SKA: Ein stadtgewollter Anachronismus: Die 17. Harley Days in Hamburg

Stephan Jersch

45.000 Motorräder und 600.000 Touristen seien bei den Harley Days gewesen, meint der Senat der ehemaligen Klimahauptstadt Hamburg. Von der Klimabilanz dieses fossilen Groß-Events will er aber nichts wissen.

9. August 2019


Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (Die Linke) vom 01.08.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/17940 -


Betr.:    Ein stadtgewollter Anachronismus: Die 17. Harley Days in Hamburg

Hamburg hat wieder zwei seiner Großevents überstanden. Die diesjährigen Harley Days sowie der Schlagermove lassen einen Teil der Hamburgerinnen und Hamburger genervt zurück und lassen sie mit wenig Freude auf deren Wiederholung blicken.
Während die Diskussion über Partizipation der Zivilgesellschaft, Nachhaltigkeit, Klimaauswirkungen, Gentrifizierung der touristischen Hotspots nicht mehr aufzuhalten ist, ist seitens der Hamburg Tourismus GmbH offensichtlich keine Aussicht auf eine Änderung der Zielausrichtung auf noch mehr Belastung für Mensch und Umwelt sowie Verdrängung festzustellen.
Die unbegrenzten „Weiter so-Ankündigungen“ des Chefs von Hamburg Tourismus GmbH werfen in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Fragen über die zukünftig zu erwartenden Belastungen auf. Insbesondere im Interview im Hamburger Abendblatt vom 27.07.19 wurden eine Vielzahl von Behauptungen ohne nähere inhaltliche Ausführungen aufgestellt, die es zu hinterfragen gilt.
 
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie ist die Zahl von „geschätzten 600.000 Fans“ der Harley Days zu verstehen, die der Chef von Hamburg Tourismus im Interview des Abendblatts anführt?

2. Wie viele Übernachtungen durch Besucherinnen und Besuchern sowie Motorrad fahrenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Harley Days gab es in Hamburg und wie viele davon entfielen auf Hotels bzw. AirBnB-Wohnungen?

3. Wie viele Besucherinnen und Besucher kamen dabei aus dem In- bzw. Ausland und welche Verkehrsmittel wurden zur Anreise genutzt?

Nach Angaben des Veranstalters waren in den drei Tagen insgesamt 600.000 Besucherinnen und Besucher auf den diesjährigen Harley Days. Nach einer Veranstalterbefragung aus dem Jahr 2011 kamen drei Prozent der Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland. Erkenntnisse zu der Anzahl an Übernachtungen und der Wahl des Verkehrsmittel liegen den zuständigen Behörden nicht vor.

4. Wie viele Besucherinnen und Besucher wurden während der dreitägigen Veranstaltung auf dem Großmarktgelände gezählt?

Nach Einschätzung der Polizei besuchten im gesamten Veranstaltungszeitraum ca. 128.000 Personen die Harley Days auf dem Gelände des Großmarktes Hamburg.

5. Gibt es eine CO2-Bilanz der Harley Days, die auch die Anreise der Besucherinnen und Besucher mit beinhaltet?
a. Wenn ja: Wie sieht diese aus?
b. Wenn nein: Warum nicht?
c. Ist zumindest aus den Zahlen der anwesenden Motorräder und einer geschätzten Laufleistung der Klimabeitrag der Harley Days anzugeben und mit welchen Zahlen?
   i. Wenn nein: Warum nicht und ist zumindest bekannt, wie viele Motorräder zusätzlich in die Stadt gekommen sind?

Der zuständigen Behörde ist eine CO2-Bilanz zu den Harley Days nicht bekannt. Laut Polizei besuchten ca. 45.000 Motorräder das Veranstaltungsgelände. Wie viele davon zusätzlich nach Hamburg gekommen sind und wie deren Laufleistung ist, ist nicht bekannt.

6. Welche monetäre Wertschöpfung wurde für Unternehmen in Hamburg durch die Harley Days generiert und wie hoch sind die daraus resultierenden Steuereinnahmen?

