Umweltschutz im Haushaltsplan: Ungenügend

Stephan Jersch

Die Umweltsituation in Hamburg brennt und der Se­nat zückt die Pipette zum Löschen. Hamburg hat mehr verdient und sicherlich auch nötig --- Rede zum Bericht des Haushaltsausschusses über diverse Drucksachen: Einzelplan 6.2: Behörde für Umwelt und Energie --- 88. Bürgerschaftssitzung am 11. Dezember 2018

 

[Videomitschnitt anschauen]

Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn die Wirklichkeit aus den Pressemitteilungen des Senats bestünde, dann könnte ich jetzt sehr viel Redezeit einsparen, mich für das "Weiter so!" in diesem Haushalt bedanken und beschämt aufgrund meiner ständigen Kritik in der Schmollecke dieses Saales verschwinden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber da ist das Wenn. Und das Wenn wird schon bestätigt, wenn wir draußen in die Stadt gucken und uns anschauen, wie die rosaroten Wolken der Regierungswirklichkeit, der Versuch, mit Schönwet­termeldungen den Betroffenen in der Stadt klarzu­machen, dass ihr Empfinden mehr Wehleidigkeit denn Realität ist, der wirklichen Realität widerspre­chen.

Aber die Themen liegen auf der Hand, nur die Lö­sungen sind chronisch unterfinanziert und das auch in diesem Haushalt, selbst wenn es in einigen Be­reichen mehr Geldmittel gibt, die zum Teil jedoch nur mehr oder weniger ein Unfall anderer Planun­gen sind. Stattdessen ist in Hamburg die Luftquali­tät nach wie vor erbärmlich, sie ist gesundheits­schädlich und das Einzige, was man dagegen in­vestiert, sind Prozesskosten gegen die Anwohne­rinnen und Anwohner, neue Straßenschilder für Durchfahrtsbeschränkungen und Papier über Pa­pier für Pressemitteilungen über das glorifizierende Handeln des Senats.

Auf der anderen Seite macht sich der Senat an­greifbar, indem e r zum Beispiel das Luftmessnetz in Hamburg über die Jahre ausgedünnt hat und statt­dessen den Rechenschieber walten lässt, um fest­zustellen, wie die Luftgüte denn nun wirklich ist. Da­bei benutzt er dann auch noch die Passivsammler, als wären sie aus dem Sanitärhandel entliehen wor­den, mit denen man nicht mehr als einen Indikator für den wirklichen Zustand bekommt, mehr nicht.

Stattdessen hat der Senat es fahrlässig unterlas­sen, die Durchfahrtsbeschränkungen einerseits nachhaltig durchzusetzen und andererseits auch deren Auswirkungen auf das Umfeld zu monitoren. Deshalb wird unsere Fraktion, wie schon zuvor, be­antragen, dass wir diesem Zustand ein Ende berei­ten, indem wir endlich einmal wieder einen mobilen Messwagen für die Luftqualität in Hamburg anschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Soweit ich weiß, ist der letzte der Behörde vor 15 Jahren nicht mehr durch den TÜV gekommen. Wenn es um die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger geht, dann darf es keinen Finanzie­rungsvorbehalt geben,

(Beifall bei der LINKEN)

dann ist auch präventives Handeln notwendig. Das hat der Senat nun bei den Durchfahrtsbeschrän­kungen verpasst und die Verlagerung der Stickoxi­demissionen auf die Ausweichstrecken ist da nur die Spitze des Nachlässigkeitseisberges, den der Senat hier hinterlassen hat. Es ist eine Blamage für den Senat, dass jetzt in Hamburg private Messnet­ze das staatliche Nichthandeln substituieren sollen, wie am Hafen durch die NABU-Aktion. Ich kann auch berichten, dass mein eigener Parteibezirk mittlerweile eine Messstation für Bergedorf be­schlossen hat. Handeln ist erforderlich, aber es wä­re in dieser Frage nicht von privat erforderlich, son­dern vom Senat; es ist Aufgabe des Staates.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiteres Thema ist die Wasserrahmenrichtlinie. Sie ist genauso ein Skandalthema. Mal um Mal werden die Erfordernisse der Richtlinie nicht einge­halten, die letzte Frist läuft einmal wieder ab und der Haushaltsentwurf setzt glasklar auf ein "Weiter
so!". Was soll man davon halten? Es ist der Hamxit, der Ausstieg Hamburgs aus Europa unter Einhal­tung europäischer Vereinbarungen zu Umwelt­ grenzwerten, die eigentlich wohlbegründet sind.

