SKA: Volksinitiative "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen - Mehr Demokratie vor Ort"

Stephan Jersch

Diese Senatsantwort zum Stand der direkteren Demokratie in Hamburg ist aufwändig: Um sie zu verstehen, müssen sage und schreibe neben der Antwort weitere 14 frühere Senatsantworten studiert werden (am Ende dieses Dokuments verlinkt). Eine lesbare Fassung der Auskünfte muss sich nun jeder selbst erstellen.

8. Oktober 2019

 Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Deniz Celik und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 01.10.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/18523 -

Betr.:    Volksinitiative "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen - Mehr Demokratie vor Ort"

Zahlreiche Hamburger Initiativen und der Verein Mehr Demokratie e.V. haben Anfang August 2019 die Volksinitiative "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen - Mehr Demokratie vor Ort" angemeldet. Ziel der Volksinitiative ist es, dass Bürgerentscheide analog den Volksentscheiden verbindlich sind. Die Forderung der Volksinitiative lautet daher:

"Senat und Bürgerschaft unternehmen unverzüglich alle notwendigen Schritte, damit in Bezirksangelegenheiten rechtlich für Bezirk und Senat Bürgerentscheide bindend sind. Bürgerbegehren dürfen ab dem Tag ihrer Anmeldung nicht mehr be- bzw. verhindert werden. Erfolgreiche Bürgerentscheide oder der Beschluss des Bezirks über die Annahme von Bürgerbegehren dürfen nur im Wege eines neuen Bürgerentscheids abgeändert werden.”

Zur Begründung heißt es:
Bürgerbegehren und Bürgerentscheide werden in Hamburg immer wieder - in erster Linie vom Senat - im Vorfeld ausgebremst, ausgehebelt oder durch widersprechende Maßnahmen unterlaufen. Dies wollen wir ändern.

In Bezirksangelegenheiten sollen für Bezirk und Senat daher Bürgerbegehren rechtlich verbindlich und Bürgerentscheide für das Verwaltungshandeln von Bezirk und Senat rechtlich bindend sein.  Bezirksangelegenheiten sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die durch ihren spezifischen Bezug zum Bezirk allen Einwohnern des Bezirks gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben oder -wohnen betreffen.

Ein Bürgerentscheid oder der Beschluss über die Annahme eines Bürgerbegehrens müssen unverzüglich umgesetzt werden.

Erfolgreiche Bürgerentscheide oder der Beschluss des Bezirks über die Annahme von Bürgerbegehren dürfen nur im Wege eines neuen Bürgerentscheids abgeändert werden. Das heißt, dass die Verwaltung Hamburgs einen entsprechenden Bürgerentscheid oder ihren Beschluss über die Annahme eines solchen Bürgerbegehrens nicht mehr abändern darf.

Den Bürgern sollte eine abschließende Entscheidung in Bezirksangelegenheiten durch Bürgerentscheid durch Maßnahmen des Senats nicht mehr entzogen werden können, wenn das Bürgerbegehren zulässig ist. Daher dürfen Bürgerbegehren ab dem Tag ihrer Anmeldung nicht mehr be- bzw. verhindert werden.

Die Bindungswirkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gegenüber Bezirk und Senat ermöglicht die direkte und wirksame Teilhabe der Bürger an politischen Entscheidungen in örtlichen Angelegenheiten ihres Bezirks.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

In allen Angelegenheiten, in denen die Bezirksversammlung Beschlüsse fassen darf, mit Ausnahme von Personalentscheidungen und Beschlüssen über den Haushalt, können die wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner eines Bezirks einen Bürgerentscheid beantragen. Ebenso wie die Entscheidung der Bezirksversammlung ist dieser an Recht und Gesetz, den Haushaltsbeschluss, Globalrichtlinien des Senats, Zuständigkeitsanordnungen und sonstige Entscheidungen des Senats sowie Fach- und Einzelweisungen der fachlich zuständigen Behörden gebunden. Ein Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses der Bezirksversammlung, d. h. für das Bezirksamt bindende Entscheidungen sind von diesem umzusetzen und Empfehlungen durch die zuständigen Stellen innerhalb von sechs Wochen zu beantworten. Genau wie Beschlüsse der Bezirksversammlung können Bürgerbegehren und -entscheide weder abgelehnt noch für ungültig erklärt werden. Lediglich im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung wird die Einhaltung der o. g. Rahmenbedingungen überprüft. Unberührt bleibt auch die sich aus der Hamburgischen Verfassung ergebende Befugnis des Senats, als Landesregierung im Rahmen seiner Führung und Aufsicht über die Verwaltung allgemein oder im Einzelfall Weisungen zu erteilen und Angelegenheiten selbst zu erledigen.

Da die erfragten Informationen nicht in automatisch auszuwertender Form vorgehalten werden, wurden sie durch Abfragen bei den Behörden und Ämtern ermittelt. Die Angaben erfolgen in dem Umfang beziehungsweise in der Vollständigkeit, die in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

 

1. Welche Bürgerbegehren wurden seit deren Einführung jeweils wann beantragt? Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Siehe Anlage 1 sowie Drs. 20/2291, 20/12076 und 21/10313.