Nach einer von der Fachhochschule Westküste in Heide erstellten Studie aus diesem Jahr geben privatreisende Übernachtungsgäste im Schnitt 135 € und privatreisende deutsche Tagesgäste 41,5 € jeweils pro Tag in Hamburg aus (die Daten basieren auf der Neuberechnung der volkswirtschaftlichen Effekte des Tourismus, für die Daten aus dem Jahr 2015 herangezogen wurden). Weitere Untersuchungen liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

7. Wie werden die umweltpolitischen und klimapolitischen Folgen der Harley Days seitens des Senats gegenüber den wirtschaftlichen Faktoren abgewogen und welche Zahlen lagen der Abwägung zugrunde?

Siehe Antworten zu 5. und zu 6. Sowie Drs. 21/17939.

8. Um festzustellen, ob „Overtourism“ in Hamburg noch nicht existiert, wie vom Chef von Hamburg Tourismus GmbH im Interview festgestellt, ist es erforderlich die Bemessungskriterien offen zu legen, um an diesen eine frühzeitige Tourismussteuerung zu gestalten. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um von „Overtourism“ zu sprechen?

Es gibt keinen allgemein gültigen Kriterienkatalog für den Begriff „Overtourism“. Der Begriff wird in der thematischen Diskussion unterschiedlich verwendet und interpretiert. Zur Frage der Position der Hamburgerinnen und Hamburger zum Tourismus sowie zum Vergleich mit anderen Metropolen können folgende Zahlen herangezogen werden:

Einwohnerbefragung zur Wahrnehmung des Tourismus aus dem Jahr 2019:
89,8% der Einwohnerinnen und Einwohner Hamburgs fühlen sich nicht persönlich durch Touristen in Hamburg gestört (+2,4 Prozentpunkte zum Vorjahr).
10,2 % der Einwohnerinnen und Einwohner Hamburgs fühlen sich persönlich durch Touristen in Hamburg gestört (-2,4 Prozentpunkte zum Vorjahr).
Quelle: Einwohnerbefragung der Hamburg Tourismus GmbH

Berechnung der Übernachtungsintensität für 2018 (Übernachtungen pro 1.000 Einwohner):

StadtEinwohner in TausendÜbernachtungenÜbernachtungsintensität
Kopenhagen623885384314219
Frankfurt7481014967113572
Barcelona*16201929368311907
München15421712448611104
Wien1897174136049177
Berlin3748328716348770
Hamburg1831145295497937

*Stand Januar 2018
Quelle: Statistikämter der jeweiligen Länder

 

9. Ist mit der Aussage, dass die Reisebranche an der Fragestellung arbeitet, wie bei Wachstum der Tourismuszahlen der ökologische Fußabdruck eines jeden Gastes reduziert werden kann, gemeint, dass der ökologische Fußabdruck nur des einzelnen Gastes reduziert wird, der des gesamten Gastaufkommens aber weiter steigt bzw. steigen kann?
a. Wenn ja: Um wie viel darf der ökologische Gesamtabdruck der Touristinnen und Touristen (bitte in CO2-Äquivalenten darstellen) nach Einschätzung des Senats steigen, um als noch verträglich zu gelten?

Nein.

10. Welche weiteren Faktoren (neben den Klimafaktoren) fließen in den ökologischen Gesamtabdruck ein und mit welchen Zahlen haben wir es derzeit in Hamburg für die einzelnen Komponenten des ökologischen Gesamtabdrucks zu tun? Bitte auch die Entwicklung seit 2008 hinsichtlich des ökologischen Gesamtabdrucks anführen.

11. Ist der ökologische Gesamtabdruck des Tourismus in Hamburg an die Klimaziele der FHH gekoppelt, d.h. ist angestrebt, den CO2-Ausstoss durch Tourismus bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren?
a. Wenn ja: Mit welchen Maßnahmen?
b. Wenn nein: Warum nicht?