Dahingegen ein Beispiel, wie es anders gehen kann: die Haushaltsmittel für die Straßenreinigung. Ein beachtlicher Anstieg, aber warum? Weil der Sauberkeitszustand in einer Stadt wie Hamburg den ambitionierten Zielen, zur Touristenmetropole aufzusteigen, im Weg steht. Das ist Umweltpolitik by accident und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN)

Zumindest bei der Dekarbonisierung gibt es nun mit dem Rückkauf des Fernwärmenetzes, das schon erwähnt worden ist, Chancen, die auch im Haushalt abgebildet werden müssen. Da hoffe ich einfach auf eine zügige Berücksichtigung, nachdem der Ei­gentümerwechsel dann auch offiziell vollzogen wur­de. Die Worte des Bürgermeisters habe ich mit Freude gehört, ein klares Bekenntnis, das man von seinem Vorgänger so nicht erwarten konnte. Infol­gedessen denke ich: Hier ist mehr für den Haushalt möglich und deutlich mehr, als es immer nur mit wirtschaftlichen Effekten in Verbindung zu bringen, so, wie der Bürgermeister es diesmal auch wieder getan hat. Es geht um den Klimaschutz und der hat Priorität.

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist eigentlich mit der großen Klammer der Sustainable Development Goals, der SDG? Es war wohl eher ein Unfall der G20-Tagung, dass Ham­burg sich dazu bekannt hat, denn man musste ja ir­gendetwas für die C20-Konferenz vorweisen, um die NGO noch einbinden zu können. Nun aber hat der Senat es doch tatsächlich geschafft, die Umset­zung der UN-Nachhaltigkeitsziele so weit über den Haushalt zu verstreuen, dass gar nicht mehr klar ist, wer hier eigentlich woran wirkt. Schon die Defi­nition der Ziele war selbstgestrickt. Kein Wunder, wenn man sich nichts Neues einfallen lässt und stattdessen versucht, bereits laufende Sachen in neue Kleider zu zwängen. Aber in einer Stadt der Fonds und Nebenhaushalte hier nichts Kontrollier­bares auf die Beine gestellt zu haben und ohne zusätzliche Gelder, Projekte und Ziele ein Jahrhun­dertprojekt der Vereinten Nationen vor die Wand zu fahren, ist doch allzu sehr ein Armutszeugnis auch des Haushaltsplans.

(Beifall bei der LINKEN)

So kann man sich durch viele Gebiete in Hamburg, die der BUE zugeordnet sind, durchdeklinieren. Ich nenne nur die Schwimmbadinfrastruktur, trotz Stei­gerung der Mittel chronisch defizitäre Grünerhal­tungsmittel, der stete Verlust an Stadtbäumen, die galoppierende Flächenversiegelung, Landschafts­schutzgebiete sind in Hamburg nach wie vor Bauer­wartungsland, eine nach unten offene Recycling­quote, die Bonsaiisierung der Kleingärten, die Auf­gabe der Landwirtschaft in der Stadt, der Fluglärm­teppich, der sich immer weiter über uns ausbreitet, und die weiter steigende Spaltung der ökologischen Lebensbedingungen, die die Gesundheit beeinflus­sen in Hamburg. Wenn der Bürgermeister von den Grünanlagen redet - Frau Dr. Schaal hat das auch getan - und dem Ausbau derselbigen, wenn ich in einem bisher nicht versiegelten Gebiet ein Quartier neu baue und dort eine Grünanlage schaffe, dann war die Versiegelung vorher geringer, als sie es hinterher ist, da hilft noch so schönes Grün nicht, tut mir leid.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann angesichts dieses Haushalts und der Zu­stände in der Stadt nur sagen: Die Umweltfahne Hamburgs hängt unter den rosaroten Gesängen der Regierungskoalition in Fetzen vom Fahnen­mast.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Umweltsituation in Hamburg brennt und der Se­nat zückt die Pipette zum Löschen. Hamburg hat mehr verdient und sicherlich auch nötig. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)