 

2. Welche der unter 1. aufgeführten Bürgerbegehren wurden durch den Senat mit welcher Begründung jeweils evoziert?

3. Welche der unter 1. aufgeführten Bürgerbegehren wurden in Folge von Anweisungen der Senatskommission für ungültig erklärt bzw. außer Kraft gesetzt (d.h. die Bezirke angewiesen, die aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten (sog. „kalte Evokation“))?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Siehe Drs. 21/3802, 21/10857, 21/14284, 21/14285, 21/14363, 21/14364, 21/14377, 21/14378 und 21/14419.

 

4. Welche der unter 1. aufgeführten Bürgerbegehren wurden durch die Verwaltung mit welcher Begründung jeweils abgelehnt bzw. außer Kraft gesetzt? Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Siehe Vorbemerkung.

 

5. Welche Bürgerentscheide wurden seit deren Einführung jeweils wann durchgeführt und mit welchem Ergebnis jeweils (Wahlbeteiligung, Ja- und Nein-Stimmen, wenn Stichfrage Stimmenergebnis etc.)? Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Siehe Anlage 2.

 

6. Welche der unter 6. aufgeführten Bürgerentscheide wurden durch den Senat mit welcher Begründung jeweils evoziert?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

2010: Evokation des Bürgerentscheids in Altona „Rettet den Buchenhofwald“, siehe Drs. 19/5304.
2011: Evokation des Bürgerentscheids in Hamburg-Nord „Für den Erhalt von grünem und günstigem Wohnraum – kein Siedlungsabbruch in Hamburg Norden (Langenhorn 73)“, siehe Drs. 20/3433.

 

7. Welche der unter 6. Aufgeführten Bürgerentscheide wurden in Folge von Anweisungen der Senatskommission für ungültig erklärt bzw. außer Kraft gesetzt (d.h. die Bezirke angewiesen, die aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten (sog. „kalte Evokation“))?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

8. Welche der unter 6. aufgeführten Bürgerentscheide wurden durch die Verwaltung mit welcher Begründung jeweils für ungültig erklärt bzw. außer Kraft gesetzt?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

9. Welche der unter 6. aufgeführten Bürgerentscheide wurden durch den Senat mit welcher Begründung jeweils ignoriert?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Keine. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

10. Welche Bürgerbegehren wurden seit deren Einführung jeweils wann durch Beschlüsse der Bezirksversammlungen übernommen / einvernehmlich beendet?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Siehe Antwort zu 1.

 

11. Welche der unter 11. aufgeführten Bürgerbegehren bzw. die entsprechenden Beschlüsse der betreffenden Bezirksversammlung wurden durch den Senat mit welcher Begründung jeweils evoziert?

12. Welche der unter 11. Aufgeführten Bürgerbegehren bzw. die entsprechenden Beschlüsse in Folge von Anweisungen der Senatskommission für ungültig erklärt bzw. außer Kraft gesetzt (d.h. die Bezirke angewiesen, die aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten (sog. „kalte Evokation).
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

13. Welche der unter 11. aufgeführten Bürgerbegehren bzw. die entsprechenden Beschlüsse der betreffenden Bezirksversammlung wurden durch die Verwaltung mit welcher Begründung jeweils für ungültig erklärt bzw. außer Kraft gesetzt?  
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

14. Welche der unter 11. aufgeführten Bürgerbegehren bzw. die entsprechenden Beschlüsse der betreffenden Bezirksversammlung wurden durch den Senat mit welcher Begründung jeweils ignoriert?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

15. Welche der unter 11. aufgeführten Bürgerbegehren bzw. die entsprechenden Beschlüsse der betreffenden Bezirksversammlung wurden durch die Verwaltung mit welcher Begründung jeweils ignoriert?
Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

Keine. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

16. Wie ist jeweils der aktuelle Stand bzgl. der Forderungen der evozierten Bürgerbegehren? Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

In Eimsbüttel wurden die Bebauungspläne Lokstedt 65 / Stellingen 68 und Lokstedt 68 am 30. April 2018 festgestellt (Bürgerbegehren „Hände weg vom Stadtpark Eimsbüttel“, 2016). Die Bauvorhaben befinden sich in der Umsetzung.

 

17. Wie ist jeweils der aktuelle Stand bzgl. der Forderungen der evozierten Bürgerentscheide? Bitte nach Jahren und Bezirken getrennt auflisten.

In Altona (Bürgerentscheid „Rettet den Buchenhof-Wald“, 2009) wurden Baumfällgenehmigungen erteilt.

In Hamburg-Nord (Bürgerentscheid „Für den Erhalt von grünem und günstigem Wohnraum – kein Siedlungsabbruch in Hamburg Norden (Langenhorn 73)“, 2010/2011) wurde der Bebauungsplan am 12. August 2014 festgestellt.

Dateien

Verwandte Nachrichten

Verwandte Links