche politische Entscheidungen wurden getroffen und das Tempo auf dem falschen Weg sogar noch erhöht: Seien es die Geldgeschenke an die Braunkohle-Industrie, die wachsende Ausdehnung der Braunkohle-Tagebaue, der Ausbau der Strom- und Wärmegewinnung aus Kohlekraftwerken, neue Pipelines für Erdgas, neue Gesetze, die Fracking massiv voranbringen, sei es der unsägliche Umgang mit dem Diesel-Skandal..., seien es die Knüppel, die den Erneuerbaren Energien eins ums andere Mal zwischen die Beine geworfen wurden.


Exemplarisch: Energiewende à la Hamburg

Die einstige „Klimahauptstadt Hamburg“ (2011) hat sich noch in dieser Dekade eines der größten Steinkohlekraftwerke – Moorburg – bauen lassen. Es deckt rechnerisch rund 90 % des Hamburger Strombedarfs. Allerdings wird diese Energie überwiegend exportiert, denn in Hamburg werden zwei weitere Kohlekraftwerke und zunehmend Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie betrieben. Moorburg emittiert, neben bedenklichen Mengen anderer Luftschadstoffe, jedes Jahr etwa 8,5 Tonnen CO2. Dazu kommt, dass der im schwerfälligen Kohlemonster Moorburg produzierte Strom buchstäblich die Leitungen verstopft und viel zu wenig Kapazität für den Strom lässt, der z. B. aus Windenergie gewonnen wird.

Nun könnte es sogar so weit kommen, dass Moorburgs „Daseinsberechtigung“ noch dadurch verstärkt werden soll, dass seine Abwärme zukünftig ins Hamburger Fernwärmenetz eingespeist wird. Solche Überlegungen gibt es zumindest im Hamburger Senat. Hamburgs Energiepolitik steht somit exemplarisch für eine rückwärtsgewandte, aus der Zeit gefallene, fantasielose und klimaschädigende Politik.


Protest und gute Ideen

Am 4. November 2017 findet vor den Augen der Welt eine große, bunte, vielfältige Demonstration in Bonn statt, mit der die Zivilgesellschaft den sofortigen Ausstieg aus der Kohle, aber auch der anderen fossilen Brennstoffen – Öl und Gas – fordern. Eine Ende des fossilen Zeitalters und des Wachstums auf Kosten des Planeten und eine Wende hin zu einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschafts- und Lebensweise stehen dabei im Zentrum, um der Katastrophe des Klimawandels wirksam Einhalt zu gebieten. Denn noch ist es nicht zu spät!

Außerdem versammeln sich vom 3.-7. November 2017 in Bonn Klimabewegte aus der ganzen Welt zum People’s Climate Summit, um die Bewegungen und Lösungen für Klimagerechtigkeit voranzubringen. Ziel ist dabei die Transformation hin zu einer Gesellschaft, in der die Sorge für den Planeten und unsere Mitmenschen im Fokus steht – und nicht deren Ausbeutung. Die Konferenz soll ein Ort der Begegnung und des Austauschs sein, der die Arbeit für Klimagerechtigkeit inspirieren und stärken soll.

Bleibt zu hoffen, dass sich die politischen Entscheider dort inspirieren lassen und viele gute Ideen mit nach Hause nehmen.