SKA: Hat Hamburg die EU-Förderung regionaler Produkte in den Schulen verpennt?

Stephan Jersch

Ein Einblick in die verwirrende Vielfalt der EU-Förderprogramme im Agrarbereich

14. Mai 2019


Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 06.05.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/17082 -


Betr.:    Hat Hamburg die EU-Förderung regionaler Produkte in den Schulen verpennt?

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist das einzige Bundesland gewesen, das aus dem europäischen Förderprogramm ELER ausgestiegen ist. Die Begründung dafür war 2013/14 der hohe Verwaltungsaufwand und die Möglichkeit, den Förderzweck „Förderung des ländlichen Raums“ im Rahmen des nationalen Programms „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur & Küstenschutz“ (GAK) leisten zu können.
Mit der „Verordnung 795/2016 zur Änderung der Verordnung 1370/2013 'mit Maßnahmen zur Festsetzung bestimmter Beihilfen und Erstattungen im Zusammenhang mit der gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse'“ wird ein Beihilfe-Programm zur Förderung des Absatzes von Schulobst und -gemüse sowie für Schulmilch begründet. Während Schleswig-Holstein ein umfangreiches EU-Projekt für Obst, Gemüse und Milch gestartet hat, das für das erste Schuljahr 1,1 Millionen € umfasst und an dem sich 146 Schulen mit der kostenfreien Versorgung von Schülerinnen und Schülern beteiligen.
Für Obst und Gemüse stehen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen dieses Programms knapp 20 Millionen € für sechs Jahre zu sowie knapp 9,5 Millionen € für Schulmilch zur Verfügung.

 

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Ist das vorgenannte Förderprogramm, das in Schleswig-Holstein genutzt wird, Bestandteil der ELER-Förderung (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) durch die EU?

a. Wenn ja: War dies der Grund dafür, dass sich Hamburg nicht um eine Teilnahme beworben hat?

b. Wenn nein: Warum hat sich Hamburg nicht für eine Teilnahme beworben?

Nein. Das EU-Schulprogramm ist Bestandteil der EGFL-Förderung (EGFL = Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft).
Die Schulverpflegung ist an allen Grundschulen auch ohne das Programm durch die Ganztagsvollverpflegung in hoher Qualität entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gesichert. Dieses Angebot geht über das EU-Angebot hinaus.

Im Übrigen siehe Drs. 21/1421.

 

2. Hat die FHH an entsprechenden Programmen für Schulobst o.ä. der EU zuvor teilgenommen?

a. Wenn ja: Wann und an welchen Programmen? Bitte mit Anzahl der teilgenommenen Schulen und Höhe der EU-Förderung aufführen.

Bis zum Jahr 2014 hat die FHH am EU-Schulmilchprogramm teilgenommen. Die Förderhöhen variieren jährlich, es wurden aber nicht mehr als rund 78.000 € jährlich abgerufen.

Seit dem Jahr 2015 werden in der FHH Milchprodukte (beinhaltet Milch, Quark, Joghurt und Käse) ausschließlich mit einem Hamburger Landesprogramm gefördert. Die aktuelle Förderhöhe beträgt jährlich rund 85.000 €. Derzeit nehmen ca. 45 Schulen und 250 Kindergärten bzw. Kindertagesstätten teil.

 

3. In welcher Höhe wäre eine entsprechende Bezuschussung durch die EU für ein Förderprogramm möglich gewesen?

Zum Schuljahr 2017/18 wurde das „EU-Schulobst- und -gemüseprogramm“ mit dem „EU-Schulmilchprogramm“ zum „EU-Schulprogramm“ laut Delegierter Verordnung (EU) 2017/40 der Kommission zusammengeführt. Gemäß Durchführungsbeschluss vom 27. März 2018 über die endgültige Zuweisung der Unionsbeihilfen für Schulobst und -gemüse sowie Schulmilch an die Mitgliedstaaten für den Zeitraum 1. August 2018 bis 31. Juli 2019 stehen der Bundesrepublik Deutschland für alle teilnehmenden Länder 24,9 Mio. € EU-Mittel für Schulobst- und -gemüsekomponenten sowie 10,6 Mio. € für Schulmilch zur Verfügung. Die Summe, die jedem Land zur Verfügung steht, wird im Verhältnis geringer, je mehr Länder an dem EU-Schulprogramm teilnehmen. Als Verteilerschlüssel unter den Ländern dient die Anzahl der 6 bis 10 jährigen Kinder in den Ländern. In mehreren Ländern wie z.B. Niedersachsen und Bayern wird der Bedarf an Fördermitteln durch die EU nicht vollständig gedeckt und muss teilweise durch Landesmittel aufgestockt werden.
Vor diesem Hintergrund kann keine konkrete mögliche Fördersumme für die FHH dargestellt werden.

