Wie steht’s um die Situation der Saisonarbeitskräfte? Der Senat ist fast ahnungslos!

Stephan Jersch

Die Corona-Pandemie und die Reisebeschränkungen haben offensichtlich werden lassen, wie sehr Deutschlands Landwirtschaft von Saisonarbeitskräften aus Osteuropa abhängt. Durch die Presse gingen Bilder von ungeernteten Spargelfeldern, verzweifelten Landwirten und ausgesperrten Saisonarbeitskräften, die in Rumänien oder Bulgarien ohne Perspektive auf einen Mindestlohnjob in Deutschland ausgesperrt bleiben sollten.

Angesichts der drohenden Folgen für die anstehende Erntesaison wurden von der Bundesregierung Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte verabschiedet und dabei klare Auflagen gemacht. Nach der Umsetzung dieser Auflagen habe ich den Senat für Hamburg mit meiner Anfrage „Saisonarbeitskräfte in der Hamburgischen Landwirtschaft“ (Drs. 22/215) gefragt. Die Antwort des Senats lässt Fragen offen, ob überhaupt ein Interesse an der Situation von Mindestlohnbeschäftigten in Hamburg besteht!

Während es nach der Großen Anfrage „Hamburg nur sozial: Agrarpolitik“ (Drs. 21/18793, PDF bzw. hier) 2016 in Hamburg 3.195 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gab, waren damals 1.335 Saisonarbeitskräfte (befristete Arbeitsverhältnisse mit bis zu sechs Monaten Dauer) in 217 Betrieben im Einsatz – neuere Zahlen liegen dem Senat nicht vor. Bei insgesamt 30 Prozent der 625 Betrieben wird auf Saisonarbeitskräfte gesetzt. Damit sind Saisonarbeitskräfte ein wichtiger Teil der Landwirtschaft in Hamburg, der auch dazu beiträgt, die Ziele des Agrarpolitischen Konzepts Hamburgs zu verwirklichen.

Für die Anwerbung und Beschäftigung der notwendigen Saisonarbeitskräfte musste die Anreise aus Bulgarien und Rumänien per Flugzeug erfolgen. Der Senat ist uninformiert darüber, wie und wie viele Arbeitskräfte über die Vermittlungsportale, vor allem dem Bauernverband, ihren Weg nach Hamburg gefunden haben und ob die Flugreise von den Arbeitskräften bezahlt werden musste. Erschwerend kommt hinzu, dass der Senat keine Informationen darüber hat, woher die Saisonarbeitskräfte einreisen. Der Senat ist ebenfalls in Unkenntnis darüber, wer für die Einhaltung der Pandemievorschriften (z. B. Quarantäne, Gesundheitscheck etc.) aufkommt.

Immerhin ist jetzt öffentlich, dass über die Landwirtschaftskammer zwei Arbeitskräfte geworben werden konnten. Aber eine Information dazu, in wie weit Aufrufe bei Menschen mit Wohnsitz in und um Hamburg gefruchtet haben, sind nicht vorhanden.

Bei der Frage nach den durch die Betriebe getroffenen Maßnahmen, um die Pandemie-Auflagen einzuhalten, passt der Senat: Er verweist nur auf die vorhandenen Vorschriften. Eine genaue Kenntnis über die den Betrieben auferlegten Zusatzkosten, fehlt Rot-Grün in Hamburg. Schlussendlich ist dem Senat nicht bekannt, welche Kontrollen durchgeführt wurden. Zu hinterfragen ist, ob die Aufteilung der Hygiene- und Arbeitsschutzkontrollen zwischen Bezirksämtern und der Gesundheitsbehörde wirklich zielführend ist.

Bei allem Nichtwissen ist es zumindest beruhigend, dass es bisher keinen bekannten Corona-Fall bei Saisonarbeitskräften gegeben hat, auch wenn die Antwort daraufhin deutet, dass auch nicht danach gesucht wurde.

Laut Senat liegt in Hamburg die Hauptarbeitszeit der Saisonarbeitskräfte im August und September. Spätestens bis dahin sollte es im Interesse der Beschäftigten ein klares Konzept zur Sicherstellung der dann bestehenden Auflagen geben und ein einheitliches Vorgehen für die Kontrolle von Arbeitsschutz- und Hygienebestimmungen. Außerdem ist es vorteilhaft zu wissen, welche Kosten den Betrieben durch die Bestimmungen auferlegt werden.