Debatte Klimakrise - Die Emissionen müssen runter

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Aktuelle Stunde zur Klimakrise am 15. Februar 2023 in der Bürgerschaft. "Die Emissionen müssen runter – und Hamburg liefert: Mit neuen Zielen, einem starken Forschungsstandort und wichtigen Innovationen für den Klimaschutz" lautete der von den Grünen aufgerufene Titel. Welche Mängel in Sachen Klimaschutz weiterhin bestehen: Dazu nahm Stephan Jersch für die Linksfraktion Stellung.

Hier die beiden Redebeiträge im Wortlaut:

Aktuelle Stunde
Die Emissionen müssen runter – und Hamburg
liefert: Mit neuen Zielen, einem starken For-
schungsstandort und wichtigen Innovationen
für den Klimaschutz

Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das
ist eine durchaus mutige Anmeldung der Fraktion
der GRÜNEN. Es ist ein Pfeifen im Wald ange-
sichts des Bremsklotzes der SPD, der diese Frakti-
on immer noch ausbremst. Wenn Hamburg liefert,
wie Sie es schreiben, dann muss ich an dieser Stel-
le schon feststellen: Wenn man dieses Paket einer
Frachtsendung, die Sie liefern, aufmacht, dann
müsste es reklamiert werden, weil es unvollständig
ist. Es reicht nicht.
(Beifall bei der LINKEN)

Was hat Hamburg denn geliefert? Hamburg hat
neue Ziele mit Zeitverzug geliefert; das ist eben
schon erwähnt worden. Dabei waren die alten Ziele
doch anscheinend schon zu hoch und wurden nur
mit CO2-Zertifikaten, alten Einsparungsüberträgen
und Corona erreicht – soweit man das weiß, denn
das Monitoring funktioniert nicht wirklich.

Fernwärme: Ein knackiger Anteil von 21 Prozent er-
neuerbarer Energien, die nicht mal bei diesem ge-
ringen Anteil förderungsfähig sind. Hamburg hat ge-
liefert: einen De-facto-Stopp von FV-Flächen und
Windenergieanlagen. Es hat geliefert: Emissionen
des Luftverkehrs und ein Projekt wie Oberbillwer-
der. Es liefert: die Planungen für Holzverfeuerung in
Tiefstack, eine CO2-Schleuder wie die U5 und die
A26-Ost.

Aber was müsste denn eigentlich geliefert werden?
Geliefert werden müsste zum Beispiel so etwas wie
Landstrom. Auf meine letzten SKA antwortet der
Senat mit einem Verweis auf Europa, mit dem Fit-
for-55-Programm, von dem man sich ausrechnen
kann, dass das sehr weit von einer Landstrompf-
licht weg ist. Ein gemeinsames Vorgehen der nord-
deutschen Häfen ist hier nicht in Sicht.

Es muss liefern: den Stillstand beim Ausbau der
Windenergieanlagen seit 2014 endlich nachhaltig
beenden. Es muss liefern: den Ausbau der Fotovol-
taikflächen deutlich erhöhen und ihn nicht bei
60 Prozent Eigennutzung stoppen, weil sich das
dann nicht mehr rechnet.
(Beifall bei der LINKEN)

Es muss liefern: autoarme Innenstädte. Es muss
liefern: verbindliche Ziele für die Industrie, die im
Moment ihre Einsparungen größtenteils auf Projek-
ten wie NEW 4.0 basieren lässt. Es muss liefern: ei-
nen Gasausstieg, statt LNG-Terminals unbedingt
nach Hamburg zu bekommen. Es muss liefern: eine
neue, eine bessere, eine moderne Ladesäuleninfra-
struktur – statt Tüten über Ladesäulen, dass diese
außer Betrieb sind. Es muss liefern: eine Netto-
Null-Flächenpolitik – statt weiterer Flächenversiege-
lung. Es muss den Facharbeiter- und Facharbeiter-
innenmangel bewältigen. Und natürlich gehören al-
le Energienetze in öffentliche Hand – wohin denn
sonst?
(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich brauchen wir auch den Naturschutz, die
Wiedervernässung von Mooren, die Renaturierun-
gen.

Auch nicht geliefert hat dieser gesamte Prozess ei-
nen partizipativen Anteil – das ist der Angriffspunkt
der CDU-Fraktion: Es wird teurer für die Menschen,
ohne dass ein Konsens hergestellt werden konnte.

Es wäre doch ein richtig tolles Gefühl gewesen,
wenn dieser Gesetzentwurf nach einem partizipati-
ven Prozess eingereicht worden wäre.