 

4. Ein entsprechendes Förderprogramm der EU bedarf eines pädagogischen Begleitkonzepts. Gibt es trotz der Nichtteilnahme Hamburgs ein adäquates Konzept für Hamburg?

In der FHH werden die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule vom 15. November 2012 sowie der Beschluss zur Verbraucherbildung vom 12. September 2013 an Schulen umgesetzt. Die Themenfelder Ernährungs- und Verbraucherbildung einschließlich Schulverpflegung werden in den Unterricht und in das Schulleben alters- und zielgruppengerecht sowie schulform- bzw. schulstufenspezifisch integriert (siehe hierzu http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_11_15-Gesundheitsempfehlung.pdf und http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2013/2013_09_12-Verbraucherbildung.pdf).

Ernährungsbildung als ein Handlungsfeld des Aufgabengebiets Gesundheitsförderung ist in den Hamburger Bildungs- und Rahmenplänen fest verankert (siehe https://li.hamburg.de/gesundheitsfoerderung/). Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) greift Themenfelder der Ernährungs- und Verbraucherbildung in Beratungen, Fortbildungen und Fachtagen auf und weist in diesem Rahmen auch auf die Unterrichtsangebote der außerschulischen Kooperationspartnerinnen und -partner hin (siehe https://li.hamburg.de/ernaehrung/).

So sind auf der regelhaft stattfindenden LI-Messe „Pakt für Prävention – Gesundheitsförderung an Hamburger Schulen“ u. a. Akteure aus der Ernährungsbildung wie zum Beispiel der Ernährungsbaukasten, Ökomarkt e.V., die Vernetzungsstelle Schulverpflegung und die Zentrale Ernährungsberatung e. V. vertreten. Außerdem enthalten die Unterstützungsangebote der Krankenkassen zur guten gesunden Schule Bausteine zur Ernährungsbildung (siehe z. B. https://www.fit-4-future.de/ sowie https://www.gesundmachtschule.de/).

Die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG) in Kooperation mit dem LI und den gesetzlichen Krankenkassen zeichnet jährlich Schulen, die nachweislich während des Schuljahres gesundheitsfördernde Verhaltensweisen und Strukturen an ihrer Schule verbessern, mit einem Gesundheitspreis aus. Bei diesem Wettbewerb verbinden viele Schulen die Ernährungsbildung mit der Schulverpflegung (siehe http://www.hag-gesundheit.de/lebenswelt/schule/gesunde-schule).

Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung unterstützt Schulen auch bei der Verknüpfung der Schulverpflegung mit der Ernährungsbildung. Grundschulkinder werden insbesondere durch die Projekte Brotzeit sowie die Biobrotbox für die Einnahme eines gesunden Frühstücks sensibilisiert (siehe http://www.brotzeitfuerkinder.com/ und https://biobrotbox-hamburg.de/).

Im Rahmen der Umsetzung der „Maßnahmen zur Verbesserung des Ganztages an Hamburger Schulen“ (siehe Drs. 21/4866) wurde Anfang des Jahres 2017 ein Qualitätszirkel für Schulverpflegung eingerichtet, der sich ebenfalls mit diesen Themen- und Handlungsfeldern auseinandersetzt. So können Hamburger Schulen Fördermittel zur Verbesserung der Schulverpflegung bei der für Bildung zuständigen Behörde beantragen. Voraussetzung für die Mittelvergabe ist das Einreichen eines schulspezifischen Ernährungskonzeptes, das sich an dem zur Verfügung gestellten Leitfaden orientiert.

Im Übrigen siehe Drs. 20/9681, Drs. 20/13192, Drs. 21/1421, Drs. 21/4866 und Drs. 21/11561.

 

5. Wer wäre für die initiale Beantragung eines Schulobstprogramms zur Förderung regionaler Produkte in Hamburg zuständig? Welche Behörden und Verbände würden mit einbezogen?

Die Überlegungen der zuständigen Behörden sind noch nicht abgeschlossen.

 

6. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist 2014 als einziges der 17 Bundesländer aus der EU-Förderung durch das ELER-Programm (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) als Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ausgestiegen und hat auf die Förderung durch das nationale Programm GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur & Küstenschutz) orientiert. Gab es seit dem Ersatz der ELER-Förderung durch die GAK entsprechende Fördermöglichkeiten im Rahmen der GAK-Förderung?