Angesichts der äußerst heterogenen Struktur der Tourismusbranche, die neben dem reinen Gastgewerbe auch in unterschiedlichem Ausmaß das Transportgewerbe, den Einzelhandel, die Kultur- und Freizeitangebote Hamburgs sowie weitere Wirtschaftssegmente umfasst, ist die Bezifferung des „ökologischen Gesamtabdruckes des Tourismus“ nicht möglich. Die Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) betreffen naturgemäß auch den Tourismus, siehe hierzu auch das Nachhaltigkeitskonzept der Hamburg Tourismus GmbH, www.hamburg-tourism.de/fileadmin/redaktion/5_Footer/2_Business_Medien/Newsroom/Medieninformation/Nachhaltigkeitsstrategie_der_Hamburg_Tourismus_GmbH_-_2018.pdf.

12. Wie viele Beschwerden bzw. Anzeigen erfolgten bei Polizei, Bezirksämtern bzw. den Fachbehörden mit Bezug auf die Harley Days? Bitte nach Beschwerdegründen aufschlüsseln?

Bei der Behörde für Umwelt und Energie sind zwei, der Polizei eine, beim Bezirksamt Hamburg Hamburg-Mitte drei und der Senatskanzlei eine Beschwerde über Lärmbelästigung eingegangen, beim Bezirksamt Hamburg-Mitte eine weitere Beschwerde gegen die Veranstaltung generell. Drei Beschwerden gab es bei der Senatskanzlei mit dem Tenor, dass die Veranstaltung nicht zum Klimaschutz passe. Ob es sich dabei jeweils um unterschiedliche Beschwerdeführerinnen oder Beschwerdeführer handelt, ist nicht bekannt.

13. Wie viele Arbeitsstunden fielen bei Polizei, Rettungsdiensten und Behörden mit Bezug auf die Harley Days an und wie hat sich dieser Aufwand seit 2008 entwickelt?

Daten im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht statisch auswertbar erhoben. Zur Beantwortung wäre die Auswertung der Dienstpläne an allen Dienststellen erforderlich, von denen Personal im Sinne der Fragestellung eingesetzt wurden. Die händische Durchsicht mehrerer hundert Dienstpläne ist in der für die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

In nachfolgender Tabelle ist der zeitliche Aufwand der Feuerwehr sowohl für die Vorbereitung (Bewertung und Stellungnahme für genehmigungsgebende Behörde, Einsatzvorbereitung), als auch für die Begleitung vor Ort (Einsatzleiter mit Führungsassistent) dargestellt. Eine Neubewertung der Veranstaltung im Jahr 2016 hat dazu geführt, dass sich dieser Aufwand reduziert hat. So sind während der Veranstaltung seit dem Jahr 2017 keine Einsatzkräfte der Feuerwehr mehr vor Ort.

Die Arbeitsstunden im Rettungsdienst sind nicht quantifizierbar, weil Einsätze mit einem Bezug zu einer Veranstaltung von der Rettungsleitstelle nur als „EVENT“ gekennzeichnet werden, aber keiner bestimmten Veranstaltung zugeordnet werden können.
Weiter wurde in den Jahren 2015, 2016 und 2018 je ein Antrag auf Verwendung von Bühnenpyrotechnik von der Feuerwehr bearbeitet und genehmigt. Hierbei wurden durchschnittlich für jeden Antrag zwei Arbeitsstunden berechnet, die dem Antragsteller in Rechnung gestellt wurden.

Angaben zu Arbeitsstunden anderer Behörden liegen nicht vor.

14. Wie viele Kontrollen mit wie vielen kontrollierten Motorrädern wurden durch die Polizei während der Harley Days durchgeführt und mit welchen Kontrollergebnissen?

Die Polizei hat am Veranstaltungswochenende im Innenstadtbereich zwei Standkontrollen eingerichtet, bei denen 122 Krafträder kontrolliert wurden. In 28 Fällen wurden Fahrzeugmängel festgestellt, entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und in 14 Fällen das jeweilige Kraftrad stillgelegt.

Darüber hinaus getätigte Überprüfungen von Krafträdern, die mutmaßlich im Zusammenhang mit den „Harley Days“ im Straßenverkehr geführt wurden, werden bei der Polizei nicht statistisch auswertbar erfasst.

15. Gab es seitens der FHH direkte oder indirekte materielle oder finanzielle Zuwendungen für die Harley Days?
a. Wenn ja welche?

Nein.