Schluss mit dem Schmusekurs mit Vattenfall: Kohleausstieg muss schneller gehen

Stephan Jersch

100. Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 5. Juni 2019 - Drucksache 21/17287 - TOP 30 - Kohleausstieg für die Hamburger Fernwärme - Konsens mit den Initiatorinnen und Initiatoren der Volksinitiative "Tschüss Kohle!" - Antrag der SPD- und GRÜNEN Fraktion

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Stephan Jersch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich anfangen mit einem Dank an die Volksini­tiative dafür, die Initiative ergriffen zu haben, das Thema in der Stadt publik gemacht zu haben und für das Durchhaltevermögen in den langen Ver­handlungen mit Rot-Grün.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Entscheidung, wie wir heute abstimmen wer­den, ist uns nicht leichtgefallen. Dieser Ge­setzestext fällt weit hinter unsere eigenen Forde­rungen und hinter die geäußerten Ansprüche zu­rück. Er fällt, wie wir finden, aber auch hinter die Möglichkeiten Hamburgs deutlich zurück und ist der Klimasituation nicht angemessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fangen wir an mit Tiefstack, Ausstieg bis 2030. Die Volksinitiative, die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN, DIE LINKE und auch viele andere Akteure in der Stadt haben einen deutlich schnelle­ren Ausstieg bis 2025 gefordert.

{Dirk Kienscherf SPD: Das geht nicht!)

Das ist nicht genug. Egal, welche Begründung Sie jetzt aus der Tasche ziehen, wir halten Sie dort für nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru­se FDP)

Was auch immer Sie geritten hat, Wedel in die Lyrik dieses Antrags mit aufzunehmen: Die erneute Ver­schiebung der Abschaltung von Wedel ist für die Menschen, für Hamburg und für das Klima völlig unmöglich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru­se FDP)

Ich zitiere Senator Kerstan, der 2018 sagte: "Denn bis 2024/2025 Wedel laufen zu las­sen, halten wir aus Umweltgesichtspunkten und auch aus Kostengesichtspunkten nicht für sinnvoll."
In diese Falle hat der Umweltsenator die Energie­politik Hamburgs geführt. Auch das ist ein Misser­folg der hamburgischen Energiepolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Wedel vielleicht später noch mehr. Aber was die Verzögerungen angeht, kann ich auf jeden Fall Fol­gendes feststellen und insofern auch auf den Kolle­gen Tjarks eingehen: Ihre Frühstücksrunden mit Vattenfall, die Verzögerungen, die sich daraus er­geben haben, jetzt anderen Akteuren in dieser Stadt in die Schuhe zu schieben, das geht über­haupt nicht. Ihre Politik gegenüber Vattenfall, Ihr Rumschmusen hat eine vierjährige Verzögerung in der Planung ergeben, und ich denke, dass diese dem Kohleausstieg nicht angelastet werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hätten mehr Mut von beiden Regierungsfraktio­nen erwartet, vor allen Dingen auch in der Frage des Wegegesetzes.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist verfas­sungswidrig!)

Hierbei geht es um eine Sache der Zukunft und hier kneifen Sie, wie Sie schon immer in solchen Fragen gekniffen haben. Stattdessen warten Sie lieber auf irgendwelche Initiativen der Bundesregierung. Statt Leuchtturm des Kohleausstiegs zu sein, warten Sie auf Godot.

(Beifall bei der LINKEN - ,Dirk Kienscherf SPD: Sind wir doch!)

Ich frage mich: Auf wen wollen Sie angesichts die­ser Klimapolitik später mit dem Finger zeigen, wenn das Peter-Tschentscher-Sperrwerk und der Jens-Kerstan-Deich eröffnet werden? Sie müssen auf sich selbst zeigen, weil Sie zögern und zaudern und zu langsam sind und nicht sämtliche Ressour­cen der Stadt für den Kampf gegen den Klimawan­del einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen eine Trümmerlandschaft aus Halden von Ansprüchen, die Sie aufgehäuft haben und denen Sie jetzt nicht gerecht werden.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind doch nicht aus Berlin!)

Es ist das bittere Ergebnis dessen, lange, lange Zeit gut Freund von Vattenfall gewesen zu sein. Das ist wie in einem klimapolitischen SM-Studio, sorry.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ich weiß ja nicht, wo Sie verkehren!)

Aber darauf kann man nicht wirklich bauen. Seien Sie jetzt ehrlich und ziehen Sie Bilanz, wo Sie wirk­lich stehen. Sie stehen weit am Anfang und haben bei Weitem noch nicht genug geleistet.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das wollen wir mit unserem Zusatzantrag si­cherstellen: Kohleausstieg bis 2025, keine Einbin­dung von niemandem an Kohlewärme, keine Ihrer Ausnahmeregelungen im Wegegesetz und eine ef­fektive Begleitung dieses Prozesses. In diesem Sin­ne werden wir die Volksinitiative weiterhin in den Gesprächen, in dem Prozess konstruktiv unterstüt­zen, anders als Sie es anscheinend mit Ihrem Schnellschuss machen wollen, konstruktiv, damit der Kohleausstieg so früh wie möglich in Hamburg, vielleicht sogar 2025 gelingt. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Teil 2:

Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senator hat gesagt, man müsse jetzt tun, was man tun kann. Das scheint nicht besonders viel zu sein, zumindest angesichts der Möglichkeiten einer Stadt, der die Kohlekraftwerke gehören, der das Netz gehört und die - ich versuche es jetzt einmal anders zu formulieren - nicht zu den ärmsten Kom­munen Deutschlands und Europas gehört. Aber vielleicht ist da noch ein bisschen Olaf Scholz im Senat, der 2017 nach Paris, wo schon ganz andere Zielzahlen genannt wurden, in dieser Bürgerschaft gesagt hat, das ehrgeizige Ziel sei, dass es nur ei­ne 2-Grad-Erderwärmung gibt. Der Zwischenruf des Kollegen Tjarks dazu war: Das wird schwer. Ja, anscheinend ist es zu schwer, in dieser Stadt ge­nug zu erreichen.

