Hamburg im Blindflug bei „Bio“

Mit dem Agrarpolitischen Konzept 2025, der Mitgliedschaft im Biostädte-Netzwerk und der Ausrufung der „Biostadt Hamburg“ und dem Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung hat Rot-Grün zumindest in eine Richtung für Landwirtschaft und Ernährung in Hamburg gewiesen. Fast alle Zielparameter blieben dabei sehr vage und sind bisher nicht oder kaum messbar. Mit der Antwort auf die Anfrage „Anspruch und Wirklichkeit bei landwirtschaftlicher Tierhaltung und dem Handeln der Stadt“ (Drs. 22/1531) hat der Senat deutlich gemacht, dass er undefinierte Ziele und dazu keine Ahnung vom derzeitigen Stand bei Tierhaltung und Nahrungsmittelverwendung hat.

  • Die Schriftliche Kleine Anfrage "Anspruch und Wirklichkeit bei landwirtschaftlicher Tierhaltung und dem Handeln der Stadt" (Drs. 22/1531) ist hier als PDF online.

Senatsseitig ist der Stand der landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht bekannt. Nur auf die Aussage, dass das Tierschutzgesetz eingehalten werde, kann der Senat sich festlegen. So ist der Stadt nicht bekannt, in welcher Anzahl Kühe und Rinder in den verschiedenen Haltungsformen in Hamburg gehalten werden. Der Senat kann lediglich angeben, ihm sei bekannt, dass die 5.996 in Hamburg gehaltenen Rinder (darunter 3.600 Kühe und über 1.500 Kälber) in den 99 Betrieben in unterschiedlichen Haltungsformen gehalten werden. Zu der Mutterkuhhaltung, bei der die Kälber beim Hausrind verbleiben und nicht nach kurzer Zeit der Mutterkuh entzogen werden, um die Milchproduktion aufrecht zu erhalten, ist dem Senat nur bekannt, dass er Kenntnis von der Existenz der Mutterkuhhaltung in Hamburg hat.

Bei den 6.600 Legehennen in Hamburg ist zumindest bekannt, dass 750 von ihnen in Biohaltung gehalten werden – das sind 11,4 Prozent. Da es in Hamburg keine Brütereien gibt kommt auch das „Kükenschreddern“ in Hamburg nicht vor – immerhin. Die Legehennen sind tatsächlich die einzige agrarische Tierhaltung, bei der bekannt ist, wie viele Tiere in den verschiedenen Haltungsformen in der Stadt gehalten werden – sei es Freiland- oder Bodenhaltung und wie viele in Biobetrieben gehalten werden.

Beim Kastenstand in der Schweinehaltung, bei dem Muttertiere zum Säugen in einen engen Kasten gesperrt werden, ist dem Senat auch nur bekannt, dass einer der vier Haltungsbetriebe den Kastenstand praktiziert. Ansonsten weiß der Senat nichts über die Haltungsformen – nur, dass teilweise auch Biohaltung vorkommt. Genauso bei der betäubungslosen Ferkelkastration: Ein Betrieb wendet sie laut Senat an – genauere Daten liegen dem Senat nicht vor. Das Gleiche gilt auch beim Kupieren der Schweine: Es gibt keine Zahlen – bekannt sei nur, dass ein Betrieb diese Prozedur ausführt.

Fast noch erschütternder ist die Situation da, wo der Senat als Kunde selber auf die Anbieterinnen und Anbieter Einfluss nehmen könnte und zwar beim Betrieb der Kantinen.

Für 15 Kantinen (teilweise auch zusammengefasst) wurden 2019 mehr als 76.000 kg Rindfleisch verarbeitet. Fünf der Kantinenbetreiber können oder wollen nichts zum Bioanteil sagen und bei zehn weiteren liegt der Bioanteil bei 0 kg! Bei Geflügelfleisch sieht es nicht viel besser aus. Immerhin drei Betriebe können einen Bioanteil zwischen 1,5 und 80 Prozent angeben. Von den insgesamt 216.000 kg Geflügelfleisch sind 722 kg in 2019 „Bioware“ gewesen – das macht dann etwas mehr als 0,3 Prozent.

Breitflächiger kann man an den eigenen Ansprüchen nicht scheitern. Hamburg ist weit von seinen Zielen weg. Die Ziele müssen konkret werden und es reicht nicht, dass für die Kantine der Umweltbehörde jetzt eine externe Beratung ausgeschrieben wurde. Das kann nicht mal Kosmetik sein. Die Kritik der Linksfraktion bestätigt sich erneut: Wer sich keine messbaren Ziele setzt, hat gar nicht die Absicht, etwas zu verändern. Genau diese Ziele fordere ich auch weiterhin ein.