Tierschutz bei Rot-Grün: Es bleibt viel zu tun!

Stephan Jersch

Ein neuer Senat, ein neuer Koalitionsvertrag. Das Resumee vorab: aus 90 Worten wurden 113, allerdings hat auch der Umfang der Koalitionsvereinbarung gegenüber 2015 zugenommen: von 115 auf 204 Seiten. Einiges findet sich inhaltlich auch wieder, vor allem aber auch das Bekenntnis, dass der Bund für viele Regelungen zuständig ist. Er ist nicht ambitioniert, der Tierschutz unter der Überschrift ‚Zuversichtlich, solidarisch, nachhaltig – Hamburgs Zukunft kraftvoll gestalten‘.

Qualzucht und Massentierhaltung

Es stellt sich die Frage, was sich inhaltlich gegenüber den enttäuschenden letzten Jahren geändert haben soll, denn wie schon 2015 wird auf vor allem auf Bundesregelungen verwiesen. Das betrifft z. B. die Massentierhaltung, die in Hamburg allerdings keine Rolle spielt. Zielführend wäre die Einführung neuer hoher Standards für die Tierhaltung: Vor allem ist ein Verbot der Qualzucht und ein Verbot von Amputationen erforderlich.  Haltungssysteme müssen an die Tiere angepasst werden, nicht die Tiere an eine möglichst ökonomisch effiziente, aber nicht tiergerechte Haltungsform. Dass die Befürwortung eines Tierwohllabels durch Rot-Grün nichts Grundsätzliches ändern wird, davon ist auszugehen.

Was die Nutzung von Produkten aus der Massentierhaltung angeht hält sich der Koalitionsvertrag bedeckt. Einzig, dass der Anteil von Ökoprodukten in städtischen Einrichtungen kontinuierlich erhöht werden soll und für die städtischen Einrichtungen die Beschaffungsregeln des Umweltleitfadens gelten sollen – diese aber nur für einen beschränkten Anteil der Beschaffung, findet Erwähnung.

Wildtiere im Zirkus

Wie auch schon 2015 wird darauf verwiesen, dass der Einsatz von Wildtieren in Zirkussen nur auf Bundesebene verhindert werden kann – andere Städte und Kommunen sind hier aber längst weiter und handelt entsprechend vor Ort. Im Koalitionsvertrag fehlt eindeutig das Ziel, zumindest öffentliche Flächen für eine Präsentation von Wildtieren auszuschließen.

Illegaler Welpenhandel

Neu im Koalitionsvertrag als Initiative auf Bundesebene ist der Einsatz gegen illegalen Handel mit Welpen und die damit verbundene Absicht, das Verbot des anonymen Verkaufs von Tieren durchzusetzen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, es fehlen aber konkrete inhaltiche Schritte wie z.B. eine nationale Datenbank für Betriebsverzeichnisse, eine Registrierung aller Hunde sowie der Halterinnen und Halter sowie ein EU-weites Abfragesystem aller nationalem Datenbanken, wie dies u.a. von Tierschutzorganisationen gefordert wird.

Tiere in der Landwirtschaft

Der Bezug zur Landwirtschaft hat im neuen Koalitionsvertrag zugenommen. 2016 gab es in 84 landwirtschaftlichen Betrieben Hamburgs insgesamt 4.341 Rinder und Milchkühe und in sechs Betriebe insgesamt 526 Schweine. Trotz aller Missstände im Bereich des Tierschutzes in dieser Branche, stellt dies für Hamburg sicher nicht den tierschutzpolitischen Kernbereich dar. Trotzdem ist es ein Erfolg, wenn sich Hamburg nun auch hier auf Bundesebene gegen nicht-kurative, betäubungslose Eingriffe einsetzen will. Dafür taucht die Verringerung des Antibiotikaeinsatz in der Tiermast nicht mehr auf, was vielleicht auch an der mangelnden Kapazität für die Überwachung liegen mag.

Positiv, aber auch im Bereich der Bundespolitik angesiedelt, ist die Begrenzung der Transportzeiten für Schlachttiere. Für Hamburg betrifft dies aufgrund des geringen Viehbestands aber eigentlich nur den Transittransport mit Vieh.

Gewerbliche Präsentation von Tieren

Absolut neu und tatsächlich auch mit einem Datum versehen ist das Aus für das Ponykarussell: „Wir werden bis 2024 die Bestimmungen für Veranstaltungen, die durch die FHH ausgerichtet oder ausgeschrieben werden, so anpassen, dass auf die Präsentation lebender Tiere verzichtet wird, sofern deren Vorführung gewerbsmäßig stattfindet.“ Der lange Protest von Tierschützerinnen und Tierschützer hat sich hier ausgezahlt.

Tierversuche

Leider gibt es bei den Tierversuchen keine derartigen Erfolge. Es bleibt bei der Überschrift „Hamburg schöpft alle Möglichkeiten aus, um Tierversuche zu vermeiden“. Aufgeführt werden, der zweijährige Forschungspreis für alternative Forschungsmethoden, die Aufklärung der Verbraucher*innen und die in der letzten Legislatur bereits beschlossene Professur für tierversuchsfreie Forschung. 2015 hieß es noch: „…die Verringerung der Zahl der Tierversuche durch die konsequente Anwendung von Alternativmethoden, wo dies möglich ist“.  Es fehlt auf jeden Fall eine Exitstrategie zum Ausstieg aus den Tierversuchen oder ein eigenes Institut mit den entsprechenden Geldmitteln, wie z.B. in Berlin. Der Entzug der Haltungsgenehmigung für das “Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co. KG“ (LPT) kam erst spät nach langem Zögern und großen Protesten. Dieser Schritt war richtig, es müssen aber weitere konkrete Schritte folgen. Da hilft auch die „kritische Begleitung“ der konsequenten Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht nicht viel.

Tauben

Das Thema der Stadttauben reduziert sich in der Koalitionsvereinbarung auf die Prüfung der Anbieter*innen von Hochzeitstauben. Ein Konzept für die ausgewilderten Stadttauben ist nicht Intention der Koalition, auch nicht eine tiergerechte Reform des generellen Fütterungsverbots.

Fehlanzeige für Hundegesetz, Tierschutzbeauftragte*r und Veterinärämter

Auch nicht auf die Liste der Koalitionsziele hat es eine Reform des Hundegesetzes geschafft. Die restriktive Handhabung der Rassehundeliste, seit längerer Zeit wissenschaftlich nicht haltbar, wird von der Koalition nicht angefasst.

Mit der Neuaufteilung der Behörden wird der Tierschutz, als Bestandteil des Verbraucherschutzes, jetzt in der Justizbehörde angesiedelt. Angesichts der vielen skandalösen Zuständen vielleicht gar nicht so schlecht. Allerdings ist auch das Amt eines/einer unabhängigen Tierschutzbeauftragten leider erneut kein Koalitionsziel.

Was im Bereich Tierschutz im Koalitionsvertrag weiterhin fehlt, ist die Stärkung der personellen Verstärkung der bezirklichen Veterinärämter, um diese in die Lage zu versetzen, notwendige Kontrollen stärker durchzuführen.

Es zeigt sich, dass es beim Tierschutz unter Rot-Grün leicht voran geht. Entscheidend dafür war allerdings der starke Druck aus der Öffentlichkeit und der Opposition der letzten Jahre. Rot-Grün muss hier, besonders im Bereich der Tierversuche, noch erheblich nachlegen.