Um noch einmal auf Wedel zurückzukommen: 25 Millionen Euro Investitionen für ein Jahr Lauf­zeitverlängerung war die Zahl, die Senator Kerstan im Oktober 2018 in der Haushaltsausschusssitzung kundgetan hat. 25 Millionen Euro, die letztendlich jetzt - und es wird länger als ein Jahr ertüchtigt - der Energiewende in Hamburg fehlen. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru­se FDP)

Wenigstens sind die damals von Ihnen ins Spiel ge­brachten reinen Heizkessel ab 2021 und die Vor­stellung, es könnte Ausnahmegenehmigungen für das Kraftwerk geben, vom Tisch. Ich habe aber das Gefühl, dass Ausstieg 2025 noch irgendwo in Ihren Papieren stehen musste und dass man die Ab­schaltung von Wedel noch einmal bis 2025 verlän­gert hat, damit zumindest dieses Datum irgendwo drinsteht. Sorry, anders als fassungslos kann man das nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind in dieser Frage in der Tat planlos und ha­ben, wie die Kollegin Sparr bestätigt hat, zu spät mit Ihrer Planung angefangen. Nicht nur wir, son­dern noch ganz andere Organisationen fordern 2025; da können Sie sich sicher sein. Ich sehe, un­ser Zusatzantrag wirkt schon. Wir werden nicht mit CDU und FDP in einen Hut bezüglich unserer Ab­lehnungsgründe beziehungsweise unseres Stimm­verhaltens geworfen. Nein, wir werden diesen An­trag mit einer Enthaltung abstimmen

(Jens-Peter Schwieger SPD: Hey! - Dr. Mo­nika Schaal SPD: Das ist ja wirklich der letzte Hammer!)

trotz aller Kritik, die wir gebracht haben.

(Ekkehard Wysocki SPD: Sie sind ja ein rich­tiger Fuchs!)

Es ist wichtig, Ihnen von Rot-Grün deutlich vor Au­gen zu führen, dass Sie angesichts Ihrer Möglich­keiten klimapolitisch versagt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn einige männliche Redner hier den Hambur­ger Energietisch mit der LINKEN verwechseln, dann möchte ich das noch einmal klarstellen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Da passt auch kei­ne Briefmarke dazwischen!)

Wenn es um das Sammeln von Geldern für die Kla­ge gegen die Südvariante beziehungsweise die Elbtrasse geht, dann ist es eines Ihrer Mitglieder aus der Regierungskoalition, das da am meisten Geld reinsteckt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, wissen wir alle schon!)

Das müssen wir einmal ganz deutlich festhalten. Seien Sie nicht so scheinheilig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann an dieser Stelle deutlich sagen, dass wir den weiteren Prozess konstruktiv unterstützen wer­den, weil das Klima kein Klein-Klein verträgt.

Nichtsdestotrotz werden wir es sein, die ihren Fuß immer wieder auf das Gaspedal drücken werden, damit dieser Ausstieg so schnell wie möglich für Hamburg, für das Klima und für die Menschen kommt. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Teil 3:

Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen. Der oberste Beklager
von Fake News, Kollege Tjarks, ergeht sich manch­mal selbst im Verbreiten eben solcher. Dem müssen wir an dieser Stelle klar entgegentreten. Woher wollen Sie wissen, dass wir, bevor wir den Antrag hatten, dagegen waren?

(Dr. Monika Schaal SPD: Aus Ihrer Presse­meldung!)

Davon einmal abgesehen, dass wir nicht dagegen sind, haben wir damals in einer ersten Reaktion nur auf einen Bericht des NDR reagiert.

(Lachen bei der SPD)

Genauso vorsichtig ist diese Reaktion formuliert worden. Das ist - da muss ich dem Kollegen Kruse wieder einmal recht geben - Demokratie, und so funktioniert das in diesem Haus und in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber bei Ihnen beiden habe ich das Gefühl, dass wir nichts mehr sagen sollten zu dem, was nicht über Ihre Tische gegangen ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Heulen Sie doch!)

Nein, beim besten Willen, diese rot-grüne Mei­nungsgleichmacherei machen wir nicht mit.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Wir haben viel Kritik geäußert. Das ist in der Tat das gute Recht in diesem Haus, damit die Welt draußen, damit Hamburgs Bürgerinnen und Bürger wissen, dass es auch noch Menschen gibt, die das Klima ein bisschen ernster nehmen, als Sie das im Moment tun. Sie verspielen viel Vorschuss, und ich bin einmal gespannt, bis wann sich das draußen deutlich zeigen wird. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anna-Elisa­beth von Treuenfels-Frowein FDP und Dr. Alexander Wolf AfD)