Nein. Bereits vor Ausstieg aus der Förderung des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER-Förderung) wurden EU-Mittel aus dem ELER-Fonds und dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL), Bundesmittel aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und Landesmittel aus dem Hamburger Haushalt parallel verwendet, um Agrarförderprogramme zu finanzieren. Ein Ersatz fehlender ELER-Mittel durch eine Aufstockung der GAK-Mittel konnte aufgrund der festgelegten Länderverteilerschlüssel nicht erfolgen. Eine Förderung von Schulprogrammen ist im Rahmen der GAK nicht möglich.

 

7. Die FHH bekennt sich im „Agrarpolitischen Konzept 2020“ zur Förderung der regionalen Landwirtschaft. Welche Schulprogramme (Kitas u. ä. eingeschlossen) wurden seitens der FHH in den letzten 10 Jahren mit welchem Investitionsvolumen zur direkten Förderung regionaler Obst- und Gemüseanbauer und -anbauerinnen, sowie Milchviehbetrieben eingesetzt?

Im vergaberechtlichen System der Schulmilchförderung gibt es keine Förderungen regionaler Anbieterinnen und Anbieter. Gefördert werden die Schulkinder und die betreuten Kinder in Kindergärten und Kindertagesstätten. Die Einrichtungen wählen sich einen Schulmilchlieferanten selbstständig aus dem Kreis der zugelassenen Lieferanten aus. Derzeit sind neun Schulmilchlieferanten in der FHH zugelassen.

 

8. Die FHH soll zukünftig wieder am ELER-Programm der EU teilnehmen, in dem der Verwaltungsanteil der Förderanträge und die Funktion der Zahlstelle durch das Land Niedersachsen wahrgenommen werden. Wie ist der Stand in der Umsetzung?

Die FHH und das Bundesland Niedersachsen haben sich darüber verständigt, eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Planung und Durchführung der Maßnahmen des EGFL und des ELER zu prüfen. Derzeit wird ein Staatsvertrag sowie die entsprechende Verwaltungsvereinbarung zwischen den beiden Ländern verhandelt.

 

9. Welche Mittel wurden seit 2014 im Rahmen der Förderung durch GAK für die Agrarwirtschaft in der FHH eingesetzt? Bitte pro Jahr und Projekt aufführen.

Siehe Anlage.

 

10. Sofern die FHH zukünftig wieder am EU-Programm ELER teilnimmt: Welche Auswirkungen wird dies für die Förderung über das nationale Programm GAK haben?

Eine Teilnahme am EU-Programm ELER hat keine Auswirkung auf die GAK-Mittel. In der FHH werden sowohl für den Bereich Küstenschutz als auch in den Bereichen der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und der Agrarwirtschaft GAK-Mittel nach einem vom Bund und den Ländern festgelegten Schlüssel verwendet. Auch nach Wiedereinstieg in den ELER wird es bei dieser Verteilung bleiben.

 

11. Im Rahmen der Umstellung von ELER auf GAK war seitens des Senats die Rede von Gesprächen zur Anpassung der Förderungskriterien der GAK. Welche Änderungen konnten durch die FHH im Rahmen der Gespräche erreicht werden und welche Fördersummen und -projekte sind dadurch ermöglicht worden?

Zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe wird für den Zeitraum einer vierjährigen Finanzplanung ein gemeinsamer Rahmenplan von Bund und Ländern aufgestellt. Der GAK-Rahmenplan bezeichnet die Maßnahmen einschließlich der mit ihnen verbundenen Zielstellungen, er beschreibt die Fördergrundsätze, Fördervoraussetzungen sowie die Art und die Höhe der Förderungen. Beschlossen wird der Rahmenplan durch den von der Bundesregierung und den Landesregierungen gebildeten Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz (PLANAK). Er gilt für den Zeitraum der Finanzplanung und wird alljährlich sachlich überprüft und an die aktuelle Entwicklung angepasst.

In diesem Prozess hat sich die FHH dafür eingesetzt, dass zugunsten des Küstenschutzes eine bessere Planbarkeit besteht; eine entsprechende Anpassung der Mittelzuweisung wurde vereinbart. Im Bereich der investiven Zuwendungen an Agrarbetriebe hat sich die FHH für ein Heraufsetzen der Gesamtfördersumme für Beihilfeempfängerinnen und -empfänger eingesetzt (dies gilt explizit für Länder, die außerhalb des ELER fördern), auch ein vereinfachtes Antragsverfahren für kleinere Investitionen hat die FHH maßgeblich eingebracht.

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