Es wird auch nicht geliefert: ein Ende der Schulden-
bremse. Wir alle sind uns eigentlich einig: Der Kli-
mawandel ist ein existenzielles Problem, der nicht
mit einer Schuldenbremse beantwortet werden
kann. Klimarettung kostet.
(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Umweltbehörde an vielen Stellen den
Eindruck vermittelt, bestimmte Sachen nicht abarbeiten
zu können, weil sie eben nicht genug Res-
sourcen hat, dann hat man auch nicht geliefert, die
Umweltbehörde entsprechend auszurüsten, damit
sie diesen großen Aufgaben gerecht werden kann.

Natürlich fehlen auch die konkreten Regeln beim
Verfehlen von Klimazielen. Hamburg befindet sich
bei der Erreichung der Klimaziele in einem Blind-
flug.

Das ist so, als wenn Autofahrerinnen und Au-
tofahrer nur alle zwei Jahre auf die Straße gucken,
ob sie denn noch wirklich auf ihrem Kurs sind.

Aber auch die öffentliche Hand als Vorbild taugt
nicht wirklich. Viele der Punkte sind in vielen Anfra-
gen schon thematisiert worden: Fotovoltaikausbau,
Gründächer, der 25-Punkte-Plan, all das ist im Ver-
zug. Der Klimawandel ist Realität. Die Ziele sind
hier zu niedrig, zu wenig; 2045 für die Klimaneutra-
lität reicht nicht. Hier ist nichts ambitioniert. Die Zi-
vilgesellschaft wird Ihnen da sicherlich noch Beine
machen müssen, damit hier wirkliche Ergebnisse
erzielt werden. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN und bei Jennifer Jas-
berg GRÜNE)

Zweiter Redebeitrag in der Debatte:

Stephan Jersch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, es
ist richtig, die Lösung der Energiekrise, die Energie-
wende, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
für die wir einen weitestgehenden Konsens brau-
chen. Mit Sicherheit werden nicht alle mitmachen,
aber wenn es der demokratische Teil der Gesell-
schaft macht, dann sollte das eigentlich genügend
sein.
(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal Folgen-
des betonen: Wenn man um Verständnis für Ein-
schnitte, für Unwuchten in dieser Energiewende
werben will, dann muss dieses Verständnis eigent-
lich vorher eingeworben werden, und man muss
den Menschen dann auch sagen können, wie man
es für sie ausgleicht. Es gibt in dieser Gesellschaft
nach langen Jahren verfehlter Sozialpolitik einfach
Menschen, die überhaupt keine Reserven mehr ha-
ben oder schon weit über ihre Reserven hinaus le-
ben. Darauf braucht der Staat eine Antwort, und die
wird im Moment nicht gegeben. Es wird erst einmal
vorgesetzt, was kommen kann, und das ver-
schreckt viele Menschen, und da sehe ich im Mo-
ment noch keine Antworten.
(Beifall bei der LINKEN und bei Stephan
Gamm CDU)

Wir leben in einer Zeit, in der Gesetze immer so
wunderschöne Titel bekommen, und deswegen sa-
ge ich mal: Für Hamburg stelle ich mir zum Beispiel
ein Wasserstoff-verantwortungsvoll-nutzen-Gesetz
oder ein Schnellerer-Gasausstieg-Gesetz oder
auch ein Finanzen-für-Klimaschutz-Mobilisierungs-
Gesetz vor. Das wären doch schöne Gesetzestitel,
die begleitend für die Klimamaßnahmen in Ham-
burg eingeführt werden könnten.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Gwosdz
GRÜNE: Hat er schon Titelschutz bean-
tragt?)

Wenn ich jetzt an die positiven Auswirkungen eines
Klimaschutzgesetzes – denn die Richtung ist ja
richtig – denke, dann macht es mich aber wiederum
etwas stutzig, wenn ich den Kollegen Mohrenberg
hier zu diesem Beitrag höre, der jetzt schauen will,
was davon machbar ist. So ein Gesetz sollte man
einbringen, wenn man weiß, dass etwas machbar
ist, und nicht im Nachgang beurteilen, ob überhaupt
etwas machbar ist. Und vor allen Dingen halte ich
es für gänzlich falsch aufgestellt, dass er darauf
verweist, dass die Maßnahmen bezahlbar sein
müssten. Wenn wir in einer existenziellen Krise
sind, dann können wir uns nicht darüber unterhal-
ten, was bezahlbar ist und was nicht,
(Krzysztof Walczak AfD: Ach!)

dann unterhalten wir uns darüber, was notwendig
ist und was nicht.
(Beifall bei der LINKEN)

Und da wird die Linksfraktion natürlich bei allen not-
wendigen Maßnahmen zustimmen. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)